JudikaturOLG Wien

3R190/24v – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
Zivilrecht
28. März 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Iby als Vorsitzenden sowie den Richter Mag. Guggenbichler und den KR Binder in der Rechtssache der klagenden Partei A*, geb. am **, **, vertreten durch Dr. Monika Krause, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei B* AG, FN **, **, vertreten durch die MUSEY rechtsanwalt gmbh in Salzburg, wegen EUR 83.720,-- sA und Rente (Streitwert EUR 18.720,--, gesamt EUR 102.440,--), über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 16.9.2024, **-39, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 3.910,32 (darin enthalten EUR 651,72 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe

Der Kläger ist bei der Beklagten im Rahmen eines Unfallversicherungsvertrags gegen dauernde Invalidität versichert. Die Versicherungssumme beträgt EUR 104.000.

Am 9.8.2019 hatte der Kläger mit seinem Motorrad einen Unfall im Sinne der Versicherungsbedingungen, bei dem er Verletzungen erlitt, die seine teilweise Invalidität nach sich zogen. Dafür stünden ihm grundsätzlich 70 % der Versicherungssumme sowie eine monatliche Rente zu.

Die Beklagte deckte die Ansprüche des Klägers aus der Insassen-Unfallversicherung aufgrund einer Berechnung des von ihr beauftragten Sachverständigen im Ausmaß von EUR 18.050,70. Tatsächlich stünden dem Kläger unter Zugrundelegung des Gerichtsgutachtens aber nur EUR 13.500 zu. Eine Deckung der Ansprüche aus der Unfallversicherung lehnte die Beklagte wegen eines Prämienverzugs ab.

Der Kläger war im Jahr 2017 an die Adresse C*, übersiedelt, die er auch im Antrag auf Abschluss der Unfallversicherung angegeben hatte. Ab seiner Übersiedlung erhielt er Post an diese Adresse. Ab Juni 2019 hielt sich der Kläger wieder häufiger an seiner früheren Adresse D* auf, verbrachte aber auch noch Zeit an der Adresse in der C* und holte auch die dort für ihn eingelangte Post ab.

Mit Schreiben vom 18.6.2019 erhielt der Kläger an der Adresse in der C* eine Mahnung der Beklagten betreffend seine Kfz-Haftpflichtversicherung mit dem Hinweis, dass die Abbuchung der Prämie von EUR 86,36 für den Zeitraum 1.6. bis 1.7.2019 von seinem Konto nicht möglich gewesen sei und es einen Lastschriftrücklauf gegeben habe. Die Prämie samt Bankgebühren sei mit beiliegendem Zahlschein einzuzahlen. Der Kläger schenkte diesem Schreiben keine Beachtung. Er war bereits seit einigen Wochen in einer finanziellen Notlage, weshalb seine Bank den bestehenden Lastschriftaufträgen mangels Kontodeckung nicht mehr nachkam. Der Kläger wusste, dass diesfalls mit Lastschriftrückläufen und mit Mahnungen zu rechnen sei, ihm ist auch die besondere Bedeutung von Mahnungen von Versicherungen bekannt.

Ab Ende Juni oder Anfang Juli 2019 wohnte der Kläger wieder ständig bei seiner Lebensgefährtin und späteren Ehefrau an der Adresse in der D*. Seinen Mitbewohner an der Adresse in der C*, E*, bat er, ihm die dort einlangende Post zu übergeben. Sonst kümmerte er sich aber nicht weiter darum.

Mit Schreiben vom 1.7.2019 wurde dem Kläger an die Adresse in der C* eine Mahnung der Beklagten zur Unfallversicherung übermittelt. Diese enthielt die Information, dass eine Zahlung der Folgeprämie nicht eingelangt sei. Auf § 39 VersVG auf der Erlagscheinrückseite werde verwiesen. Versicherungsschutz bestehe nur bei pünktlicher Prämienzahlung, der offene Betrag (Prämie von EUR 45,78 samt Mahngebühr von EUR 15, insgesamt somit EUR 60,78) sei binnen 14 Tagen mit dem beiliegenden Zahlschein einzuzahlen. Es könne auch ein Lastschriftverfahren eingerichtet werden.

Mit Schreiben vom 16.7.2019, das wiederum an die Adresse in der C* erging, erfolgte eine letzte Mahnung zur Unfallversicherung. Das Schreiben wurde allerspätestens am 22. oder 23.7.2019 zugestellt. Es enthielt den Hinweis, dass es Versicherungsschutz nur im Fall der Zahlung gebe, andernfalls bestehe keine Leistungspflicht, auf § 39 Vers VG werde verwiesen, der offene Betrag sei innerhalb von 14 Tagen einzuzahlen.

Der Kläger hatte bereits die Zahlscheine, mit denen er die Prämien für April und Mai 2019 bezahlt hatte, an die Adresse in der C* erhalten.

Die beiden Schreiben vom 1.7. und 16.7.2019 (letzte Mahnung) übergab E* am Tag der Rückkehr aus seinem 2-wöchigen Urlaub am 16.8.2019 an die Lebensgefährtin des Klägers, F*, zusammen mit der übrigen seit dessen (Rück-)Übersiedlung in die D* an der Adresse in der C* eingelangten Post.

F* zahlte am 12.8.2019 auf Grundlage des Schreibens der Beklagten vom 18.6.2019 EUR 95,86 in der Meinung ein, damit einen Prämienrückstand betreffend die Unfallversicherung zu begleichen. Der Betrag wurde von der Beklagten entsprechend der Vorschreibung auf dem Konto für die Kfz-Haftpflichtversicherung gutgebucht.

Mit E-Mail vom 13.8.2019 bestätigte die Beklagte die von F* bekannt gegebene Änderung der Adresse des Klägers von der C* auf die D*.

Aus Anlass der am 16.8.2019 erhaltenen Mahnschreiben der Beklagten von 1. und 16.7.2019 erkannte F* ihren Irrtum und wandte sich im Bewusstsein der Dringlichkeit noch am selben Tag telefonisch an die Beklagte, die wunschgemäß den Betrag von EUR 95,86 vom Konto für die Haftpflichtversicherung auf das Konto für die Unfallversicherung umbuchte.

Am 19.8.2019 zahlte F* schließlich die EUR 45,78 betreffend die Unfallversicherung ein, die am 20.8.2019 auf dem betreffenden Konto gut gebucht wurden.

Es steht nicht fest, dass der Kläger die aus der Insassenunfallversicherung erhaltene Leistung gutgläubig verbrauchte.

Der Kläger begehrte EUR 83.720 sA sowie beginnend mit 01.09.2022 219 Mal am Ersten eines jeden Monats eine monatliche Rente von je EUR 520.

Er brachte vor, eine qualifizierte Mahnung gem § 39 VersVG sei ihm nicht so rechtzeitig zugestellt worden, dass er die offene Prämie innerhalb von 14 Tagen vor dem Unfall am 9.8.2022 einzahlen hätte können. Die Einhaltung dieser Frist sei schon allein durch den Unfall unmöglich gewesen. Darüber hinaus sei das Mahnschreiben gar nicht in seinen Machtbereich gelangt und ihm auch nicht zugegangen (§§ 39 Abs 1 VersVG, 862a ABGB). An der Adresse C* habe er sich zu der Zeit nicht mehr regelmäßig aufgehalten. Außerdem sei die Mahnung nicht qualifiziert erfolgt, weil sie mit der Post versendet worden sei (§ 39 Abs 2 VersVG). Zweifel am Zugangszeitpunkt gingen zu Lasten des Versicherers.

Die Aufrechnungseinrede der Beklagten sei unberechtigt. Auf die irrtümliche Zahlung einer Nichtschuld könne

sich die Beklagte nicht berufen. Nicht zuletzt sei ein gutgläubiger Verbrauch erfolgt.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren, beantragte Klagsabweisung und wendete ein, der Kläger habe sich zum Zeitpunkt des Unfalls mit einer Prämie im qualifizierten Zahlungsverzug befunden, weshalb sie leistungsfrei sei. Der Kläger habe die Folgeprämie von EUR 45,78 für den Zeitraum vom 1.6. bis 1.9.2019 nicht fristgerecht bezahlt und trotz Nachfristsetzung von 2 Wochen auf das unmissverständliche Mahnschreiben vom 16.7.2019 nicht reagiert. Ein solches Mahnschreiben habe es bereits am 1.7.2019 gegeben. Der Unfall vom 9.8.2019 habe sich erst nach Ablauf der Nachfrist ereignet. Das Mahnschreiben vom 16.7.2019 sei spätestens am 18.7.2019 in den Machtbereich des Klägers gelangt. Die Frist habe daher am 1.8.2019 geendet. Am 12.8.2019 sei bei der Beklagten eine Zahlung von EUR 95,86 eingegangen. Dies habe erkennbar einen Lastschriftrücklauf im Zusammenhang mit der KFZ-Haftpflichtversicherung betroffen. Erst am 19.8.2019 sei der Prämienrückstand aus der Unfallversicherung beglichen worden.

Schließlich erhob die Beklagte eine Aufrechnungseinrede in Bezug auf die Insassen-Unfallversicherung. Der Kläger habe EUR 4.550,70 zurückzuzahlen. Die entsprechend der Berechnung des von ihr beauftragten Sachverständigen bezahlte Versicherungsleistung habe sich aufgrund des Gerichtsgutachtens als zu hoch erwiesen.

Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht das Klagebegehren ab.

Es traf die auf den Seiten 2 bis 3 und 6 bis 10 der Urteilsausfertigung ersichtlichen, eingangs der Berufungsentscheidung zusammengefasst wiedergegebenen Sachverhaltsfeststellungen, auf die verwiesen wird, und folgerte rechtlich, § 39 VersVG erfordere keine eingeschriebene schriftliche Mahnung. Eine Prämienmahnung unter Nachfristsetzung stelle zwar eine Willenserklärung im Sinne des § 10 VersVG dar, der eine Zustellung mittels Einschreibens regle. Allerdings komme diese Bestimmung im vorliegenden Fall – zu beurteilen sei hier die Zustellung des Schreibens vom 16.7.2019 - nicht zu Anwendung. § 10 Abs 1 VersVG betreffe nur jene Fälle, in denen dem Versicherer eine Adressänderung überhaupt erst bekannt werde wie etwa durch die Zurücksendung von Schreiben. Dies könne aber im vorliegenden Fall auf Grundlage der Feststellungen nicht angenommen werden. Zusammengefasst habe daher die Zusendung des Schreibens vom 16.7.2029 keines Einschreibens bedurft.

Dieses Schreiben, das keine unklaren Formulierungen enthalte, stelle eine Mahnung iSv § 39 VersVG dar. Es gehe darin um eine Folgeprämie, es werde eine mindestens zweiwöchige Nachfrist gesetzt und auf die Rechtsfolgen des § 39 Abs 2 VersVG für den Fall der Nichtbeachtung der Frist verwiesen. Dass keine zweiwöchige, sondern eine 14-tägige Frist gesetzt worden sei schade nicht. Die Formulierung des § 39 Abs 1 VersVG schließe weder eine nach Tagen bemessene Frist, zB eine 20-tägige Frist aus, noch gebe sie vor, dass nur Wochenfristen gesetzt werden dürfen. Es könne daher statt der dort genannten (Mindest-)Frist von zwei Wochen auch eine solche (Mindest-)Frist von 14 Tagen gesetzt werden, zumal beide Fristen zum gleichen Ergebnis führen.

Der Kläger habe aufgrund seiner finanziellen Notlage und der damit einhergehenden mangelnden Kontodeckung zwangsläufig mit Lastschriftrückläufen in Bezug auf seine (Prämien-)Zahlungen und in weiterer Folge mit Mahnungen der Beklagten rechnen müssen, zumal ihm derartige Vorgänge und deren Bedeutung durchaus bekannt waren. Er hätte daher entweder der Beklagten seinen Adresswechsel bekanntgeben, einen Nachsendeauftrag erteilen, regelmäßig nachschauen oder E* anweisen und auch kontrollieren müssen, dass dieser ihn von einlangenden Schriftstücken unverzüglich informiere. Mit den modernen Mitteln der Kommunikation wäre das auch überhaupt kein Problem.

Das Schreiben der Beklagten vom 16.7.2019 sei daher als dem Kläger spätestens am 22. oder 23.7.2019 zugegangen zu betrachten. Nach den Feststellungen wäre dem Kläger die Kenntnisnahme leicht möglich gewesen. Im Ergebnis sei davon auszugehen, dass er die Kenntnisnahme wider Treu und Glauben durch unangebrachtes passives Verhalten verhindert habe.

Die dem Kläger von der Beklagten wirksam gesetzte 14-tägige Frist habe ohne Einzahlung der offenen (Folge-)Prämie am 5. bzw 6.8.2019 geendet. Da sein Unfall nach Ablauf dieser Frist am 9.8.2019 erfolgt sei, trete die Rechtsfolge des § 39 Abs 2 VersVG, also Leistungsfreiheit der Beklagten ein. Ein mangelndes Verschulden des Klägers an der nicht rechtzeitigen Zahlung könne nicht gesehen werden.

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil in klagsstattgebendem Sinn abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt.

1.Der Berufungswerber vertritt zusammengefasst die Rechtsansicht, ein rechtswirksamer Zugang der Schreiben der Beklagten vom 1.7. und vom 16.7.2019 an ihn hätte gemäß § 10 Abs 1 VersVG einen eingeschriebenen Brief vorausgesetzt. Eine Mahnung nach § 39 VersVG gelte überdies erst als zugegangen, wenn sie in die Hände des Versicherungsnehmers oder einer nach den Postvorschriften legitimierten Person gelange, wobei E* keine solche Person sei. Die Gegenforderung der Beklagten bestehe nicht zu Recht, weil die von ihr zurückgeforderte Zahlung nicht rechtsgrundlos, sondern aufgrund eines von ihr eingeholten medizinischen Gutachtens erfolgt sei, wobei in der vorbehaltlosen Zahlung ein stillschweigendes Anerkenntnis zu sehen sei.

2.Zwar trifft es zu, dass die Prämienmahnung unter Nachfristsetzung gemäß § 39 Abs 1 VersVG eine unter § 10 VersVG fallende Willenserklärung ist ( Grubmann, VersVG 9§ 39 E 9; RS0080265). Dies bedeutet jedoch entgegen der Rechtsansicht des Berufungswerbers nicht, dass die Mahnung schlechthin in Form eines eingeschriebenen Briefes erfolgen muss. Die Anwendung des § 10 VersVG setzt vielmehr voraus, dass der Versicherungsnehmer seine Wohnung und damit seine Wohnanschrift ändert, ohne dies dem Versicherer mitzuteilen, sodass der Versicherer den Versicherungsnehmer nicht mehr unter der ihm bekannten Adresse erreichen kann. Für diesen Fall normiert die Bestimmung zum Schutz des Versicherers eine gesetzliche Zugangsfiktion ( Riedler in Fenyves/Perner/Riedler, VersVG § 10 Rz 2).

Im vorliegenden Fall steht hingegen fest, dass die Zustellungen der beiden Mahnschreiben der Beklagten vom 1.7. und 16.7.2019 an die Adresse des Klägers in der C* erfolgten, die auch im Versicherungsantrag des Klägers stand, deren Änderung der Kläger gegenüber der Beklagten zu keinem Zeitpunkt bekanntgegeben hatte und von der auch keine Sendungen als unzustellbar an die Beklagte retourniert wurden. Der Kläger war daher für die Beklagte ausgehend vom festgestellten Sachverhalt gerade nicht postalisch unerreichbar. Der Rechtsansicht des Klägers, die Mahnungen hätten in Form eingeschriebener Briefe versandt werden müssen, kann daher nicht gefolgt werden.

3.Die Leistungsfreiheit des Versicherers bei nicht rechtzeitiger Zahlung einer Folgeprämie ist an drei Voraussetzungen geknüpft (RS0080654):

1. dem Versicherungsnehmer muss eine der Bestimmung des § 39 Abs 1 VersVG entsprechende Mahnung zugegangen sein,

2. bei Eintritt des Versicherungsfalls muss die ihm vom Versicherer bestimmte Zahlungsfrist bereits abgelaufen sein,

3. der Versicherungsnehmer muss bei Eintritt des Versicherungsfalls mit der Zahlung schuldhaft in Verzug sein.

Die qualifizierte Mahnung nach § 39 VersVG ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, deren Wirkung nur dann eintritt, wenn sie dem Versicherten iSd § 862a ABGB zugegangen ist (RS0014059). Im Sinne der Empfangstheorie ist eine Erklärung dem Adressaten dann zugekommen, wenn sie derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass nach regelmäßigen Umständen mit der Kenntnisnahme durch ihn gerechnet werden konnte, wenn sie also in eine solche Situation gebracht wurde, dass die Kenntnisnahme durch den Adressaten unter normalen Umständen erwartet werden kann und Störungen, die sich ihr entgegenstellen sollten, nur mehr im Lebensbereich des Adressaten möglich sind (RS0014071).

Die Verpflichtung, für die Möglichkeit des Zugangs von rechtsgeschäftlichen Erklärungen vorzusorgen, ist umso stärker zu gewichten, je eher mit der Möglichkeit des Einlangens solcher Erklärungen zu rechnen ist. Grundsätzlich muss der mit der Zahlung der Folgeprämie in Verzug geratene Versicherungsnehmer mit dem Zugang einer qualifizierten Mahnung rechnen (RS0014098); dabei muss unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls geprüft werden, ob dem Versicherungsnehmer die Kenntnisnahme der Mahnung möglich war bzw ob ihm vorgeworfen werden kann, den Zugang wider Treu und Glauben verhindert zu haben (vgl 7 Ob 55/02t mwN). Für die Beurteilung, ob objektiv mit der Kenntnisnahme durch den Empfänger gerechnet werden kann, sind alle Umstände des Einzelfalls maßgebend (RS0014089).

Nach ständiger Rechtsprechung hat der Versicherer den Zugang der qualifizierten Mahnung wie jeder, der sich im Prozess auf den Zugang einer empfangsbedürftigen einseitigen Willenserklärung beruft, zu behaupten und zu beweisen (RS0014065). Ob eine qualifizierte Mahnung iSd § 39 VersVG, die nachweislich (sei es eingeschrieben oder nicht) zur Post gegeben wurde, beim Versicherungsnehmer eingelangt ist, ist eine nach den Umständen des konkreten Falls durch die Tatsacheninstanzen zu lösende Beweisfrage (vgl 7 Ob 24/09v).

4. Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, so musste der Kläger ausgehend von den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen mit dem Zugang einer qualifizierten Prämienmahnung rechnen und hatte daher für die Möglichkeit des Zugangs rechtsgeschäftlicher Erklärungen vorzusorgen. Der Kläger hat dem zwar ansatzweise entsprochen, indem er nach seiner Rückübersiedlung in die D* seinen Freund und Mitbewohner in der C* bat, ihm die dort einlangende Post zu übergeben. Allerdings überließ er diese Aufgabe in der Folge allein E*, ohne nachzufragen und sich nach einem Einlangen der Post zu erkundigen. So konnte es geschehen, dass die beiden Mahnschreiben vom 1. und 16.7.2019, die an der Adresse C* zugestellt wurden, erst nach dem Unfall - am 16.8.2019 – von E* an die damalige Lebensgefährtin des Klägers übergeben wurden. Vor dem Hintergrund der oben wiedergegebenen Judikatur und ausgehend vom festgestellten Sachverhalt ist vom Zugang der qualifizierten Mahnung an den Kläger bereits spätestens am 23.7.2019 auszugehen.

Da auch die weiteren Voraussetzungen des § 39 VersVG vorliegen - die Zahlungsfrist war im Zeitpunkt des Unfalls bereits abgelaufen und der Kläger befand sich schuldhaft in Zahlungsverzug - hat das Erstgericht das Klagebegehren zutreffend abgewiesen. Ein Eingehen auf die von der Beklagten erhobene Gegenforderung ist davon ausgehend nicht erforderlich.

5. Der Berufung war daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, weil Rechtsfragen von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität nicht zu beantworten waren.