JudikaturOLG Wien

23Bs151/25m – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
16. Juni 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten Dr. Aichinger als Vorsitzenden sowie die Richterin Mag. Staribacher und den Richter Mag. Trebuch LL.M. als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A*wegen des Verbrechens der Schlepperei nach § 15 StGB, § 114 Abs 1, Abs 3 Z 2, Abs 4 erster Fall FPG und weiterer strafbarer Handlungen über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Wien gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 22. Mai 2025, GZ **-11, nichtöffentlich den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Über den am ** geborenen syrischen Staatsangehörigen A* wurde nach seiner Festnahme am 20. November 2024, 7.21 Uhr (ON 2.316.15 S 1), und Einlieferung in die Justizanstalt ** um 19.00 Uhr desselben Tages (ON 2.317.2 S 1) - dem Antrag der Staatsanwaltschaft (ON 1.15) folgend - am 21. November 2024 wegen des dringenden Tatverdachts der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 2 und Abs 4 erster Fall FPG die Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Flucht- und Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 1 und Z 3 lit a, lit b und lit c StPO verhängt (ON 2.320 S 3; ON 2.321) und nach jeweiligem Verzicht auf Durchführung einer Haftverhandlung (ON 2.324, ON 2.331 und ON 2.341) am 4. Dezember 2024 (ON 2.326), 7. Jänner 2025 (ON 2.337) und 7. März 2025 (ON 2.342) aus eben diesen Gründen fortgesetzt.

Mit Anklageschrift vom 4. April 2025 (ON 3) werden ihm die Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 2, Abs 4 erster Fall FPG (I.) und das Vergehen der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster Satz zweiter Fall SMG (II.) zur Last gelegt.

Darnach habe er „in **

I./ als Mitglied einer kriminellen Vereinigung, die als ein auf längere Zeit angelegter Zusammenschluss von mehr als zwei Personen darauf angelegt war, fortlaufend Schleppungen zu begehen, die rechtswidrige Einreise oder Durchreise von Fremden in oder durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder Nachbarstaat Österreichs mit dem Vorsatz gefördert, sich oder einen Dritten durch ein Entgelt von jeweils mehreren hundert bis mehreren tausend Euro pro geschleppter Person unrechtmäßig zu bereichern, wobei er die Taten jeweils in Bezug auf mindestens drei Fremde beging, indem er im Zuge nachstehender Schleppungen arbeitsteilig tätig wurde, und zwar

A. im Zeitraum zwischen 2.10.2022 und 3.10.2022 hinsichtlich zumindest sechs Fremder von der Slowakei über Österreich weiter nach Deutschland und Belgien, indem er in einer Chat-Gruppe mehrere Anfragen betreffend die Entsendung entsprechender Schlepperfahrer und Fahrzeuge postete;

B. im Zeitraum zwischen 3.10.2022 und 7.10.2022 hinsichtlich sechs Fremder syrischer Herkunft von ** über Tschechien nach Deutschland, indem er die Fremden an den in Deutschland rechtskräftig verurteilten Schlepperfahrer B* vermittelte, welcher die Personen mit dem Pkw der Marke **, amtl. Kennzeichen **, aus ** abholte und nach Deutschland beförderte;

II./ vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Kokain (beinhaltend durchschnittlich zumindest 75,83 % Cocain) und Cannabisblüten (beinhaltend durchschnittlich zumindest 14,15 % THCA und 1,08 % Delta-9-THC), in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge mit dem Vorsatz besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde, und zwar

A. am 5.10.2024 zumindest 1 Gramm Kokain;

B. am 9.10.2024 zumindest 300 Gramm Cannabisblüten;

C. am 15.11.2024 zumindest 1 Gramm Kokain.“

Nachdem der Verteidiger einen Enthaftungsantrag gestellt hatte (ON 10.2 S 13), fand im Anschluss an die am 22. Mai 2025 auf unbestimmte Zeit vertagte Hauptverhandlung eine Haftprüfungsverhandlung statt, in deren Zuge die Untersuchungshaft – unter Annahme eines dringenden Tatverdachts allein in Richtung § 114 Abs 1, Abs 3 Z 2 und Abs 4 erster FPG und allein des Haftgrundes nach § 173 Abs 2 Z 3 lit a, lit b und lit c StPO – gegen die gelinderen Mittel der Weisung, sich zweiwöchentlich am Landesgericht für Strafsachen Wien zu melden und jeden Wechsel seines Wohnsitzes dem Gericht unverzüglich anzuzeigen, aufgehoben und der Angeklagte enthaftet wurde (ON 10.4 S 3; ON 11).

Gegen den Enthaftungsbeschluss ON 11 richtet sich die sogleich erhobene (ON 10.4 S 3) und zu ON 13 ausgeführte Beschwerde der Staatsanwaltschaft.

Rechtliche Beurteilung

Die Untersuchungshaft darf nur verhängt oder fortgesetzt werden, wenn (hier) der Angeklagte einer bestimmten Tat dringend verdächtig, sohin mit hoher Wahrscheinlichkeit der Täter ist. Ein solcher Verdacht besteht, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens von bestimmten Umständen rechtfertigen. Dringender Verdacht ist mehr als eine bloße Vermutung und mehr als ein einfacher oder gewöhnlicher Verdacht ( Kirchbacher/Rami, WK-StPO § 173 Rz 3 mwN). Es ist die Kenntnis von Tatsachen, aus denen nach der Lebenserfahrung auf die Begehung eines Vergehens oder Verbrechens geschlossen werden kann, ein Schuldbeweis ist nicht erforderlich (RIS-Justiz RS0107304).

Ausgehend davon, dass das Oberlandesgericht Wien seine Entscheidung reformatorisch zu treffen hat (RIS-Justiz RS0116421; RS0120817), besteht (im Sinne höherer Wahrscheinlichkeit der Tatbegehung) der dringende Verdacht, A* habe in ** als Mitglied einer kriminellen Vereinigung, die als ein auf längere Zeit angelegter Zusammenschluss von mehr als zwei Personen darauf ausgerichtet war, fortlaufend Schleppungen zu begehen, die rechtswidrige Einreise oder Durchreise von Fremden in oder durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder Nachbarstaat Österreichs mit dem Vorsatz gefördert (B.) bzw. zumindest zu fördern versucht (A.), sich oder einen Dritten durch ein Entgelt von zumindest mehreren hundert Euro pro geschleppter Person unrechtmäßig zu bereichern, wobei er die zu A.I. angeführte Tat in Bezug auf mindestens drei Fremde beging, indem er

A. in einer einschlägigen WhatsApp-Gruppe Anfragen betreffend die Entsendung von Schlepperfahrern und Fahrzeugen postete, und zwar zur Durchreise durch bzw. Weiterreise aus Österreich

I. am 2. Oktober 2022 in Bezug auf vier Fremde mit Zieldestination Deutschland,

II. am 3. Oktober 2022 in Bezug auf zwei Fremde mit Zieldestination Belgien,

B. im Zeitraum zwischen 3. und 6. Oktober 2022 den syrischen Staatsangehörigen C* an B* vermittelte, der ihn in ** in seinem Pkw der Marke **, amtl. Kennzeichen **, aufnahm und über die Slowakei nach Deutschland beförderte.

Darüber hinaus ist er in subjektiver Hinsicht weiters dringend verdächtig, es zumindest ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden zu haben, sich durch die angeführten Tathandlungen an einem auf längere Zeit (von zumindest mehreren Wochen) angelegten Zusammenschluss von mehr als zwei Personen, der darauf ausgerichtet war, dass von einem oder mehreren Mitgliedern der Vereinigung ein oder mehrere Verbrechen oder Vergehen nach § 114 FPG ausgeführt werden (§ 278 Abs 2 StGB), zu beteiligen und als deren Mitglied mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz die rechtswidrige Durchreise durch bzw Weiterreise aus Österreich teils in Bezug auf mindestens drei Fremde zu fördern.

Dieser dringend im Verdacht stehende Lebenssachverhalt ist unter § 15 StGB, § 114 Abs 1, Abs 3 Z 2, Abs 4 erster Fall FPG (A.I.), § 15 StGB, § 114 Abs 1, Abs 4 erster Fall FPG (A.II) und § 114 Abs 1, Abs 4 erster Fall FPG (B.) zu subsumieren.

Zu Faktum B. (= Anklagefaktum I.B.) :

Der als sehr wahrscheinlich angenommene Tatverdacht gründet sich zum objektiven Tathergang zunächst auf die Ermittlungsergebnisse der Bundespolizeiinspektion ** (ON 2.182.5, ON 2.218 S 6), wonach am 7. Oktober 2022 gegen 1:55 Uhr ein ** auf der **, Parkplatz **, ausgeleitet und kontrolliert wurde. Fahrer war der Syrer B*, Mitfahrer waren sechs unerlaubt eingereiste Syrer (darunter C*).

C* stand vom 3. Oktober 2022, 8.07 Uhr, bis 6. Oktober 2022, 18.51 Uhr, mit dem Nutzer „D* E*“ der serbischen Rufnummer ** in telefonischem Kontakt (ON 2.182.5 S 7 ff; ON 2.218 S 13 ff) , der für ihn ein Fahrzeug für den Weitertransport von ** über Tschechien nach Deutschland organisierte. Bei seiner Vernehmung (ON 2.218 S 49 ff) gab der Geschleppte an, als letzter in das Fahrzeug gestiegen zu sein, die anderen Personen nicht zu kennen und alleine zu reisen. In ** habe er syrische Leute gefragt, ob er irgendwie nach Deutschland komme. Diese hätten den Fahrer angerufen, der ihn dann nach Deutschland gebracht habe. Für diese Fahrt sei (zusätzlich zu den bereits bezahlten 6.000 Euro) ein Betrag von 700 bis 900 Euro vereinbart worden. Er wurde nicht konkret zu „D* E*“ befragt und nach Tschechien zurückgeschoben (ON 2.218 S 215).

Folgt man den (aus dem Jahr 2022 stammenden) Informationen einer Vertrauensperson der deutschen Behörden, so zeigte sich ein syrischer Familienclan („E*“) für eine Vielzahl von Schleusungen auf der Balkanroute verantwortlich, wobei der in ** wohnhafte „D* E*“ die Geschleusten in Österreich übernehme, Kontakt zu mehreren Fahrerorganisationen habe und die Weiterschleusung nach Deutschland organisiere (ON 2.328.6).

Nach der Auswertung der Mobiltelefone des weiteren Geschleppten F* (der nicht nur für sich sondern auch für einige Mitreisende auf der Suche nach einem Weitertransport war) hatte dieser eigene Ansprechpartner in bzw. für ** („E*“, „G*/H*“, „I*“ und „J*“). Der Schlepper B* stand in Kontakt mit „E*“, „K*“ und „L*“ (ON 2.182.5 S 9 ff; ON 2.218 S 15 ff). Ein Kontakt der anderen Geschleppten oder des B* bzw. der genannten weiteren Schlepper mit „D* E*“ kann dem Akt nicht entnommen werden. Ein Abgleich der Chats des C* und des F* zeigt, dass diese nicht gemeinsam nach ** gelangten, zumal C* sich schon am 3. Oktober 2022 in ** aufhielt (und nach einer Transportmöglichkeit nach Deutschland suchte), während F* sich am 5. Oktober 2022 mit vier weiteren Personen noch in Ungarn befand und erst am Nachmittag nach Österreich einreiste.

Davon ausgehend besteht wohl ein dringender Verdacht dahin, dass sich „D* E*“ für die Förderung der Schleppung des C* verantwortlich zeigt, nicht jedoch – damit entgegen der Annahme in ON 2.218 S 26 – auch der weiteren fünf Geschleppten.

Die dringende Annahme dass es sich bei „D* E*“ um A* handelt, gründet zunächst auf den Umstand, dass die oberwähnte Vertrauensperson in einem Videotelefonat in Kontakt mit „D* E*“ war und dabei auch einen Screenshot von ihm anfertigen konnte. Nach dem Untersuchungsbericht des Ermittlungsdienstes der Bundespolizeiinspektion Kriminalitätsbekämpfung ** ist nach einem Vergleich mit dem Lichtbild des A* aus der erkennungsdienstlichen Evidenz und den bei seiner Festnahme angefertigten Lichtbildern „wahrscheinlich“ (damit in der dortigen Rangskala unter „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ und „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ liegend), dass es sich dabei um ein und dieselbe Person handelt (ON 2.328.2 S 1 f; ON 2.328.5; ON 2.328.6 und ON 2.328.7). Ein besonderes Augenmerk ist – nach Ansicht des Beschwerdesenats – dabei der rechten Augenbraue zu schenken, die meist leicht nach oben gezogen ist (vgl. auch das Facebook Profilbild des A* in ON 2.316.2 S 3). Damit in Einklang zu bringen ist der Umstand, dass A* in einem der bei ihm sichergestellten Handys mit der Apple-ID ** angemeldet war (ON 2.344.2 S 3) und auf seinem Facebook-Account auch als „D*“ angesprochen wurde (ON 2.316.2 S 3 f).

Zu Faktum A. (= Anklagefaktum I.A.) :

Der dringende Tatverdacht zu diesem Faktum gründet sich in objektiver Hinsicht auf die Erhebungen des BM.I II/BK Abteilung ** (siehe hiezu ON 2.182.2 S 3 f). Darnach wurden am 9. November 2022 die (Anm.: laut Verfahrensautomation Justiz letztlich zu AZ ** des Landesgerichts für Strafsachen Wien wegen mehrfacher Schlepperei verurteilten) syrischen Staatsbürger M* und N* festgenommen sowie deren Mobiltelefone sichergestellt und ausgewertet, wobei sich in deren Kontakten jeweils die oberwähnte unter „D* E*“ gespeicherte Rufnummer ** fand. Bei M* war diese Rufnummer in einer WhatsApp-Gruppe mit insgesamt 17 Teilnehmern gespeichert. Am 2. und 3. Oktober 2022 (also in zeitlicher Nähe zu Faktum B.) wurden mit dieser Rufnummer nachfolgende - erkennbar auf der Suche nach Fahrzeugen für bevorstehende Schleppungen von Personen abzielende - Nachrichten an die Gruppen-Teilnehmer gesendet:

[Bild entfernt]

In der Suche nach Fahrzeugen bzw. willigen Fahrern für die Weiterschleppung von zumindest vier Personen am 2. Oktober 2022 und zwei weiteren Personen (hier mit Zielort Belgien) am 3. Oktober 2022 in einer augenscheinlich aus für Schleppungen affinen Mitgliedern bestehenden Chatgruppe ist jene Förderung zu ersehen, die dafür (zumindest) kausal werden sollte, diesen Fremden – unabhängig davon, ob es tatsächlich dazu gekommen ist, - den rechtswidrigen Grenzübertritt nach Österreich bzw. die Durchreise durch Österreich zu ermöglichen oder zu erleichtern ( Tipoldin WK² FPG § 114 Rz 10). Denn tatbestandlich für dieses schlichte Tätigkeitsdelikt ist alles, was die Ein- oder Durchreise eines Fremden in irgendeiner Weise unterstützt, demnach auch Verhaltensweisen im Vorfeld einer angestrebten rechtswidrigen Migration (RIS-Justiz RS0127813 [T6]; vgl auch 13 Os 69/23f – Anwerben von Dritten als Fahrer).

Mit Ausführung der gesetzlich umschriebenen Tathandlung, hier also dem Fördern, ist das Delikt vollendet ( Hinterhofer, SbgK § 15 Rz 63; 14 Os 5/22z = EvBl-LS 2022/131). Vorliegend ist jedoch nicht bekannt, ob es dem Angeklagten – wie im Fall des C* - gelungen ist, einen oder mehrere Fahrer anzuwerben und damit die in Rede stehenden Schleppungen tatsächlich zu fördern. Da nach der Verdachtslage die Suche nach (wie hier grundsätzlich willigen) Fahrern in einer einschlägigen Whats-App-Gruppe bei wertender Betrachtung ex ante und unter Berücksichtigung der anzunehmenden konkreten Vorstellungen des Angeklagten unmittelbar, das heißt ohne weitere selbständige Zwischenakte, in die Tatbestandsverwirklichung (nämlich das Anwerben von Fahrern) einmünden sollte, ist die Frage nach der Ausführungsnähe des inkriminierten Verhaltens zu bejahen und (zwar nicht das Vollendungs-, jedoch) das Versuchsstadium erreicht (vgl. 12 Os 115/21k mwN). Die qualifizierte Verdachtslage zur inneren Tatseite lässt sich zwanglos aus dem äußeren Ablauf ableiten, zumal bei einem wie hier leugnenden Angeklagten der Schluss vom gezeigten Verhalten auf deren subjektive Tatseite methodisch gar nicht zu ersetzen und rechtsstaatlich vertretbar ist (RIS-Justiz RS0098671; RS0116882; Ratz in WK-StPO § 281 Rz 452).

Kein dringender Tatverdacht ist – in Übereinstimmung mit dem Vorsitzenden - hinwieder beim Anklagefaktum II. zu ersehen:

Nach dem Zwischenbericht des BMI II/BK vom 3. März 2025 (ON 2.339.2) konnten in zwei der vier sichergestellten Mobiltelefone des Angeklagten zwei Lichtbilder vom 9. Oktober 2024 mit der Abbildung eines größeren Geldbetrags in Form von 10 €, 20 € und 50 € Geldscheinen und von Oktober und November 2024 Lichtbilder und Videos mit Aufnahmen von suchtmittelverdächtigen Substanzen, und zwar mutmaßlichen Kokainblöcken (und nicht wie in der Anklageschrift angeführt 2x je 1 g Kokain) und größeren Mengen Cannabisharz vorgefunden werden. Mag A* auch schon zwei Vorstrafen wegen des Verkaufs/Handels von/mit Suchtgiften aus dem Jahr 2017 haben (vgl. ON 5) und seine Erklärungen zur Herkunft des Geldes nicht besonders nachvollziehbar anmuten (vgl. ON 10.2 S 5 ff), reichen die vorliegenden Indizien mit Blick auf seine Verantwortung, dass die Suchtgifte seinem (jeweiligen) Dealer gehört haben bzw. er die Fotos teils selbst, teils über Telegramm und WhatsApp erhalten habe (siehe ON 10.2 S 5 f), nicht zur Annahme eines dringenden Tatverdachts auch in Richtung § 28 SMG.

Ausgehend vom dargestellten dringenden Tatverdacht nach dem FPG und unter Berücksichtigung, dass die diesem zugrunde liegenden Tathandlungen schon mehr als zwei Jahre und acht Monate zurückliegen, A* seit der oberwähnten Anzeige wegen Schlepperei im November 2022 – laut Verfahrensautomation Justiz – nicht mehr strafrechtlich in Erscheinung getreten ist und bereits ein sechsmonatiges – mutmaßlich einen nachhaltigen Eindruck hinterlassendes - Haftübel verspürt hat, ist der Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit a, lit b und lit c StPO – selbst mit Blick auf seine Schulden in Höhe von ca. 7.000 Euro (ON 2.316.4 S 2) - nicht (mehr) zu ersehen.

Demgegenüber liegt – in Übereinstimmung mit der Staatsanwaltschaft – der Haftgrund der Fluchtgefahr nach § 173 Abs 2 Z 1 StPO vor:

Unter Fluchtgefahr ist die Gefahr zu verstehen, der Beschuldigte (hier Angeklagte) werde sich der Strafverfolgung als solcher entziehen, also dem Strafverfahren insgesamt oder zumindest der ihm allenfalls drohenden Strafe, wobei - wenn auch keineswegs allein - „Art und Ausmaß“ der dem Beschuldigten (Angeklagten) voraussichtlich bevorstehenden Strafe zu berücksichtigen sind ( Kirchbacher/Rami in WK-StPO § 173 Rz 31 mwN).

A* konnte bei der ersten Hausdurchsuchung am 30. Oktober 2023 an der Adresse **, nicht angetroffen, aber auch telefonisch unter der von seinen Mitbewohnern bekannt gegebenen (vgl. ON 10.2 S 13: nach wie vor aktuellen) Rufnummer ** nicht erreicht werden (ON 2.252.3). Wenngleich er ab 27. September 2024 in **, gemeldet war (ON 2.308.2 S 3), wohnte er spätestens ab dieser Zeit unangemeldet in ** (ON 2.316.4 S 4), wo er letztlich – im Wege der Überwachung seiner Rufnummer – festgenommen werden konnte. Unter weiterer Berücksichtigung, dass seine Mutter und sein Bruder in den Niederlanden bzw. sein Vater in der Türkei wohnen und er die letzten sechs Monate vor seiner Verhaftung nur mehr die Grundsicherung in Höhe von 800 Euro bezog (ON 2.316.4 S 4), weiters der im Fall seiner Verurteilung (bei einem Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren und seiner Vorstrafenbelastung) zu erwartenden Freiheitsstrafe besteht daher sehr wohl Fluchtgefahr, die jedoch durch die vom Erstgericht (für den Haftgrund der Tatbegehungsgefahr unpassend) angezogenen gelinderen Mittel hinreichend substituiert werden kann. Seiner Weisung, sich alle zwei Wochen bei Gericht zu melden, ist er jedenfalls bislang pünktlich nachgekommen (vgl. ON 15, ON 20).

Damit war spruchgemäß zu entscheiden.