JudikaturOLG Wien

32Bs134/25b – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
14. Juli 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien als Vollzugssenat nach § 16a StVG hat durch die Senatspräsidentin Mag. Seidl als Vorsitzende sowie die Richterin Mag. Marchart und den fachkundige Laienrichterin Hofrätin Killinger, BA MA als weitere Senatsmitglieder in der Vollzugssache des A*wegen Nichtgewährung des Strafvollzugs in Form des elektronisch überwachten Hausarrests (im Weiteren: eüH) über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Vollzugsgericht vom 11. März 2025, GZ **, nach § 121b Abs 3 StVG in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen .

Text

Begründung

Mit dem bekämpften Beschluss gab das Vollzugsgericht einer Beschwerde des A* gegen den Bescheid des Leiters der Justizanstalt ** vom 2. Jänner 2025, ** (ON 1.3), mit dem dessen Antrag auf weiteren Vollzug der mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 22. März 2022 (rechtskräftig am 29. März 2022), AZ B*, über ihn verhängten Freiheitsstrafe im Ausmaß von sechs Jahren im eüH abgewiesen worden war, nicht Folge.

Das Erstgericht ging wortwörtlich wiedergegeben von folgendem Sachverhalt aus:

Der Beschwerdeführer befindet sich derzeit in der Justizanstalt ** in Strafhaft. Der errechnete Entlassungszeitpunkt ist der 16.11.2027, die Termine zur bedingten Entlassung nach § 46 Abs 1 StGB („Halbstrafe“) der 16.11.2024, nach § 46 Abs 2 StGB („Zweidrittelstrafe“) der 16.11.2025.

Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des LG für Strafsachen Graz vom 29.3.2022, AZ B*, wegen §§ 28a Abs 1 5. Fall, 28a Abs 4 Z 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren verurteilt.

Der Beschwerdeführer weist insgesamt fünf Verurteilungen auf. Zuletzt wurde er mit Urteil des Landesgerichtes Wr. Neustadt vom 8.8.2013, AZ **, wegen § 15 StGB §§ 142 (1), 143 2. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt, welcher er bis zum 15.6.2017 verbüßte.

Davor wurde der Beschwerdeführer zu (teil-) bedingten Freiheitsstrafen verurteilt, welche teilweise widerrufen werden mussten, auch wurde er bedingt entlassen, wobei auch die bedingte Entlassung widerrufen werden musste (Vollzug am 15.6.2018).

Gegen den Beschwerdeführer wurden in den bisherigen Anhaltungen drei Meldungen aufgrund des Verdachts von Ordnungswidrigkeiten verfasst.

Der Meldung vom 23.04.2024 ist zu entnehmen, dass ein beim Beschwerdeführer durchgeführter Harntest ein positives Ergebnis auf Kokain lieferte. Der Beschwerdeführer wurde hiefür abgemahnt (OS-Verfahren **).

Am 13.05.2024 wurde eine Meldung aufgrund missbräuchlicher Verwendung eines Mobiltelefones verfasst. Im Zuge einer Handykontrolle wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer Videos innerhalb der Abteilung „Gelockerter Vollzug“ aufnahm und diese auf die Internetplattform „TikTok“ postete. Laut Meldung vom 16.05.2024 wurde ein nicht ordnungsgemäß überlassener Gegenstand gefunden, nämlich eine Sim-Karte der Marke ** versteckt im Kleiderschrank des Beschwerdeführers. Diese Meldungen wurden zum Verfahren ** zusammengefasst; der Beschwerdeführer wurde zu einer Geldbuße von € 50,- verurteilt (rechtskräftig seit 05.06.2024).

Beweiswürdigend stütze sich das Erstgericht auf die durchgeführten Erhebungen, insbesondere die Eingaben des Beschwerdeführers und die aktenkundigen Urkunden. Das Erstgericht führte dazu weiters aus, dass den Einwänden des Beschwerdeführers, die belangte Behörde würde von einer guten Führung in der Haft ausgehen, die festgestellten im Jahre 2024 ergangenen Meldungen sowie die Ausführungen in der Stellungnahme des Anstaltsleiters (ON 1.1), wo das Gegenteil betont werde, entgegen zu halten seien. Abgesehen davon verweise die Stellungnahme zutreffend auf das äußerst getrübte Vorleben des Beschwerdeführers. Dass der Beschwerdeführer erstmals – wie in seiner Äußerung (ON 3) unrichtig behauptet – das Haftübel verspüre, sei durch die Strafregisterauskunft widerlegt.

Rechtlich erwog das Vollzugsgericht zusammengefasst, dass die zeitlichen Voraussetzungen für einen eüH nicht vorlägen, weil ausgehend von der Vorstrafenbelastung des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit den „oben aufgezeigten Umständen“ keine hohe Wahrscheinlichkeit für eine bedingte Entlassung nach Verbüßung der Hälfte oder selbst nach zwei Drittel der Freiheitsstrafe vorliege, weshalb es schon an den zeitlichen Voraussetzungen mangle. So sei dem Beschwerdeführer bereits mehrmals die Rechtswohltat der (teil-)bedingten Freiheitsstrafe sowie der bedingten Entlassung zuteil geworden und auch die Beigebung eines Bewährungshelfers habe ihn nicht zu rechtstreuem Verhalten motivieren können, sodass dieser bereits anlässlich seiner letzten Straftat die über ihn verhängte Freiheitsstrafe von vier Jahren zur Gänze habe verbüßen müssen. Die Rechtsansicht des Beschwerdeführers, wonach mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer Zwei-Drittel-Entlassung auszugehen sei, sei vor allem unter Berücksichtigung von dessen Verhalten im derzeitigen Haftblock nicht haltbar.

Dagegen richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des A* vom 24. April 2025 (ON 7), mit welcher dieser den angeführten Beschluss zur Gänze wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit bekämpft und dazu ausführt, dass der Ansicht des Landesgerichts für Strafsachen Wien, dass keine hohe Wahrscheinlichkeit für eine bedingte Entlassung vorliege, nicht gefolgt werden könne. Die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren, liege bereits zwölf Jahre zurück und habe er diese Strafe verbüßt. Wenn und soweit sein Verhalten im derzeitigen Haftblock mitberücksichtigt werde, müsse dem entgegnet werden, dass es sich dabei um lediglich drei Ordnungsstrafen handle, die allesamt bloß geringfügig seien. Es handle sich auch um bloß drei Ordnungsstrafen in einem Zeitraum seit 2013 und damit seit zwölf Jahren. Damit zeige sich aber, das es keinerlei stichhaltige Argumente gebe, weshalb nicht von einer Zwei-Drittel-Entlassung auszugehen sei, vielmehr würde dies seine Zukunft als integrierter, rechtschaffener Teil der Gesellschaft wesentlich erschweren, wenn nicht sogar verbauen. Die einzige Möglichkeit der Resozialisierung sei die Gewährung eines eüH, einzig durch diesen sei es ihm möglich, wieder einem geregelten Tagesablauf nachzugehen. Er habe bereits eine Jobzusage, würde dort ausreichend verdienen, um seinen Lebensunterhalt sowie die Kosten des eüH zu bestreiten, und auch für die Unterkunft bei einer jungen Familie sei gesorgt. Tatsächlich lägen somit alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Bewilligung seines Antrags vor.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Nach § 16a Abs 1 Z 1 iVm Abs 2 StVG entscheidet das Oberlandesgericht Wien für das gesamte Bundesgebiet über Beschwerden gegen einen Beschluss des Vollzugsgerichts nach § 16 Abs 3 StVG wegen Rechtswidrigkeit, wobei Letztere nicht vorliegt, soweit das Vollzugsgericht Ermessen im Sinne des Gesetzes geübt hat.

Gemäß § 16a Abs 3 StVG ist gegen den Beschluss des Vollzugsgerichts nach § 16 Abs 3 StVG eine Beschwerde nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder der Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Vollzugsgericht von der bisherigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung abweicht, eine solche fehlt oder uneinheitlich ist.

Hat das Vollzugsgericht Ermessen im Sinne des Gesetzes geübt, darf das Oberlandesgericht Wien den Beschluss weder aufheben noch – um das Ermessen anders auszuüben – abändern ( Pieber in WK 2StVG § 16a Rz 5; Drexler/Weger, StVG 5 § 16a Rz 2 mwN).

Die Bewilligung eines eüH hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab und begründet nur dann eine erhebliche Rechtsfrage, wenn das Vollzugsgericht von der bisherigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu den gesetzlichen Rahmenbedingungen dieser Vollzugsform abweicht, eine solche fehlt oder uneinheitlich ist. Dabei zu treffende Ermessensentscheidungen bewirken gemäß § 16a Abs 2 StVG keine Rechtswidrigkeit.

Voraussetzung der Bewilligung des eüH ist gemäß§ 156c Abs 1 Z 1 StVG, dass die zu verbüßende oder noch zu verbüßende Strafzeit zwölf Monate nicht übersteigt oder nach sinngemäßer Anwendung des § 145 Abs 2 StVG voraussichtlich nicht übersteigen wird, wodurch bei Beurteilung der noch zu verbüßenden Strafzeit auch auf eine voraussichtliche bedingte Entlassung Bedacht zu nehmen ist ( Drexler/Weger, StVG 5 § 156c Rz 4). Die Vollzugsbehörde erster Instanz hat eine eigene auf den entscheidungsrelevanten Zeitpunkt bezogene Prognose darüber anzustellen, ob bzw wann der Beschwerdeführer voraussichtlich bedingt entlassen wird. Dabei ist nicht nur auf die Persönlichkeit des Strafgefangenen und seine Aussicht auf ein redliches Fortkommen nach der Haft zu blicken, sondern auch auf die Entscheidungspraxis der Vollzugsgerichte ( Drexler / Weger, aaO § 156c Rz 4/1; Walser , Recht und Wirklichkeit des elektronisch überwachten Hausarrests, S 94 mit Verweis auf EBRV 772 BlgNR 24. GP 6). Für die Annahme bedingter Entlassung ist jedenfalls hohe Wahrscheinlichkeit erforderlich ( Drexler / Weger, aaO § 156c Rz 4 mwN).

Die Einschätzung der voraussichtlich noch zu verbüßenden Strafzeit unter Berücksichtigung des voraussichtlichen Zeitpunkts einer bedingten Entlassung ist eine typische Ermessensentscheidung im Sinne des § 16a Abs 2 StVG (Oberlandesgericht Wien, AZ 33 Bs 329/16y, 132 Bs 345/18g, 32 Bs 92/20v).

Gemäß § 46 Abs 1 StGB ist ein Verurteilter nach Verbüßung zumindest der Hälfte der im Urteil verhängten Freiheitsstrafe nur dann bedingt zu entlassen, wenn anzunehmen ist, dass er durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch den weiteren Vollzug der Freiheitsstrafe von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abgehalten wird. Hat ein Verurteilter die Hälfte, aber noch nicht zwei Drittel einer Freiheitsstrafe verbüßt, so ist er trotz Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs 1 solange nicht bedingt zu entlassen, als es im Hinblick auf die Schwere der Tat ausnahmsweise des weiteren Vollzuges der Strafe bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken (§ 46 Abs 2 StGB).

Bei der Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung ist jeweils von den Umständen des Einzelfalls auszugehen. Das Schwergewicht liegt sohin in der Regel nicht im Rechtsbereich (wo eine Spruchpraxis hilfreich sein kann), sondern im Tatsachenbereich, nämlich welche positiven und negativen Faktoren für eine zukünftige Prognoseentscheidung vorliegen und wie sie im Einzelfall zu gewichten sind ( Drexler/Weger,aaO § 156c Rz 4/1; Oberlandesgericht Wien Wien, AZ 32 Bs 106/21d).

Im Lichte dieser Prämissen begegnen die vom Vollzugsgericht angestellten Erwägungen zur Wahrscheinlichkeit einer bedingten Entlassung, die angesichts der verbleibenden Strafzeit auch erst zu zwei Dritteln erfolgen könnte, aber mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein müsste, keinen Bedenken. Das Erstgericht stützte sich bei seiner Prognoseentscheidung nicht nur auf das getrübte Vorleben des Verurteilten, sondern bezog auch das mehrfache Bewährungsversagen sowie das ebenfalls durch wiederholt begangene Ordnungswidrigkeiten geprägte Vollzugsverhalten des Genannten ins Kalkül mit ein.

Soweit der Beschwerdeführer sein getrübtes Vorleben mit dem Verweis darauf, dass die letzte von ihm verbüßte Freiheitsstrafe vor bereits zwölf Jahren über ihn verhängt wurde, zu relativieren sucht, übergeht dieser, dass diese – wenngleich vor (fast) zwölf Jahren über ihn verhängte - Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Jahren erst am 15. Juni 2017 vollzogen, er – aufgrund des anschließenden Vollzugs weiterer (widerrufener) Strafteile – erst am 15. November 2018 aus der Strafhaft entlassen wurde und Gegenstand des Urteils des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 22. Dezember 2021, mit dem die nunmehr in Vollzug stehende Freiheitsstrafe über ihn verhängt wurde, Tathandlungen beginnend ab Jänner 2020 sind, sodass hier jedenfalls nicht von einem zwischenzeitig langen Wohlverhalten auszugehen ist, welches – wie der Beschwerdeführer offenbar vermeint – sein getrübtes Vorleben in den Hintergrund rücken würde. Vielmehr lagen anlässlich dieser letzten Verurteilung sogar die Voraussetzungen der Strafschärfung im Rückfall gemäß § 39 Abs 1 StGB vor.

Auch mit seinen, sein Vollzugsverhalten betreffenden Ausführungen übergeht der Beschwerdeführer den – vom Erstgericht im Wesentlichen aktenkonform festgestellten – Umstand, dass er allein innerhalb des letzten Jahres zumindest zwei Ordnungswidrigkeiten begangen hat, weswegen er einmal abgemahnt und einmal über ihn eine Ordnungsstrafe verhängt wurde. Auch kann – entgegen seinen diesbezüglichen Ausführungen - bei einer verhängten Geldbuße in der Höhe von 50 Euro angesichts eines sich aus § 113 StVG ergebenden Strafrahmens von bis zu 200 Euro jedenfalls nicht mehr von einer geringfügigen Ordnungsstrafe gesprochen werden. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass ein ordnungsgemäßes Vollzugsverhalten die Norm darstellen würde.

Das Erstgericht hat seine Ermessensentscheidung bei der gebotenen Gesamtbetrachtung daher – den Beschwerdeausführungen zuwider - innerhalb der gesetzlichen Parameter getroffen.

Es liegt sohin keine Rechtswidrigkeit vor und haftet der auf § 156c Abs 1 Z 1 StVG gestützten Ermessungsentscheidung kein Fehler an.

Da die in §§ 156b und 156c StVG genannten Voraussetzungen für die Gewährung eines eüH nach den Intentionen des Gesetzgebers kumulativ vorliegen müssen und bereits das Fehlen auch nur einer dieser Voraussetzungen zur Ablehnung des Antrags führt, war dem Rechtsmittel ein Erfolg zu versagen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel zulässig.