JudikaturOLG Wien

21Bs292/25g – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
22. August 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Richterin Mag. Maruna als Vorsitzende sowie den Richter Mag. Gruber und die Richterin Mag. Frigo als weitere Senatsmitglieder in der Maßnahmenvollzugssache des A* B*wegen bedingter Entlassung aus einer mit Freiheitsentziehung verbundenen Maßnahme nach § 47 StGB über die Beschwerde des Untergebrachten gegen den Beschluss des Landesgerichts Krems an der Donau vom 25. Juli 2025, GZ ** 20, nichtöffentlich den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Der am ** in ** geborene österreichische Staatsbürger A* B* wurde mit am 24. Jänner 2018 rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien, GZ **, des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Jahren verurteilt und gemäß § 21 Abs 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher (nunmehr: in ein forensisch therapeutisches Zentrum) eingewiesen.

Nach dem Inhalt des Wahrspruches hat A* B* am 2. August 2017 in ** versucht, seine Mutter C* dadurch zu töten, dass er anlässlich einer verbalen Auseinandersetzung wegen nicht beglichener Stromrechnungen ihr beide Hände um ihren Hals legte und sie derartig kräftig würgte, dass C* keine Luft mehr bekam, wobei der Tod des Opfers nur deshalb nicht eintrat, weil der Angeklagte von seinem Bruder D* B* an der Vollendung der Tat gehindert wurde, indem dieser den Angeklagten vom Opfer unter Anwendung von Körperkraft wegzog (ON 10).

A* B* hat die Tat ohne zurechnungsunfähig zu sein, unter dem Einfluss einer schwerwiegenden und nachhaltigen Persönlichkeitsstörung mit dissozialen, emotional instabil-impulsiven, schizoiden und narzisstischen Strukturanteilen begangen, welche nach Art und Schwere einer geistigen seelischen Abnormität im Sinne des § 21 Abs 2 StGB (idF BGBl I Nr. 111/2010) entsprach.

A* B* befindet sich seit 24. Jänner 2018 im Maßnahmenvollzug (nunmehr) in der Justizanstalt Stein; die Strafhaft endete am 2. August 2023 (ON 6).

Seitdem stellt die in der Justizanstalt Stein vollzogene Maßnahme den alleinigen Grund für die Freiheitsentziehung dar.

Mit dem angefochtenen Beschluss sprach das Vollzugsgericht als Senat von drei Richtern (§ 162 Abs 3 StVG) aus Anlass der alljährlichen amtswegigen Prüfung aus, dass die Unterbringung des A* B* in einem (nunmehr) forensischtherapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 2 StGB, basierend auf den zwischenzeitig eingeholten psychiatrischen Gutachten des Dr. E* vom 20. Juni 2025 (ON 19.1), weiterhin notwendig ist und wies den Antrag auf Anhörung ab.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die unmittelbar nach Zustellung des Beschlusses erhobene (ON 21, 2), schriftlich ausgeführte Beschwerde (ON 22), der keine Berechtigung zukommt.

Zum bisherigen Verfahrensgang, zur Stellungnahme des Leiters der Justizanstalt-Stein samt forensischer Stellungnahme des Departments Maßnahmenvollzug (ON 8) sowie zum eingeholten psychiatrische Gutachten des Sachverständigen Dr. E* (ON 19.1) wird auf deren jeweils zutreffende Darstellung im angefochtenen Beschluss (BS 2 bis 7) zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen (zur Zulässigkeit vgl RISJustiz RS0119090 [T4], RS0098664 [T3], RS0098936 [T15]).

Gemäß § 47 Abs 2 StGB ist eine bedingte Entlassung aus einer mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme dann zu verfügen, wenn nach der Aufführung und der Entwicklung des Angehaltenen in einer Anstalt, nach seiner Person, seinem Gesundheitszustand, seinem Vorleben und seinen Aussichten auf ein redliches Fortkommen anzunehmen ist (eine [einfache] Wahrscheinlichkeit ist ausreichend [Leukauf/Steininger/ Tipold, StGB 4 § 47 Rz 2; Birklbauerin Hinterhofer, SbgK § 47 Rz 56]), dass die Gefährlichkeit, gegen die sich die vorbeugende Maßnahme richtet, nicht mehr besteht. Vorbeugende Maßnahmen werden im Urteil auf unbestimmte Zeit angeordnet und solange vollzogen, wie es ihr Zweck erfordert (§ 25 Abs 1 StGB), sohin solange die besondere Gefährlichkeit besteht, woraus gegebenenfalls auch die Notwendigkeit langer Dauer erhellt, ein „definitives Ende“ naturgemäß nicht feststeht und eine bedingte Entlassung nur bei Entfall der einweisungsrelevanten Gefährlichkeit bzw der Substituierbarkeit der Maßnahme durch Vorkehrungen außerhalb der Anstalt in Betracht kommt. Gemäß § 25 Abs 3 StGB hat das Vollzugsgericht von Amts wegen mindestens jährlich zu prüfen, ob die Unterbringung nach § 21 Abs 1 und 2 StGB noch notwendig ist. Die Frist beginnt mit der letzten Entscheidung erster Instanz zu laufen (§ 25 Abs 5 StGB).

Die freiheitsentziehende Maßnahme nach § 21 Abs 2 StGB darf nur aufrecht erhalten werden, wenn die einen maßgeblichen Einfluss auf die Anlasstat habende schwerwiegende und nachhaltige psychische Störung sowie die hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Betroffene nach seiner Aufführung und Entwicklung in der Anstalt, nach seiner Person, seinem Gesundheitszustand, seinem Vorleben und nach seinen Aussichten auf ein redliches Fortkommen in absehbarer Zukunft unter dem maßgeblichen Einfluss seiner schwerwiegenden und psychischen Störung weiterhin Prognosetaten mit schweren Folgen begehen wird, noch bestehen und es keine Möglichkeit gibt, die unterbringungsrelevante Gefährlichkeit extra muros hintanzuhalten (§ 47 Abs 2 StGB; Haslwanter in WK 2StGB § 47 Rz 12 bis 14).

Ausgehend vom Gutachten des Sachverständigen Dr. E* vom 20. Juni 2025 (ON 19.1), das mit der Stellungnahme des Departments Maßnahmenvollzug (ON 8) in Einklang steht, ist die erstgerichtliche Annahme der Notwendigkeit der weiteren Unterbringung des Betroffenen nicht zu kritisieren.

Es besteht bei A* B* weiterhin eine schwerwiegende und nachhaltige psychische Störung im Sinne einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit emotional instabil impulsiven und narzisstischen Anteilen. Nach der Aufführung und der Entwicklung des Betroffenen in der Anstalt, nach seiner Person, seinem Gesundheitszustand, seinem Vorleben und nach seinen Aussichten auf ein redliches Fortkommen ist mit hoher Wahrscheinlichkeit (RISJustiz RS0090401) zu befürchten, dass er in absehbarer Zeit, nämlich innerhalb von Monaten, unter dem maßgeblichen Einfluss dieser Störung neuerlich mit Strafe bedrohte Handlungen mit schweren Folgen, nämlich Delikte wie die verfahrensgegenständliche, sprich Gewaltdelikte mit auch schweren Folgen im Kontext von für ihn narzisstisch kränkenden Konfliktsituationen, vornehmlich gegen ihm nahestehende Bezugspersonen gerichtet, begehen werde (ON 19.1, 41).

Umstände, die auf den Entfall oder eine maßgebliche Reduktion der Gefährlichkeit des Untergebrachten hinweisen, sind nicht aktenkundig.

Wenngleich sich der Untergebrachte bereits auf einem sehr guten therapeutischen Weg befindet und mit dem Probewohnen bei der F* ein zielführender nächster therapeutischer Schritt indiziert wurde und auch nach dem Gutachten von Dr. E* die Fortführung der aktuell laufenden Psychotherapie sowie die Fortführung der Unterbrechung der Unterbringung in der F* empfohlen wird, übersieht der Beschwerdeführer, dass bei einer Gesamtbetrachtung aller Kriterien aufgrund fehlender Erprobung des sozialen Empfangsraum noch keine bedingte Entlassung aus der Maßnahme empfohlen wird, weil noch nicht sämtliche Therapiefortschritte vorliegen, um den Untergebrachten mit sämtlichen von ihm akzeptierten Weisungen zu entlassen.

Aufgrund dieser Umstände muss das Weiterbestehen der Gefährlichkeit des Untergebrachten in jener qualifizierten Ausprägung, wie sie das Gesetz für die Aufrechterhaltung der Maßnahme verlangt, bejaht werden.

Die Gefährlichkeit gegen die sich die vorbeugende Maßnahme richtet, kann zum derzeitigen Zeitpunkt mangels hinreichenden positiven Therapieerfolgs auch durch Maßnahmen im Sinne des §§ 50 bis 52 StGB außerhalb der Unterbringung nicht hintangehalten werden (vgl Haselwanter in WK 2StGB § 47 Rz 6, 8 und 10), zumal angesichts der im Vorjahr erfolgten Flucht die erforderlichen entlassungsvorbereitenden Maßnahmen über eine längere Zeit erprobt werden müssen.

Im Sinne des § 167 StVG begegnet auch das Unterbleiben der Anhörung mit Blick auf die vom Erstgericht zutreffend dargelegten Parameter und der Tatsache, dass der Untergebrachte bei der letzten Entscheidung des Landesgerichts Krems an der Donau zu AZ ** am 21. August 2024 (ON 12) persönlich angehört wurde, keinen Bedenken.

Der Beschwerde war daher ein Erfolg zu versagen.