15R153/24s – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Mag. N. Schaller als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Dr. Miljevic-Petrikic und Mag. Felbab in der Rechtssache der klagenden Partei A* B* , geb. **, **, vertreten durch Gibel Zirm Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagte Partei Verlassenschaft nach C* B* , geb. **, verst. **, zuletzt wohnhaft in **, vertreten durch die erbserklärte Erbin D*, **, vertreten durch Dr. Karl Claus Mag. Dieter Berthold Rechtsanwaltspartnerschaft KEG (KG) in Mistelbach, wegen EUR 19.599,11 s.A., über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg vom 19.9.2024, **-20, in nichtöffentlicher Sitzung den
B e s c h l u s s
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 1.069,26 (darin EUR 178,21) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Text
Begründung:
Aufgrund der Mahnklage vom 21.6.2023 (ON 1) erließ das Erstgericht am 22.6.2023 den bedingten Zahlungsbefehl gegen den Beklagten, C* B*, der an diesem Tag verstarb.
Infolge eines für den Beklagten erhobenen Einspruchs sprach das Erstgericht mit Beschluss vom 21.7.2023 (ON 4) aus, dass 1.) das Verfahren aufgrund des Todes des Beklagten seit 22.6.2023 unterbrochen sei, 2.) die am 22.6.2023 erfolgte Erlassung des Zahlungsbefehls für nichtig erklärt und 3.) der Einspruch gegen den bedingten Zahlungsbefehl vom 18.7.2023 zurückgewiesen werde.
Über Antrag der Klägerin setzte es das Verfahren am 28.3.2024 fort und berichtigte die Bezeichnung der Beklagten auf „Verlassenschaft nach C* B*“ (ON 13). Gemeinsam mit diesem (Fortsetzungs-)Beschluss (ON 13), welcher der Klagevertreterin am 29.3.2024 zugestellt wurde, stellte es der Vertreterin der beklagten Verlassenschaft am 4.4.2024 ua den auf den verstorbenen Beklagten lautenden Zahlungsbefehl sowie auch den Beschluss ON 4 zu, mit dem es den Zahlungsbefehl für nichtig erklärt hatte. Nach Ablauf der Einspruchsfrist bestätigte es am 13.5.2024 die Vollstreckbarkeit des Zahlungsbefehls (ON 14).
Mit Schriftsatz vom 9.9.2024 beantragte die Beklagte die Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung mit der wesentlichen Begründung, der Zahlungsbefehl vom 22.6.2023 sei rechtskräftig für nichtig erklärt worden. Ein weiterer Zahlungsbefehl sei nicht erlassen worden.
Mit dem angefochtenen Beschluss hob das Erstgericht die am 13.5.2024 erteilte Bestätigung der Rechtskraft und Vollstreckbarkeit des bedingten Zahlungsbefehls „vom 28.3.2024 (bzw. 22.6.2023)“ auf. Zur Begründung führte es aus, der nunmehrigen Vertreterin der Verlassenschaft sei anstatt des neuen, auf die nunmehrige beklagte Verlassenschaft nach C* B* lautenden Zahlungsbefehls irrtümlich der ursprüngliche, auf den vormals Beklagten (C* B*) lautende bedingte Zahlungsbefehl zugestellt worden. Mangels einer gesetzmäßigen Zustellung sei die Bestätigung der Vollstreckbarkeit von Amts wegen aufzuheben.
Dagegen richtet sich der Rekurs der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Abänderungsantrag, „die Bestätigung der Vollstreckbarkeit des Zahlungsbefehls nicht aufzuheben“; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt, dem Rekurs der Klägerin nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt .
1. Die Klägerin argumentiert, die Bestätigung der Vollstreckbarkeit sei weder gesetzwidrig noch irrtümlich erfolgt. Die unrichtige (aber berichtigungsfähige) Bezeichnung der Beklagten auf dem Zahlungsbefehl stehe dessen wirksamer Zustellung an die Beklagte nicht entgegen. Die Richtigstellung der Parteienbezeichnung (im Todesfall) habe keinerlei Einfluss auf den Gang des Verfahrens.
1.1.Gemäß § 7 Abs 3 EO ist eine gesetzwidrig oder irrtümlich erteilte Bestätigung der Vollstreckbarkeit von dem Gericht, das sie erteilt hat, von Amts wegen oder auf Antrag durch Beschluss aufzuheben. Gesetzwidrig wurde sie erteilt, wenn sie schon nach der Aktenlage, die dem Gericht zum Zeitpunkt der Erteilung vorlag, nicht hätte erteilt werden dürfen. Irrtümlich wurde sie erteilt, wenn sich der Sachverhalt, der der Entscheidung des Gerichts zugrunde lag, als unrichtig erweist ( Jakusch in Angst/Oberhammer, EO³ § 7 Rz 101). Eine irrtümliche Vollstreckbarkeitsbestätigung liegt insbesondere dann vor, wenn der Exekutionstitel dem Titelschuldner nicht rechtswirksam zugestellt wurde und daher die Vollstreckbarkeit des Titels nicht eingetreten ist (RS0001544). Bei einem Zustellmangel, der den verfahrenseinleitenden Schriftsatz und die den Exekutionstitel bildende Entscheidung betrifft, ist mit einem Antrag nach § 7 Abs 3 EO vorzugehen. Dies gilt etwa für den Einwand, die Zustellung sei wegen Verletzung der im ZustellG normierten Formvorschriften (zB wegen Ortsabwesenheit) unwirksam (RS0078895 [T7]; RS0110275 [T7]).
1.2. Soweit das Erstgericht mit dem angefochtenen Beschluss die Vollstreckbarkeit des Zahlungsbefehls „vom 28.3.2024 (bzw **)“ aufgehoben hat, ist festzuhalten, dass nach der Aktenlage nur ein bedingter Zahlungsbefehl am ** erlassen wurde, nicht jedoch am 28.3.2024. Erst am 19.9.2024 erließ das Erstgericht gegen die „Verlassenschaft nach C* B*“ einen bedingten Zahlungsbefehl (bei ON 20), gegen den die Beklagte fristgerecht Einspruch erhob (ON 21).
Mit dem Fortsetzungsbeschluss (ON 13), in dem auch die Bezeichnung der Beklagten berichtigt wurde, stellte das Erstgericht der Beklagten ua auch den am ** erlassenen Zahlungsbefehl (ON 2) sowie den Unterbrechungsbeschluss (ON 4) zu, mit dem es den bedingten Zahlungsbefehl bereits als nichtig aufgehoben hatte. Da dagegen (auch nach Zustellung des Beschlusses über die Fortsetzung des Verfahrens) kein Rechtsmittel erhoben wurde, erwuchs dieser Beschluss (ON 4) in Rechtskraft.
2.1.Nach Eintritt der Unterbrechungswirkung sind sowohl Verfahrenshandlungen einer Partei, die nicht bloß dem durch die Unterbrechung geschaffenen Zustand Rechnung tragen oder der Erwirkung einer Verfahrensfortsetzung nach Wegfall des Unterbrechungsgrundes dienen, dem Gericht und dem Prozessgegner gegenüber unwirksam (RS0036967; 4 Ob 3/18x).Insbesondere dürfen auch keine Entscheidungen mehr ergehen, die nicht schon vor der Unterbrechung in einer für das Gericht bindenden Art gefällt wurden oder sonst dem § 163 Abs 3 ZPO unterstellt werden können (RS0036996).
2.2 Die Aufhebung des Zahlungsbefehls als nichtig hat nicht der Unterbrechung des Verfahrens Rechnung getragen und war daher nicht zulässig ( Kodek/Oberhammer, ZPO-ON § 163 ZPO Rz 12 [Stand 9.10.2023, rdb.at]; Kodek in Fasching/Konecny 3III/1 § 246 ZPO Rz 12 (Stand 1.8.2017, rdb.at). Außerdem widersprach die Aufhebung des Zahlungsbefehls als nichtig durch das Erstgericht dessen Bindung an seine Entscheidung gem § 425 Abs 2 ZPO, die auch für Zahlungsbefehle gilt ( Kodek in Fasching³ III/1 § 246 ZPO Rz 12).
2.3.Eine trotz eingetretener Unterbrechungswirkung (und damit unzulässigerweise) gefällte Entscheidung ist nach herrschender Auffassung nicht wirkungslos, sondern anfechtbar (5 Ob 249/07i). Die Rechtsprechung nimmt bei einer Missachtung der Unterbrechungswirkung regelmäßig Nichtigkeit an (vgl RS0037010; RS0064476), und zwar vor allem nach § 477 Abs 1 Z 4 und 5 ZPO (1 Ob 199/06f; 8 Ob 14/07b), aber auch nach Z 6 leg cit (7 Ob 264/06h).
2.4. Hier ist aber der – wenn auch verfehlte – Punkt 2. des Beschlusses ON 4, mit dem der bedingte Zahlungsbefehl ON 2 als nichtig aufgehoben wurde, unbekämpft in Rechtskraft erwachsen. Ein bereits rechtskräftig für nichtig erklärter Zahlungsbefehl kann nicht vollstreckbar werden , weshalb das Erstgericht - im Ergebnis richtig - die gesetzwidrig erteilte Bestätigung der Vollstreckbarkeit aufgehoben hat. Auf eine allenfalls mangelhafte Zustellung oder eine Berichtigungsfähigkeit der Parteienbezeichnung kommt es daher gar nicht mehr an.
3.Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
4.Die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses folgt aus § 528 Abs 2 Z 2 ZPO.