JudikaturOLG Wien

18Bs74/25a – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
24. April 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A*und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB über die Berufung des Angeklagten B* sowie jene der Staatsanwaltschaft wegen des Ausspruchs über die Strafe betreffend den Angeklagten A* gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom 2. Oktober 2024, GZ **–48.5, nach der am 24. April 2025 unter dem Vorsitz der Senatspräsidentin Mag. Frohner, im Beisein der Richterinnen Mag. Lehr und Mag. Primer als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart der Vertreterin der Oberstaatsanwaltschaft Staatsanwältin MMag. Linzner, der Angeklagten A* und B* sowie ihrer Verteidiger Mag. Marco Studeny und Mag. Rainer Rienmüller durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung des B* wird mit der Maßgabe, dass gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB eine zusätzliche Vorhaftanrechnung von 14. August 2024, 23.45 Uhr, bis 15. August 2024, 3.20 Uhr, zu erfolgen hat, nicht , hingegen jener der Staatsanwaltschaft Folgegegeben und die über A* verhängte Freiheitsstrafe mit der Maßgabe, dass gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB eine zusätzliche Vorhaftanrechnung von 14. August 2024, 23.45 Uhr, bis 15. August 2024, 3.20 Uhr, zu erfolgen hat, auf fünf Jahre erhöht.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am ** geborene österreichische Staatsbürger A* und der am ** geborene österreichische Staatsbürger B* jeweils des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB schuldig erkannt und hiefür nach § 39a Abs 1 Z 5 und Abs 2 Z 4 StGB iVm § 87 Abs 1 StGB, A* zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von dreieinhalb Jahren und B* zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zweieinhalb Jahren sowie gemäß §§ 366 Abs 2, 369 Abs 1 StPO (entgegen RIS-Justiz RS0131595; OGH 8 Ob 112/19g, wonach die Solidarhaftung nach 1302 ABGB bei vorsätzlicher Mittäterschaft unabhängig davon eintritt, ob sich die Anteile an der Schädigung bestimmen lassen) A* zur Zahlung von 8.000,-- Euro und B* zur Zahlung von 4.500,-- Euro binnen 14 Tagen an den Privatbeteiligten C*, der mit seinen darüber hinausgehenden Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen wurde, verurteilt.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs haben A* und B* am 14. August 2024 in ** „im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter“ C* absichtlich eine schwere Körperverletzung zugefügt, indem B* diesen unter einem falschen Vorwand zum Tatort lockte und A* aus dem Hinterhalt mehrmals mit einer Eisenstange auf den Genannten einschlug, wodurch dieser eine Körperverletzung (Schädelprellung und Gehirnerschütterung, starke Prellungen an Knien, Ellbogen, beiden Händen und im Schulterbereich) erlitt, die eine länger als 24 Tage dauernde Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit (US 7) zur Folge hatte.

Bei der Strafbemessung wertete das Kollegialgericht beim Erstangeklagten die führende Tatbeteiligung, die aufwändige Planung der Tat, die hinterhältige Begehungsweise und die fehlende Chance des Opfers zur Gegenwehr sowie das Imstichlassen des schwer verletzten Opfers als erschwerend, hingegen das umfassende reumütige Geständnis und den bisherigen ordentlichen Lebenswandel als mildernd, beim Zweitangeklagten die hinterhältige Begehung der Tat, die mangelnde Abwehrmöglichkeit des Opfers und das Imstichlassen des schwer verletzten Opfers als erschwerend, hingegen das zuletzt abgelegte Tatsachengeständnis und den Umstand, dass er selbst keine Schläge gegen das Opfer ausgeführt hat, als mildernd.

Nach Zurückweisung der gegen dieses Urteil erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Zweitangeklagten B* mit Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 26. Februar 2025, GZ **-5, ist nunmehr über dessen rechtzeitig angemeldete (ON 52), zu ON 57 fristgerecht (unter gleichzeitiger Rückziehung der Berufung wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche) zur Ausführung gelangte Berufung wegen des Aus-spruchs über die Strafe sowie die rechtzeitig angemeldete (ON 1.29) und fristgerecht zu ON 54 ausgeführte Berufung des Staatsanwaltschaft Korneuburg wegen des Ausspruchs über die Strafe betreffend den Erstangeklagten A* zu entscheiden.

Rechtliche Beurteilung

Lediglich der Berufung der Staatsanwaltschaft kommt Berechtigung zu.

Zunächst kommt als zusätzlicher Erschwerungsgrund bei beiden Angeklagten die Tatbegehung unter Einsatz einer Waffe (§ 33 Abs 2 Z 6 StGB; funktionaler Waffenbegriff [ Riffel, WK² StGB § 33 Rz 35/1; RIS-Justiz RS0093928]) hinzu. Dabei liegt - trotz Anwendung des § 39a Abs 1 Z 4, Abs 2 Z 4 StGB und entgegen dem Vorbringen des Erstangeklagten in seiner Gegenausführung zur Berufung (ON 58, 3) - ein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB) nicht vor, weil die Verwendung einer Waffe kein begriffliches Erfordernis des § 87 Abs 1 StGB ist (siehe dazu Riffel, aaO § 32 Rz 67; RIS-Justiz RS0130193).

Das Nachtatverhalten, also das Verlassen des Tatorts ohne sich um den Schwerverletzten zu kümmern, ist nicht aggravierend in Anschlag zu bringen, sondern die Angeklagten brachten sich damit um den Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 15 StGB (vgl zum Nachtatverhalten Riffel, aaO § 32 Rz 37 ff mwN). Dieser Umstand ist aber als Beurteilungsgrundlage der das künftige Verhalten des Rechtsbrechers betreffenden Prognoseentscheidung nach § 43 Abs 1 zweiter Satz StGB heranzuziehen (vgl Jerabek/Ropper, WK² StGB § 43 Rz 21).

Zur Berufung des Zweitangeklagten B* , der die Herabsetzung der Freiheitsstrafe und die Gewährung bedingter bzw teilbedingter Strafnachsicht anstrebt:

Dem Berufungswerber gelingt es nicht, Umstände aufzuzeigen, die eine Minderung der Strafe rechtfertigen könnten.

Der Zweitangeklagte moniert den Milderungsgrund des bisherigen ordentlichen Lebenswandels (ON 57, 6), den das Erstgericht aufgrund seiner Angaben zum Kokainabusus nicht angenommen hat (ON 48.5, 11). Sein vorgebrachtes Argument, beim Kokainkonsum handle sich um eine Art Gesundheitsschädigung, die Mitursache für sein strafbares Verhalten gewesen sei und als solche nicht bewertet werden sollte, überzeugt nicht. Er gab bei seiner Einlieferung an, täglich Kokain und THC zu konsumieren (ON 18, 12), in der Hauptverhandlung führte er selbst aus, regelmäßig Kokain konsumiert zu haben (ON 48.4, Seiten 30, 33).

Von einem bisherigen ordentlichen Lebenswandel kann somit angesichts des wiederholten - wenn auch zu keiner Verurteilung führenden - Suchtgiftkonsums keine Rede sein (RIS-Justiz RS0091464).

Bei objektiver Abwägung der sowohl zum Vorteil als auch zum Nachteil des Zweitangeklagten korrigierten Strafzumessungslage und ausgehend von einem Strafrahmen von zwei bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe erweist sich die vom Erstgericht knapp über der Mindeststrafe mit einem Viertel der Strafobergrenze ausgemessene Sanktion als äußerst moderat und ist auch aufgrund generalpräventiver Erwägungen (RIS-Justiz RS0090600) einer Reduktion nicht zugänglich.

Infolge der Höhe der verhängten Freiheitsstrafe kommt die begehrte Gewährung gänzlich bedingter Strafnachsicht (§ 43 Abs 1 StGB) nicht in Betracht.

Die Anwendung des (auf extreme Ausnahmefälle abzielenden [RIS-Justiz RS0092050]) § 43a Abs 4 StGB verlangt eine hohe Wahrscheinlichkeit (und nicht bloß begründete Aussicht), dass der Rechtsbrecher keine weiteren strafbaren Handlungen begehen werde. Dies setzt ein eindeutiges und beträchtliches Überwiegen jener Umstände voraus, die auf Seite des Täters dafür sprechen, dass es sich im Hinblick auf sein bisheriges Vorleben, seine Persönlichkeit und sein soziales Verhalten um eine nach menschlichem Ermessen einmalige Verfehlung gehandelt hat, wie dies etwa auf Straftaten aus Konfliktssituationen und Krisensituationen zutreffen kann (RIS-Justiz RS0092042). Angesichts der geplanten brutalen Vorgehensweise, der Schwere der verschuldeten Rechtsgutbeeinträchtigung und seinem Verhalten nach der Tat kann fallbezogen vom Vorliegen eines extremen Ausnahmefalls, wie dies für die Anwendung des § 43a Abs 4 StGB gefordert wird, keine Rede sein.

Zur Berufung der Staatsanwaltschaft Korneuburg , die eine Erhöhung der über den Erstangeklagten A* verhängten Freiheitsstrafe anstrebt:

Zutreffend moniert die Anklagebehörde, dass die Milderungs- und Erschwerungsgsgründe im Rahmen ihrer Gewichtung nicht ausreichend gegeneinander abgewogen wurden. Denn nach den Konstatierungen des Erstgerichts planten die Angeklagten zwar gemeinsam, das Opfer C* nächtens an einen verlassenen Ort zu locken und ihn dann gemeinsam mit dem Erstangeklagten, unter Zuhilfenahme von Eisenstangen bzw eines Baseballschlägers, absichtlich schwer am Körper zu verletzen (US 4). Die führende Rolle von der Planung über die Vorbereitung bis zur tatsächlichen Ausführung durch mehrfaches Zuschlagen mit einem Eisenrohr gegen den Schädel-, Schulter- und Rückenbereich auch auf das bereits am Boden liegende Opfer (US 5) kam dabei jedoch dem Erstangeklagten zu.

Auch wenn dieser einen bisher ordentlichen Lebenswandel geführt und ein umfassendes und reumütiges Geständnis abgelegt hat, fand die sich im mehrfachen Zuschlagen mit der Eisenstange manifestierende besonders brutale Vorgangsweise gegen den Kopf des Tatopfers nicht ausreichend Berücksichtigung. Die vom Erstangeklagten ins Treffen geführte mentalitätsbedingte Erregung über die Beendigung einer langjährigen Beziehung und seine Eifersucht gegenüber dem Opfer (ON 58, 3) sind nicht geeignet, den hohen Schuld- und Unrechtsgehalt der längerfristig geplanten Tat zu reduzieren, vielmehr ist Rache ein besonders verwerfliches Tatmotiv (RIS-Justiz RS0091840[T1]).

Die nach der Tat versendeten Chatnachrichten des Erstangeklagten an seine Ex-Frau (ON 2.2; US 7) fallen - entgegen den Ausführungen der Staatsanwaltschaft (ON 54, 2) - als Nachtatverhalten nicht erschwerend ins Gewicht.

Bei objektiver Abwägung der korrigierten Strafzumessungslage und der allgemein im Sinn des § 32 Abs 2 und Abs 3 StGB anzustellenden Erwägungen sowie unter Berücksichtigung generalpräventiver Belange (RIS-Justiz RS0090600) erweist sich die vorliegend - ausgehend von einem Strafrahmen von zwei bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe - verhängte Sanktion als zu gering bemessen und ist demgemäß in Stattgebung der Berufung der Anklagebehörde auf das im Spruch ersichtliche Maß zu erhöhen.

Aus Anlass der Berufung ist die zum Nachteil beider Angeklagten unterbliebene Vorhaftanrechnung von 14. August 2024, 23.45 Uhr, bis 15. August 2024, 3.20 Uhr (vgl ON 3.15, ON 3.16, ON 3.2, 5 f) nachzuholen (vgl Flora, WK² StGB § 38 Rz 30), Umstände nach § 173 Abs 4 StPO sind nicht aktenkundig.

Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.