Leitsatz
Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung von Bestimmungen der StPO und EU-JZG mangels Darlegung der unmittelbaren und aktuellen Betroffenheit
Spruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
I. Antrag
Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 litc BVG gestützten Antrag begehrt der Antragsteller, der Verfassungsgerichtshof möge §134 Z3 und 5, §135 Abs3, §137, §138 und §140 Strafprozeßordnung 1975 (StPO), BGBl 631/1975, idF BGBl I 182/2023 sowie §55a und §55d des Bundesgesetzes über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-JZG), BGBl I 36/2004, idF BGBl I 94/2021 als verfassungswidrig aufheben.
II. Rechtslage
1. Die Strafprozeßordnung 1975 (StPO), BGBl 631/1975, idF BGBl I 182/2023 lautet auszugsweise (die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):
"8. Hauptstück
Ermittlungsmaßnahmen und Beweisaufnahme
[…]
5. Abschnitt
Beschlagnahme von Briefen, Auskunft über Stamm- und Zugangsdaten, Auskunft über Daten einer Nachrichtenübermittlung, Lokalisierung einer technischen Einrichtung, Anlassdatenspeicherung und Überwachung von Nachrichten, verschlüsselter Nachrichten und von Personen
Definitionen
§134. Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist
[…]
3. 'Überwachung von Nachrichten' das Überwachen von Nachrichten und Informationen, die von einer natürlichen Person über ein Kommunikationsnetz (§4 Z1 TKG 2021) oder einen Dienst der Informationsgesellschaft (§1 Abs1 Z2 des Notifikationsgesetzes) gesendet, übermittelt oder empfangen werden,
[…]
5. 'Ergebnis' (der unter Z1 bis 4 angeführten Beschlagnahme, Auskunft, Lokalisierung oder Überwachung) der Inhalt von Briefen (Z1), die festgestellten Stammdaten (Z1a), die festgestellten Zugangsdaten (Z1b), die Daten einer Nachrichtenübermittlung (Z2), die festgestellten geographischen Standorte und zur internationalen Kennung des Benutzers dienenden Nummern (IMSI) (Z2a), die gesendeten, übermittelten oder empfangenen Nachrichten und Informationen (Z3), und die Bild- oder Tonaufnahme einer Überwachung (Z4),
[…]
Beschlagnahme von Briefen, Auskunft über Stamm- und Zugangsdaten, Auskunft über Daten einer Nachrichtenübermittlung, Lokalisierung einer technischen Einrichtung, Anlassdatenspeicherung und Überwachung von Nachrichten
§135. […]
(3) Überwachung von Nachrichten ist zulässig,
1. in den Fällen des Abs2 Z1,
2. in den Fällen des Abs2 Z2, sofern der Inhaber der technischen Einrichtung, die Ursprung oder Ziel einer Übertragung von Nachrichten war oder sein wird, der Überwachung zustimmt,
3. wenn dies zur Aufklärung einer vorsätzlich begangenen Straftat, die mit Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr bedroht ist, erforderlich erscheint oder die Aufklärung oder Verhinderung von im Rahmen einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung oder einer kriminellen Organisation (§§278 bis 278b StGB) begangenen oder geplanten Straftaten ansonsten wesentlich erschwert wäre und
a. der Inhaber der technischen Einrichtung, die Ursprung oder Ziel einer Übertragung von Nachrichten war oder sein wird, der vorsätzlich begangenen Straftat, die mit Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr bedroht ist, oder einer Straftat gemäß §§278 bis 278b StGB dringend verdächtig ist, oder
b. auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass eine der Tat (lita) dringend verdächtige Person die technische Einrichtung benützen oder mit ihr eine Verbindung herstellen werde;
4. in den Fällen des Abs2 Z4.
[…]
Gemeinsame Bestimmungen
§137. (1) Eine Überwachung nach §136 Abs1 Z1 kann die Kriminalpolizei von sich aus durchführen. Eine Auskunft über Stammdaten nach §135 Abs1a erster Fall ist auf Ersuchen von Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft oder Gericht zu erteilen. Eine Auskunft über Zugangsdaten nach §135 Abs1a zweiter Fall sowie eine Anlassdatenspeicherung nach §135 Abs2b ist von der Staatsanwaltschaft anzuordnen (§102). Die übrigen Ermittlungsmaßnahmen nach den §§135 bis 136 sind von der Staatsanwaltschaft auf Grund einer gerichtlichen Bewilligung anzuordnen, wobei das Eindringen in Räume nach §136 Abs2 jeweils im Einzelnen einer gerichtlichen Bewilligung bedarf.
(3) Eine Anlassdatenspeicherung nach §135 Abs2b darf nur für jenen Zeitraum angeordnet werden, der zur Erreichung ihres Zwecks voraussichtlich erforderlich ist, längstens jedoch für zwölf Monate; eine neuerliche Anordnung ist nicht zulässig. Sonstige Ermittlungsmaßnahmen nach §§135 bis 136 dürfen nur für einen solchen künftigen, in den Fällen des §135 Abs1a zweiter Fall und Abs2 auch vergangenen, Zeitraum angeordnet werden, der zur Erreichung ihres Zwecks voraussichtlich erforderlich ist. Eine neuerliche Anordnung ist jeweils zulässig, soweit auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass die weitere Durchführung der Ermittlungsmaßnahme Erfolg haben werde. Im Übrigen ist die Ermittlungsmaßnahme zu beenden, sobald ihre Voraussetzungen wegfallen.
§138. (1) Anordnung und gerichtliche Bewilligung einer Beschlagnahme von Briefen nach §135 Abs1 haben die Bezeichnung des Verfahrens, den Namen des Beschuldigten, die Tat, deren der Beschuldigte verdächtig ist, und ihre gesetzliche Bezeichnung sowie die Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass die Anordnung oder Genehmigung zur Aufklärung der Tat erforderlich und verhältnismäßig ist, anzuführen und über die Rechte des von der Anordnung oder Bewilligung Betroffenen zu informieren; Anordnung nach §135 Abs1a zweiter Fall und Abs2b und Anordnung und Bewilligung nach den §135 Abs2, 2a und 3 und §136 haben überdies zu enthalten:
1. die Namen oder sonstigen Identifizierungsmerkmale des Inhabers der technischen Einrichtung, die Ursprung oder Ziel einer Übertragung von Nachrichten war oder sein wird, oder der Person, deren Überwachung angeordnet wird,
2. die für die Durchführung der Ermittlungsmaßnahme in Aussicht genommenen Örtlichkeiten,
3. die Art der Nachrichtenübertragung, die technische Einrichtung oder die Art der voraussichtlich für die optische und akustische Überwachung zu verwendenden technischen Mittel,
4. den Zeitpunkt des Beginns und der Beendigung der Überwachung,
5. die Räume, in die auf Grund einer Anordnung eingedrungen werden darf,
6. im Fall des §136 Abs4 die Tatsachen, aus denen sich die schwere Gefahr für die öffentliche Sicherheit ergibt.
(2) Betreiber von Post- und Telegrafendiensten sind verpflichtet, an der Beschlagnahme von Briefen mitzuwirken und auf Anordnung der Staatsanwaltschaft solche Sendungen bis zum Eintreffen einer gerichtlichen Bewilligung zurückzuhalten; ergeht eine solche Bewilligung nicht binnen drei Tagen, so dürfen sie die Beförderung nicht weiter verschieben. Anbieter (§134 Z6) sind verpflichtet, unverzüglich Auskunft über Daten einer Nachrichtenübermittlung (§135 Abs2) zu erteilen und an einer Überwachung von Nachrichten (§135 Abs3) mitzuwirken; die rechtliche Zulässigkeit der Auskunftserteilung und Mitwirkung gründet auf der gerichtlichen Bewilligung. Ersuchen zur Auskunft über Stammdaten (§135 Abs1a erster Fall) sowie Anordnungen zur Auskunft über Zugangsdaten (§135 Abs1a zweiter Fall) und zur Anlassdatenspeicherung (§135 Abs2b) haben sie unverzüglich zu entsprechen und im Fall der Anlassdatenspeicherung die von der Löschungsverpflichtung ausgenommenen Daten (§167 Abs2 Z4 TKG 2021) nach Ablauf der angeordneten Dauer oder auf Grund einer Anordnung der Staatsanwaltschaft zu löschen.
(3) Die Verpflichtung nach Abs2 und ihren Umfang sowie die allfällige Verpflichtung, mit der Anordnung und Bewilligung verbundene Tatsachen und Vorgänge gegenüber Dritten geheim zu halten, hat die Staatsanwaltschaft dem Betreiber oder Anbieter mit gesonderter Anordnung aufzutragen; diese Anordnung hat in den Fällen der §135 Abs2 und 3 die entsprechende gerichtliche Bewilligung anzuführen. Die §§93 Abs2, 111 Abs3 sowie die Bestimmungen über die Durchsuchung gelten sinngemäß.
(4) Die Staatsanwaltschaft hat die Ergebnisse (§134 Z5) zu prüfen und diejenigen Teile in Bild- oder Schriftform übertragen zu lassen und zu den Akten zu nehmen, die für das Verfahren von Bedeutung sind und als Beweismittel verwendet werden dürfen (§§140 Abs1, 144, 157 Abs2).
(5) Nach Beendigung einer Ermittlungsmaßnahme nach §135 Abs1a zweiter Fall und Abs2b hat die Staatsanwaltschaft ihre Anordnung, in den übrigen Fällen von Ermittlungsmaßnahmen nach den §§135 bis 136 samt deren gerichtlicher Bewilligung, dem Beschuldigten und den von der Durchführung der Ermittlungsmaßnahme Betroffenen unverzüglich zuzustellen. Die Zustellung kann jedoch aufgeschoben werden, solange durch sie der Zweck dieses oder eines anderen Verfahrens gefährdet wäre. Wenn die Ermittlungsmaßnahme später begonnen oder früher beendet wurde als zu den in Abs1 Z4 genannten Zeitpunkten, ist auch der Zeitraum der tatsächlichen Durchführung mitzuteilen.
[…]
§140. (1) Als Beweismittel dürfen Ergebnisse (§134 Z5), bei sonstiger Nichtigkeit nur verwendet werden,
1. wenn die Voraussetzungen für die Ermittlungsmaßnahme nach §136 Abs1 Z1 vorlagen,
2. wenn die Ermittlungsmaßnahme nach §135 oder §136 Abs1 Z2 oder 3 oder Abs3 rechtmäßig angeordnet und bewilligt wurde (§137), und
3. in den Fällen des §136 Abs1 Z2 und 3 nur zum Nachweis eines Verbrechens (§17 Abs1 StGB),
4. in den Fällen der §135 Abs1, Abs2 Z2, 3 und 4, Abs2a, Abs3 Z2 bis 4 nur zum Nachweis einer vorsätzlich begangenen strafbaren Handlung, derentwegen die Ermittlungsmaßnahme angeordnet wurde oder hätte angeordnet werden können.
(2) Ergeben sich bei Prüfung der Ergebnisse Hinweise auf die Begehung einer anderen strafbaren Handlung als derjenigen, die Anlass zur Überwachung gegeben hat, so ist mit diesem Teil der Ergebnisse ein gesonderter Akt anzulegen, soweit die Verwendung als Beweismittel zulässig ist (Abs1, §144, §157 Abs2).
[…]"
2. Das Bundesgesetz über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-JZG), BGBl I 36/2004, idF BGBl I 28/2018 lautet auszugsweise (die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):
"IV. Hauptstück
Europäische Ermittlungsanordnung, Rechtshilfe und sonstige Zusammenarbeit in Strafsachen
Erster Abschnitt
Europäische Ermittlungsanordnung
Erster Unterabschnitt
Vollstreckung einer Europäischen Ermittlungsanordnung
[…]
Unzulässigkeit der Vollstreckung
§55a. (1) Die Vollstreckung einer Europäischen Ermittlungsanordnung ist unzulässig, wenn:
1. vorbehaltlich des Abs2 die ihr zugrundeliegende Handlung nach österreichischem Recht nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht ist; für fiskalisch strafbare Handlungen ist §12 sinngemäß anzuwenden;
2. sie sich auf eine strafbare Handlung bezieht, die außerhalb des Hoheitsgebiets des Anordnungsstaats und ganz oder teilweise im Inland oder an Bord eines österreichischen Schiffs oder Luftfahrzeugs begangen worden sein soll, und die Handlung nach österreichischem Recht nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht ist;
3. das Recht, wegen derselben Straftat nicht zweimal strafrechtlich verfolgt oder bestraft zu werden, verletzt werden würde (Art54 SDÜ), es sei denn, dass ihr ein Antrag des Beschuldigten auf Durchführung bestimmter Ermittlungsmaßnahmen oder Aufnahme bestimmter Beweise im Verfahren vor der ausstellenden Behörde zu Grunde liegt;
4. die Ermittlungsmaßnahme nach österreichischem Recht nur zur Aufklärung besonders bezeichneter strafbarer Handlungen oder solcher Handlungen, deren Begehung mit einer im Gesetz bestimmten Strafe bedroht sind, angeordnet werden darf und die der Europäischen Ermittlungsanordnung zugrundeliegende strafbare Handlung diese Voraussetzung nicht erfüllt, es sei denn, es handelt sich um eine in §55b Abs2 genannte Ermittlungsmaßnahme;
5. ihr Bestimmungen über die Immunität entgegenstehen;
6. sie wesentlichen nationalen Sicherheitsinteressen schaden, Informationsquellen gefährden oder die Verwendung von klassifizierten Informationen über nachrichtendienstliche Tätigkeiten voraussetzen würde;
7. berechtigte Gründe für die Annahme bestehen, dass sie die in Art6 des Vertrags über die Europäische Union anerkannten Grundsätze oder die durch die Charta der Grundrechte der Europäischen Union gewährten Rechte verletzen würde;
8. das Recht einer in §§155 Abs1 Z1 und 157 Abs1 Z2 bis 5 StPO genannten Person, die Aussage zu verweigern, umgangen würde, es sei denn, dass die zur Verweigerung der Aussage berechtigte Person im Verfahren der ausstellenden Behörde als Beschuldigter geführt wird;
9. die Voraussetzungen des §55 Abs3 – vorbehaltlich des §55d Abs2 Z1 – nicht gegeben sind;
10. im Fall einer Europäischen Ermittlungsanordnung zur Überstellung einer inhaftierten Person die Überstellung aus dem Bundesgebiet geeignet ist, die Dauer der Anhaltung zu verlängern;
11. der Beschuldigte der Vernehmung mittels technischer Einrichtung zur Wort- und Bildübertragung im Fall einer darauf gerichteten Europäischen Ermittlungsanordnung nicht zugestimmt hat oder die Europäische Ermittlungsanordnung auf eine Vernehmung des Beschuldigten mittels Telefonkonferenz gerichtet ist;
12. im Fall einer Europäischen Ermittlungsanordnung zur Durchführung einer kontrollierten Lieferung die Voraussetzungen des §99 Abs4 StPO nicht vorliegen;
13. im Fall einer Europäischen Ermittlungsanordnung zur Durchführung einer Observation, einer Überwachung von Nachrichten oder einer optischen und akustischen Überwachung von Personen die Überwachung in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall nicht genehmigt würde.
(2) Die beiderseitige Strafbarkeit nach Abs1 Z1 ist nicht zu prüfen, wenn
1. die der Europäischen Ermittlungsanordnung zugrundeliegende Tat von der ausstellenden Behörde einer der in Anhang I, Teil A angeführten Kategorie von Straftaten zugeordnet wurde und nach dem Recht des Ausstellungsstaates mit Freiheitsstrafe, deren Obergrenze mindestens drei Jahre beträgt, oder mit Freiheitsstrafe verbundenen vorbeugenden Maßnahmen in dieser Dauer bedroht ist, wobei die von der ausstellenden Behörde getroffene Zuordnung vorbehaltlich des §55d Abs2 Z2 bindend ist; oder
2. es sich um eine in §55b Abs2 genannte Maßnahme handelt.
[…]
Verfahren
§55d. (1) Die Vollstreckung der Europäischen Ermittlungsanordnung setzt voraus, dass die unterzeichnete und gegebenenfalls genehmigte (§55 Abs3) Bescheinigung (Anhang XVII) und, sofern der Ausstellungsstaat nicht die Erklärung abgegeben hat, als Vollstreckungsstaat Bescheinigungen auch in deutscher Sprache zu akzeptieren (§56 Abs3), deren Übersetzung in die deutsche Sprache übermittelt wird.
(2) Wenn
1. die Bescheinigung unvollständig, widersprüchlich, offensichtlich unrichtig ist oder nicht von einer Justizbehörde des Ausstellungsstaates genehmigt wurde (§55 Abs3),
2. die rechtliche Würdigung als Straftat nach Anhang I Teil A. offensichtlich fehlerhaft ist oder der Beschuldigte dagegen begründete Einwände erhoben hat,
ist die ausstellende Behörde um Nachreichung, Vervollständigung oder ergänzende Information binnen einer festzusetzenden, angemessenen Frist zu ersuchen.
(3) Bestehen Anhaltspunkte für das Vorliegen von den in §55a Abs1 Z3, 5 bis 8 genannten Gründen oder scheint es sachgerecht, zunächst andere als die in der Europäischen Ermittlungsanordnung genannten Maßnahmen durchzuführen, so ist die ausstellende Behörde zu informieren und im Wege von Konsultationen darauf hinzuwirken, dass dem Zweck der Ermittlungsanordnung so weit wie möglich entsprochen wird.
(4) Vor einem Vorgehen nach §55b Abs1 ist der ausstellenden Behörde Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
(5) Steht der Vollstreckung einer Europäischen Ermittlungsanordnung eine Immunität entgegen, für deren Aufhebung eine Zuständigkeit im Inland besteht, sind die nach den vorgesehenen Voraussetzungen notwendigen Anträge zu stellen und die Europäische Ermittlungsanordnung nach Aufhebung der Immunität zu vollstrecken.
(6) Einem Ersuchen um Vollstreckung einer Europäischen Ermittlungsanordnung, das ein vom österreichischen Recht abweichendes Vorgehen erfordert, ist zu entsprechen, wenn diesem Vorgehen keine wesentlichen innerstaatlichen Rechtsgrundsätze entgegenstehen.
(7) Langt bei der Staatsanwaltschaft eine Unterrichtung (Anhang XIX) ein, so hat sie der ausstellenden Behörde im Fall des Vorliegens der in §55a Abs1 Z1 bis 5, 8 und 13 genannten Gründe binnen 96 Stunden mitzuteilen, dass die Überwachung von Nachrichten nicht durchgeführt werden kann oder zu beenden ist, sowie bereits gesammelte Ergebnisse der Überwachung von Nachrichten nicht verwendet werden dürfen.
(8) Auf den Geschäftsweg ist §14 Abs1 bis 5 sinngemäß anzuwenden.
[…]"
III. Sachverhalt und Antragsvorbringen
1. Mit Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 13. März 2025 wurde die über den Antragsteller am 9. November 2024 verhängte, zweimal verlängerte, aber von 30. Dezember 2024 bis 13. März 2025 unterbrochene Untersuchungshaft bis längstens 13. Mai 2025 fortgesetzt, weil er insbesondere der Verbrechen des Suchtgifthandels dringend verdächtig sei und Flucht- sowie Tatbegehungsgefahr bestünden.
2. Am 12. Mai 2025 stellte der Antragsteller einen ersten Individualantrag auf Aufhebung der §§134 Z3, 135 Abs3 und 140 StPO sowie der §§55a und 55d EU JZG.
3. Dieser Antrag wurde mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 25. Juni 2025, G71 72/2025, zurückgewiesen, weil es der Antragsteller unterlassen hatte, seine unmittelbare und aktuelle Betroffenheit durch die angefochtenen Bestimmungen im Einzelnen darzulegen.
4. Am 1. August 2025 erhob der Antragsteller den vorliegenden weiteren Individualantrag auf Aufhebung der §§134 Z3 und 5, 135 Abs3, 137, 138 und 140 StPO sowie der §§55a und 55d EU-JZG.
4.1. Zu seiner Betroffenheit durch die angefochtenen Bestimmungen bringt der Antragsteller – wie bereits im ersten Antrag – zunächst vor, dass ausländische Behörden der Staatsanwaltschaft Wien Chatverläufe übermittelt hätten, die über "Kryptohandys" (Systeme "Sky ECC" und "Anom") geführt worden seien. Die Staatsanwaltschaft Wien ordne einige dieser Chatverläufe dem Antragsteller zu, weshalb er sich nunmehr in Untersuchungshaft befinde.
4.2. Ergänzend zum ersten Antrag bringt der Antragsteller vor, er sei durch die angefochtenen Bestimmungen unmittelbar und aktuell betroffen, zumal diese nicht auf die Tätigkeiten ausländischer Behörden auf österreichischem Staatsgebiet anwendbar seien. Folglich sei es ihm auf Grund der aktuellen Rechtslage verwehrt, eine Überprüfung der Tätigkeiten ausländischer Behörden nach Maßgabe der angefochtenen Bestimmungen auf österreichischem Staatsgebiet zu verlangen. Die Gerichte könnten sich nach der aktuellen Rechtslage nicht mit den innerstaatlich normierten Voraussetzungen einer Messengerdienstüberwachung auseinandersetzen. Die angefochtenen Bestimmungen verweigerten es dem Antragsteller, die Vorgangsweise der ausländischen Behörden anhand der in der StPO normierten Voraussetzungen zu überprüfen, insbesondere dahingehend, ob ein Beweisverwertungsverbot vorliege. Wären die angefochtenen Bestimmungen verfassungskonform, könnten die Tätigkeiten der ausländischen Behörden von österreichischen Gerichten überprüft werden.
4.3. Darüber hinaus enthält der Antrag wiederum lediglich allgemeine, nicht auf den Antragsteller bezogene Ausführungen zur Vorgangsweise ausländischer Behörden in Zusammenhang mit "Sky ECC" und "Anom", zur behaupteten Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Bestimmungen und zur Unzumutbarkeit eines anderen Rechtsweges.
IV. Zulässigkeit
1. Der Antrag ist unzulässig.
2. Gemäß Art140 Abs1 Z1 litc B VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg 8009/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, dass das Gesetz in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie – im Fall seiner Verfassungswidrigkeit – verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art140 Abs1 Z1 litc B VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl zB VfSlg 11.730/1988, 15.863/2000, 16.088/2001, 16.120/2001).
2.1. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 11.868/1988, 15.632/1999, 16.616/2002, 16.891/2003).
2.2. Nach §62 Abs1 letzter Satz VfGG hat ein Antrag auf Normenkontrolle, der von einer Person gestellt wurde, die unmittelbar durch die Rechtswidrigkeit einer Norm in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, demgemäß darzutun, inwieweit die Norm ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für die Person wirksam geworden ist, inwiefern die Norm also in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar nachteilig eingreift. Wird durch einen Antrag nicht konkret dargetan, inwieweit durch das bekämpfte Gesetz ein unmittelbarer und aktueller Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers erfolgt, so leidet der Antrag an einem inhaltlichen, nicht verbesserungsfähigen Mangel (zB VfSlg 18.187/2007; VfGH 21.11.2013, G85/2013; 8.10.2014, G65/2014).
3. Der Antragsteller hat es entgegen §62 Abs1 letzter Satz VfGG unterlassen, seine unmittelbare und aktuelle Betroffenheit in Bezug auf die angefochtenen Bestimmungen im Einzelnen darzulegen: Wie bereits in seinem ersten Antrag (vgl VfGH 25.6.2025, G71-72/2025) beschränkt er sich auf die pauschale Behauptung, dass er sich auf Grund der Übermittlung von Chatverläufen aus den Systemen "Sky ECC" und "Anom" in Untersuchungshaft befinde. Nachvollziehbare Angaben, anhand derer widerspruchsfrei beurteilt werden könnte, ob die angefochtenen Normen unmittelbar und aktuell in die Rechtssphäre des Antragstellers eingreifen, sind dem Antrag erneut nicht zu entnehmen. Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes ist es aber nicht, Vermutungen über die Anwendbarkeit der angefochtenen Bestimmungen auf den Antragsteller anzustellen (VfSlg 17.064/2003; VfGH 22.9.2021, G311/2020). Auch das – verglichen mit dem ersten Antrag – ergänzende Vorbringen (siehe Punkt III.4.2.) ist nicht geeignet, eine unmittelbare und aktuelle Betroffenheit des Antragstellers aufzuzeigen, da es keinen konkreten Bezug zu seinem Verfahren aufweist, sondern sich auf Kritik an der aktuellen Rechtslage beschränkt. Dem Antrag steht daher ein nicht behebbares Prozesshindernis entgegen (VfSlg 19.435/2011).
4. Der Antrag ist somit als unzulässig zurückzuweisen, ohne dass das Vorliegen der übrigen Prozessvoraussetzungen näher zu prüfen ist.
V. Ergebnis
1. Der Antrag ist als unzulässig zurückzuweisen.
2. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.