11R128/25m – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch die Senatspräsidentin des Oberlandesgerichts Dr. Primus als Vorsitzende sowie die Richterinnen des Oberlandesgerichts Mag. Fidler und Dr. Berka in der Rechtssache der klagenden Partei A* , **, vertreten durch Dr. Stephan Duschel, Mag. Klaus Hanten, Mag. Clemens Kurz, Rechtsanwälte in 1220 Wien, wider die beklagte Partei B* , **, vertreten durch Dr. Heinrich Nagl, Mag. Timo Ruisinger, Rechtsanwälte in Horn, wegen EUR 18.531,76 samt Anhang, über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau vom 27.6.2025, GZ **-23, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen vierzehn Tagen deren mit EUR 2.089,32 (darin EUR 348,22 USt) bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung zu ersetzen.
Die Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Beklagte ist der Schwiegersohn der Klägerin. Er heiratete deren Tochter im Jahr 2021, mittlerweile haben sich die beiden getrennt. Beide Eheleute hatten damals Schulden, die bei einer geplanten Kreditaufnahme bei einer Bank hinderlich gewesen wären. Die Klägerin schlug daher vor, die Schulden für die Eheleute abzubezahlen.
Alle drei setzten sich im Februar 2022 zusammen, um den Schuldenstand zu erheben. Die beiden Ehegatten legten jeweils ihre Schulden offen, und die Klägerin notierte sich eine geschätzte Gesamtsumme von rund EUR 22.000. Darin enthalten waren Schulden, die nur den Beklagten betrafen, in Höhe von EUR 4.827,72. Der Rest entfiel auf Schulden nur der Tochter der Klägerin, deren Großteil vor dem Eingehen der Beziehung bzw. Ehe aufgelaufen waren. Die Klägerin bot den Eheleuten an, dass sie deren Schulden für das weitere gemeinsame Leben in Form einer Darlehensgewährung zahlen und sie selbst hierfür einen Kredit aufnehmen werde. Sie begriff das von ihr in Aussicht gestellte Darlehen als gemeinsame Schuld des Beklagten und ihrer Tochter, äußerte dies aber nicht. Es wurde auch nicht näher besprochen von wem die in monatlichen Raten von zunächst EUR 215 und dann EUR 220 zu leistende Rückzahlung zu erfolgen hat. Es war klar, auch wenn das nicht ausgesprochen wurde, dass die Rückzahlungen vom einzigen Konto der Eheleute, dem Gemeinschaftskonto des Beklagten und der Tochter der Klägerin, zu überweisen waren. Die Tochter der Klägerin ging zu diesem Zeitpunkt aus eigenem Willen auch keiner eigenen Beschäftigung nach.
Die Klägerin wendete schließlich insgesamt EUR 22.260,49 für die bezweckte Schuldentilgung auf, wobei sie teilweise die Schulden der Eheleute direkt beglich bzw. EUR 2.900 an ihre Tochter übergab bzw überwies. An Rückzahlungen wurden von Juli 2022 bis Oktober 2023 insgesamt EUR 4.160 vom Gemeinschaftskonto geleistet, wobei alle Beträge vom Beklagten stammen. Eine ausdrückliche Vereinbarung, wonach der Beklagte auch jene Beträge für die von der Klägerin getilgten Schulden ihrer Tochter zurückzuzahlen hat, wurde nicht getroffen. Der Beklagte ging stets davon aus, dass er nur die von der Klägerin für ihn getilgten Schulden in Raten zurückzahlt.
Darüber hinaus zahlte die Klägerin EUR 924,07 an die Eheleute für die Anschaffung einer Wohnlandschaft. Dazu war vereinbart, dass der Beklagte und die Tochter der Klägerin ihr diesen Betrag zurückzahlen sollten. Der Beklagte zahlte diesbezüglich EUR 492,80 zurück.
Mit Mahnklage vom 26.3.2024 begehrte die Klägerin vom Beklagten die Rückzahlung von EUR 18.100,49 aus dem Darlehensbetrag zur Schuldentilgung. Ein Teil des Darlehens sei für die Rückzahlung von Schulden, die bloß ihre Tochter betroffen hätten, verwendet worden und ein Teil für die Rückzahlung von Schulden, die bloß den Beklagten betroffen hätten. Der Einfachheit halber habe sie die Zahlung an die jeweiligen Gläubiger direkt geleistet, es sei aber besprochen worden, dass die Haftung für den gesamten Betrag zur ungeteilten Hand vereinbart werde. Sie selbst könne nicht mehr bis ins Letzte nachvollziehen, welcher Betrag ihrer Tochter oder dem Beklagten zugute gekommen sei. Sie brachte vor, dass lediglich eine Rückzahlung von EUR 4.160 geleistet worden sei und der Beklagte und dessen Ehefrau zur ungeteilten Hand haften würden.
Aus dem Darlehen zur Anschaffung der Wohnlandschaft schulde der Beklagte EUR 431,27. Aus diesen Beträgen setze sich das Klagebegehren zusammen.
Der Beklagte bestritt und brachte im Wesentlichen vor, dass die Klägerin für ihn Schulden von insgesamt EUR 4.827,72 bezahlt habe. Diese Summe habe er daher der Klägerin geschuldet; EUR 4.160 davon habe er aber bereits bezahlt. Die Klägerin habe daher nur noch einen Anspruch von EUR 667,72. Darüber hinaus habe die Klägerin nur Schulden ihrer Tochter beglichen, die zum Teil noch aus einer Zeit stammten, in der die Tochter mit deren Ex-Freund zusammen gewesen sei, und teilweise aus Versandhausschulden resultierten. Die Wohnlandschaft sei von der Klägerin angekauft worden und in der damaligen Ehewohnung gestanden, damit die Klägerin dort schlafen habe können wenn sie die Eheleute besuchte. Die Klägerin hätte mit ihrer Tochter dann vereinbart, dass künftig die Tochter die Raten an die Klägerin zurückzahlen werde.
Mit dem angefochtenen Urteil verpflichtete das Erstgericht den Beklagten zur Zahlung von EUR 1.098,99 samt Zinsen (Spruchpunkt 1.), wies das Mehrbegehren von EUR 17.432,77 samt Zinsen ab (Spruchpunkt 2.) und verpflichtete die Klägerin zum Kostenersatz (Spruchpunkt 3.).
Es stellte den auf den Seiten 3 und 4 der Urteilsausfertigung ersichtlichen Sachverhalt fest, der eingangs - soweit für das Berufungsverfahren relevant - wiedergegeben wurde. Rechtlich führte es aus, dass zwei gesonderte Darlehen zu beurteilen seien, nämlich einerseits jenes zur Schuldentilgung und andererseits jenes für die Anschaffung der Wohnlandschaft.
Für das Darlehen zur Schuldentilgung lasse sich eine Haftung des Beklagten auch für die bezahlten Schulden der Tochter der Klägerin selbst im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung nicht ableiten. Eine Rückzahlungsverpflichtung sei nach den Feststellungen nicht vereinbart worden und ergebe sich auch nicht aus den vorliegenden Umständen. Allein die Nennung der Gesamtsumme durch die Klägerin gegenüber den Eheleuten – wohl um den Umfang der Darlehen und des von ihr aufzunehmenden Kredits überhaupt bestimmen zu können – und die Rückzahlung vom Gemeinschaftskonto würden den Schluss auf eine Solidarverpflichtung nicht zulassen. Es seien die jeweils einzelnen Schulden der Eheleute offengelegt worden, und es hätten sich schon daraus der Höhe nach beträchtliche Unterschiede zwischen den Schulden ergeben, die die Begründung einer gemeinsamen Haftung ohne dahingehende Erklärung ausschließen würden. Das Erstgericht verneinte somit eine Solidarhaftung des Beklagten und der Tochter der Klägerin. Der Beklagte habe nur für seine eigenen von der Klägerin bezahlten Schulden einzustehen, also insgesamt für EUR 4.827,72. Davon habe er EUR 4.160 bezahlt, sodass er noch EUR 667,72 schulde.
Betreffend die Wohnlandschaft bejahte der Erstrichter eine Solidarhaftung, der Beklagte schulde daher der Klägerin hier den noch offenen Betrag von EUR 431,27. Gegen die Abweisung des Mehrbegehrens von EUR 17.432,77 samt Anhang richtet sich die Berufung der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Abänderungsantrag, dem Klagebegehren zur Gänze stattzugeben; in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Beklagte beantragt der Berufung nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist nicht berechtigt .
1. Die Berufungswerberin vertritt in ihrer Rechtsrüge die Ansicht, dass ausgehend vom festgestellten Sachverhalt sehr wohl eine Solidarverpflichtung vorliege. Das Darlehen sei für Schulden der Tochter und des Beklagten „für das weitere gemeinsame Leben“ gewährt worden und die Rückzahlung der Raten sollte vom Gemeinschaftskonto erfolgen. Nach § 94 Abs 1 ABGB hätten Ehegatten nach ihren Kräften zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnissen gemeinsam beizutragen. Werde das gemeinsame Interesse der Ehegatten bei Kreditaufnahme offen gelegt, werde dadurch eine echte Mitschuld begründet. Mangels gegenteiliger Äußerung bei Kreditaufnahme sei schon nach dem zugrundezulegenden Verständnis einer aufrechten Ehe als Solidargemeinschaft nicht von einer Anstrengung der Ehegatten für diese Aufwendungen „nach Kopfteilen“ und von gegenseitigen Regresspflichten auszugehen.
Jedenfalls ergebe sich die Haftung des Beklagten aber daraus, dass dieser erkennbar zumindest als Interzedent aufgetreten sei. Da der Beklagte die Ratenzahlung von (auch) seinem Konto zugesagt habe, ergebe sich nach dem objektiven Erklärungshorizont, dass dieser die Haftung für das gesamte Darlehen übernommen habe.
Wenn keine echte Mitschuld vorliege und auch keine Haftungsübernahme erfolgt sei, dann wären aber zumindest die vom Gemeinschaftskonto erbrachten Leistungen zur Hälfte auch auf die Schulden der Tochter anzurechnen gewesen.
2. Diese Rechtsansichten teilt der Berufungssenat nicht.
2.1.Eine Solidarverpflichtung der Eheleute entstand hinsichtlich der von der Klägerin übernommenen Schuldentilgung nicht, es wird dazu auf die überzeugenden Ausführungen des Erstrichters verwiesen (§ 500a ZPO).
Auch aus der von der Klägerin zitierten Entscheidung 5 Ob 103/13b ist für die Klägerin nichts zu gewinnen.
Die Klägerin gibt die Ausführungen des Obersten Gerichtshofs richtig wieder, wonach die Aufnahme einer Verbindlichkeit von Ehegatten - konkret die Aufnahme eines Kredits zum Erwerb einer Liegenschaft und zur Errichtung eines Hauses darauf als Familienwohnsitz - im gemeinsamen Interesse von Eheleuten eine „echte“ Mitschuld begründet, wenn dieser Zweck bei der Kreditaufnahme offengelegt wird.
Aus der Feststellung im Ersturteil der Kredit sollte "für das weitere gemeinsame Leben" aufgenommen werden, leitet die Klägerin einen vergleichbaren Sachverhalt ab, der in ihren Augen eine solche Mitschuld begründet. Allerdings lässt sie dabei völlig die weiteren Feststellungen außer Acht, wonach den Eheleuten nicht eine gemeinsame Kreditsumme zur Verfügung gestellt wurde, sondern jeweils ganz konkrete eigene Schulden einerseits des Beklagten und andererseits der Tochter der Klägerin beglichen wurden. Im Gegensatz zur Klägerin berücksichtigte der Erstrichter bei der Vertragsauslegung sämtliche konkreten Umstände (Ris-Justiz RS0113932). Seinem Auslegungsergebnis, die von der Klägerin behauptete Solidarhaftung sei zu verneinen, ist bei Berücksichtigung dieser konkreten Umstände zuzustimmen.
2.2.Auf eine Haftung des Beklagten als Interzedent stützt sich die Klägerin in der Berufung zum ersten Mal. Sie verstößt damit gegen das Neuerungsverbot (§ 482 ZPO). Davon abgesehen, besteht für einen als Interzession zu wertenden Schuldbeitritt ohnehin die Formpflicht analog § 1346 Abs 2 ABGB (vgl 4 Ob 205/09i), die unstrittig nicht erfüllt ist.
2.3.Soweit die Klägerin der Ansicht ist, dass auch ohne Solidar- oder Bürgenhaftung die vom Gemeinschaftskonto überwiesenen Beträge zumindest zur Hälfte auch ihrer Tochter als Ehegattin zugute kommen hätte müssen, übersieht sie, dass die eheliche Verbindung allein noch keine Gemeinschaft der Güter zwischen den Eheleuten begründet (§ 1233 ABGB). Gesetzlicher Güterstand ist also die Gütertrennung, jeder Ehegatte bleibt Eigentümer der ihm gehörigen Sachen und Verfügungsberechtigter über die ihm zustehenden Rechte, er erwirbt unter Lebenden und von Todeswegen nur für sich. Schulden eines Ehegatten berühren den anderen nicht ( Hopf / Kathrein , Eherecht 3§ 1233 ABGB Rz 2). Das Erstgericht stellte fest, dass die vom Gemeinschaftskonto bezahlten EUR 4.160 vom Beklagten, also aus dessen Vermögen stammen. Eigene Schulden der Ehegattin wurden damit nicht getilgt.
3. Das Berufungsgericht teilt die Rechtsansicht des Erstgerichts, die Berufung war daher nicht erfolgreich.
4.Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
5.Die Revision ist nicht zulässig (§ 502 Abs 1 ZPO), es stellen sich keine Rechtsfragen von über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung (RS0112106).