18Bs248/25i – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Senatspräsidentin Mag. Frohner als Vorsitzende sowie die Richterinnen Mag. Lehr und Mag. Primer als weitere Senatsmitglieder in der Strafvollzugssache des A*wegen vorläufigen Absehens vom Strafvollzug wegen Einreiseverbotes oder Aufenthaltsverbotes nach § 133a StVG über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Krems an der Donau vom 4. August 2025, GZ **-10, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird dahin Folge gegeben, dass der angefochtene Beschluss aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche, begründete Entscheidung aufgetragen wird.
Text
Begründung:
Der am ** geborene tschechische Staatsangehörige A* verbüßt in der Justizanstalt Krems eine über ihn mit Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau vom 7. Oktober 2024, rechtskräftig seit 11. Oktober 2024, AZ **, wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1 und 3, 130 Abs 1 erster Fall, Abs 2 zweiter Fall StGB, des Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 StGB und des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB verhängte Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren und sechs Monaten.
Das errechnete Strafende fällt auf den 23. Jänner 2027. Die zeitlichen Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung nach § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 1 StVG werden am 23. Oktober 2025, jene nach § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 2 StVG am 23. März 2026 erfüllt sein.
Mit dem angefochtenen Beschluss (ON 10) lehnte das Landesgericht Krems an der Donau als zuständiges Vollzugsgericht – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft (ON 1.3) – den Antrag des Strafgefangenen auf vorläufiges Absehen vom Strafvollzug wegen Einreiseverbotes oder Aufenthaltsverbotes nach § 133a StVG aus generalpräventiven Erwägungen ab.
Dagegen richtet sich die nach Zustellung des Beschlusses erhobene (ON 11, 1), zu ON 12 ausgeführte Beschwerde des A*.
Rechtliche Beurteilung
Der Beschwerde kommt im spruchgemäßen Umfang Berechtigung zu.
Gerichtliche Entscheidungen (§ 35 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StPO) sind rechtsfehlerhaft, wenn die Ableitung der Rechtsfolge aus dem vom Entscheidungsträger zugrunde gelegten Sachverhaltssubstrat das Gesetz verletzt oder die Sachverhaltsannahmen entweder in einem rechtlich mangelhaften Verfahren zustande gekommen oder mit einem formalen Begründungsmangel behaftet und demnach willkürlich getroffen sind (RIS-Justiz RS0126648; Ratz , WKStPO § 292 Rz 17).
Ein Beschluss hat gemäß § 86 Abs 1 StPO neben Spruch und Rechtsmittelbelehrung eine Begründung zu enthalten (§ 86 Abs 1 erster und vierter Satz StPO). Die Pflicht zur Angabe des rechtlich als entscheidend beurteilten Sachverhalts umfasst auch jene zur Darlegung der Tatsachen (Beweisergebnisse), auf denen diese Sachverhaltsannahmen beruhen. Erst dadurch wird die Tatsachengrundlage der Entscheidung (§ 35 Abs 2 erster Fall StPO) dahin überprüfbar, ob sie in formal einwandfreier Weise – also ohne Begründungsmängel iSd § 281 Abs 1 Z 5 StPO und demnach nicht willkürlich – geschaffen worden ist (siehe auch § 89 Abs 2a Z 3 StPO; RIS-Justiz RS0126648). Demzufolge verletzen die Tatsachenannahmen eines Beschlusses das Gesetz, wenn sie ein Begründungsdefizit iSd § 281 Abs 1 Z 5 StPO aufweisen und solcherart als willkürlich zu beurteilen sind (RISJustiz RS0132725; Kirchbacher, StPO 15 § 86 Rz 1/1). Letzteres ist hier der Fall.
Das Erstgericht hat nicht dargelegt, aus welchen konkreten Umständen fallbezogen ein vorläufiges Absehen vom Strafvollzug wegen Einreiseverbotes oder Aufenthaltsverbotes nach § 133a StVG an generalpräventiven Erwägungen scheitert.
Die Wortfolge „Schwere der Tat“ (§ 133a Abs 2 StVG) stellt auf den sozialen Störwert (die kriminelle Bedeutung [RIS-Justiz RS0091863]) einer Tat ab, der durch Handlungs- und Erfolgsunwert determiniert wird. Die Verweigerung des vorläufigen Absehens vom Strafvollzug wegen Einreiseverbots oder Aufenthaltsverbots aus generalpräventiven, sich aus der Schwere der Taten ergebenden Gründen setzt gewichtige Umstände voraus, welche sich aus Sicht der Allgemeinheit von den regelmäßig vorkommenden Begleiterscheinungen strafbaren Verhaltens auffallend abheben. Dabei ist nicht nur der bloße Abschreckungseffekt bei potentiellen Tätern, sondern (im Sinne positiver Generalprävention) auch das Interesse an der Festigung genereller Normtreue in der Bevölkerung zu beachten. Diese Aspekte generalpräventiver Natur müssen aus der Schwere der Taten ableitbar sein ( Jerabek/Ropper, WK² StGB § 46 Rz 16; Pieber, WK² StVG § 133a Rz 18). Bezugspunkt der generalpräventiven Erforderlichkeitsprüfung ist somit nicht nur die auf die Anlasstaten angewendete rechtliche Kategorie, sondern es sind auch die konkreten tatsächlichen Umstände zu berücksichtigen. Wenn sich daraus im Einzelfall eine besondere Tatschwere im Sinne eines besonderen sozialen Störwertes (kriminellen Bedeutung) ergibt, liegen generalpräventive Ausschlussgründe im Sinn des § 133a Abs 2 StVG vor.
Das Erstgericht hat lediglich festgehalten „Die aus der Schwere der Tat ableitbaren Aspekte generalpräventiver Natur liegen hier vor. Sie ergeben sich aus der gewerbsmäßigen Begehung von Einbruchsdiebstählen in Gebäude oder durch Aufbrechen einer Sperrvorrichtung, in rascher zeitlicher Abfolge, sowie die jeweilige Einreise aus dem grenznahen Ausland.“ (BS 2), jedoch die Darstellung der konkreten Anlasstaten unterlassen und keine Tatmodalitäten angeführt, die die Beurteilung zulassen, dass sich die vom Beschwerdeführer verübten Vermögensdelikte aus Sicht der Allgemeinheit von den regelmäßig auftretenden Begleiterscheinungen strafbaren Verhaltens auffallend abheben.
Damit ist der angefochtene Beschluss mit einem Begründungsmangel (§ 281 Abs 1 Z 5 StPO; Kirchbacher , aaO § 89 Rz 3/3) behaftet, weshalb mit einer Kassation vorzugehen und dem Erstgericht die neuerliche, begründete Entscheidung aufzutragen ist.