JudikaturOLG Wien

10Ra59/24f – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
Arbeitsrecht
26. Februar 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Mag. Atria als Vorsitzenden, die Richter Dr. Schober und Mag. Marchel sowie die fachkundigen Laienrichter Christoph Guserl (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Regina Müller (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A* , geboren **, **, vertreten durch Mag. Dr. Vera M. Weld, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei B* GesmbH, FN **, **, vertreten durch die Korn Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Kündigungsanfechtung (Streitwert nach RATG: EUR 50.000), über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 29.8.2024, ** 58, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer erfolglosen Berufung selbst zu tragen.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am ** geborene Kläger war seit 10.6.1991 bei der Beklagten als Schneider (Arbeiter) beschäftigt. Mit – dem Kläger am 28.2.2023 zugestellten – Schreiben vom 24.2.2023 kündigte die Beklagte sein Dienstverhältnis zum 31.7.2023. Der Betriebsrat hat der Kündigungsabsicht weder zugestimmt noch widersprochen. Der Kläger verdiente zuletzt EUR 2.467 brutto monatlich zuzüglich Zulagen. Seine Tätigkeit bestand aus dem Zuschneiden bereits gedruckter Etiketten verschiedenster Größen nach den Erfordernissen der jeweiligen Kunden.

Der Kläger befand sich im Jahr 2021 an 58 Tagen und im Jahr 2022 an 94 Tagen im Krankenstand; im Jahr 2023 wies er bis inklusive 24.2.2023 bereits zwölf Krankenstandstage auf. Nach Ausspruch der Kündigung war er bis einschließlich 5.4.2023 weitere 40 Tage im Krankenstand. Erschien er zur Arbeit, zeigten sich vermehrt gesundheitliche Probleme in Form rascher Erschöpfung bereits nach zwei Arbeitsstunden, sodass er entweder ein bis zwei Stunden pausieren oder gleich die Arbeit abbrechen und nach Hause gehen musste. Einmal wurde ihm bei der Arbeit so schlecht, dass er von der Rettung abgeholt werden musste und sich anschließend wieder im Krankenstand befand. Zur Abklärung dieser Situation wurden zumindest zwei Krankenstandsgespräche mit ihm geführt. Ihm wurde zur Erleichterung seiner Arbeit eine neue, digitale, leichter bedienbare Maschine zur Verfügung gestellt. Er wurde zu keiner Nachtschicht mehr eingeteilt; zudem wurden ihm fünf bis sechs Wochen Urlaub am Stück gewährt. Trotz der Gespräche mit dem Kläger hatten die Verantwortlichen der Beklagten lediglich die Information, dass er an Kreislaufproblemen und Bluthochdruck litt. Seine Krankenstände sind aber auf eine unbehandelte Schlafapnoe zurückzuführen, die auch in Zukunft Krankenstände erwarten ließ und eine geregelte Arbeit unzumutbar machte. Bei Einstellung des Klägers auf ein Beatmungsgerät wären ihm binnen drei Monaten wieder geregelte Arbeiten zuzumuten, ohne dass weitere Krankenstände zu erwarten wären. Dem Kläger ist die Diagnose „Schlafapnoe“ bereits seit vielen Jahren bekannt. Er wusste nicht, wie er damit umgehen sollte, erachtete diese Erkrankung nicht als Ursache für seine Krankenstände und ließ sie bis zu seiner Begutachtung im vorliegenden Verfahren unbehandelt. Aufgrund der häufigen Krankenstände des Klägers hatte die Beklagte zusätzlichen Personalaufwand und Mehrkosten.

Der Kläger wird mit hoher Wahrscheinlichkeit bis zu seinem Pensionsantritt keine andere Beschäftigung erlangen können bzw im Fall einer Beschäftigung jedenfalls mit deutlichen Gehaltseinbußen zu rechnen haben.

Der Klägerbegehrt die Erklärung der Rechtsunwirksamkeit der Kündigung seines Dienstverhältnisses zur Beklagten wegen Sozialwidrigkeit gemäß § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG. Die Kündigung beeinträchtige wesentliche Interessen und gefährde seine wirtschaftliche Existenz sowie jene seiner Familie. Personenbedingte Kündigungsgründe lägen nicht vor. Aufgrund von Medikamenteneinnahmen und Behandlungen - auch in Bezug auf die im Verfahren diagnostizierte Schlafapnoe - könne er seiner Tätigkeit bei der Beklagten weiterhin nachkommen. Künftig sei mit längeren Krankenständen nicht mehr zu rechnen. Die Beklagte habe ihm im Zuge der Kündigung keinen alternativen Arbeitsplatz angeboten; so hätte er - sowohl von seinen (sprachlichen) Kenntnissen als auch seiner gesundheitlichen Verfassung her - die Position eines Endkontrolleurs einnehmen können.

Die Beklagte wendete im Wesentlichen ein, dass die Kündigung keine wesentlichen Interessen des Klägers beeinträchtige und er innerhalb einer angemessenen Dauer eine andere Arbeitsstelle mit adäquater Entlohnung finden würde. Selbst bei einer wesentlichen Interessenbeeinträchtigung lägen die Kündigung rechtfertigende Umstände in der Person des Klägers vor, die betrieblichen Interessen nachteilig berührten. Der Kläger sei in den letzten Jahren wiederholt und länger krank gewesen, wodurch seine Weiterbeschäftigung der Beklagten unzumutbar geworden sei. Zur Vermeidung betrieblicher Nachteile, etwa durch Lieferverzögerungen, hätten aufgrund der Ausfälle des Klägers kurzfristig andere Mitarbeiter für diesen einspringen und Überstunden leisten müssen. Die Beklagte habe sich wiederholt bemüht, den Kläger zu unterstützen, bei der Diensteinteilung auf seine Wünsche einzugehen und Arbeitsbedingungen zu seinen Gunsten zu ändern. Dies habe aber nicht zu einer Reduktion der Krankenstände geführt. Der Kläger könne auch auf keinem anderen Arbeitsplatz des Unternehmens eingesetzt werden, weil damit zusätzliche Belastungen verbunden wären. So wie sich die gesundheitliche Situation des Klägers der Beklagten gezeigt habe, habe diese berechtigt befürchten müssen, dass ein weiterer Arbeitseinsatz eine ernsthafte Gefahr für seine Gesundheit bedeute. Obwohl die Beklagte alle ihr zumutbaren Maßnahmen ergriffen habe, um eine Weiterbeschäftigung des Klägers zu ermöglichen, habe sie im zeitlichen Zusammenhang mit dem Kündigungszeitpunkt weiterhin mit langen und wiederholten Krankenständen des Klägers rechnen müssen. Der Kläger habe im Übrigen vor Ausspruch der Kündigung keine (ausreichende) ärztliche Hilfe zur Abklärung seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen in Anspruch genommen und die Gründe für seine vermehrten Krankenstände bei der Beklagten gesucht. In Krankenstandsgesprächen habe diese vergeblich versucht, die medizinischen Ursachen für die Krankenstände des Klägers zu erheben und zu beheben.

Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht das Klagebegehren ab. Über den eingangs zusammengefasst wiedergegebenen Sachverhalt hinaus traf es die auf Seiten 2 bis 5 der Urteilsausfertigung ersichtlichen Feststellungen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird.

Rechtlich bejahte das Erstgericht die Beeinträchtigung wesentlicher Interessen des Klägers durch die Kündigung. Es ging aber von die Kündigung rechtfertigenden, in der Person des Klägers gelegenen Gründen aus, die sich durch Mehrung der Krankenstände des Klägers ab 2021 verwirklicht hätten. Den Parteien seien im Zeitraum des Kündigungsausspruchs keine genauen Ursachen für die Krankenstände bekannt gewesen. Dass diese auf die bis zum Verfahren unbehandelte Schlafapnoe des Klägers zurückzuführen seien, habe sich erst nachträglich herausgestellt und habe deshalb nicht in die beim Kündigungsausspruch anzustellende Zukunftsprognose miteinbezogen werden können. Vielmehr habe die Beklagte damals davon ausgehen müssen, dass sich der gesundheitliche Zustand des Klägers weiter verschlechtern würde; er sei zur Ausübung seiner dienstvertraglichen Tätigkeit gesundheitlich kaum mehr im Stande gewesen. Mangels entsprechender Angaben des Klägers habe sich die Beklagte mit der Art seiner Erkrankung und ihren Ursachen nur sehr eingeschränkt auseinandersetzen können. Die von ihr angestellte negative Zukunftsprognose sei daher nicht zu beanstanden. Eine potenzielle Versetzung des Klägers aus der Produktion in die sogenannte Endkontrolle sei keine geeignete Alternative gewesen, weil der Kläger mangels ausreichender Deutschkenntnisse und aufgrund des hohen Stressfaktors der Tätigkeit in der Endkontrolle nicht gewachsen gewesen wäre. Zudem habe er nie den Wunsch geäußert, dorthin versetzt zu werden. Die hohe Zahl an Krankenstandstagen und die eingeschränkte Arbeitsleistung des Klägers berührten betriebliche Interessen der Beklagten nachteilig, weil diese kurzfristig Personalersatz für den Kläger organisieren habe müssen, um ihren Aufträgen rechtzeitig nachzukommen. Auch wenn die Kündigung den Kläger sozial und wirtschaftlich schwer treffe, habe dieser keine wesentlichen Schritte zur Besserung seines Gesundheitszustandes bis zum vorliegenden Verfahren unternommen, obwohl ihm seine Schlafapnoe seit langem bekannt gewesen sei. Demgegenüber habe die Beklagte trotz der zugunsten des Klägers und seiner Weiterbeschäftigung getroffenen Maßnahmen weiterhin unter großem Zeitdruck und steigenden Kosten wegen der krankenstandsbedingten Ausfälle andere Mitarbeiter heranziehen müssen, sodass die Interessenabwägung zu Lasten des Klägers ausschlage.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers aus den Berufungsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der unrichtigen Tatsachenfeststellung infolge unrichtiger Beweiswürdigung und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung des Urteils im Sinn einer Klagsstattgebung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt .

1. Aus Gründen der Zweckmäßigkeit erfolgt zunächst die Behandlung der Rechtsrüge .

1.1.Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass als personenbezogene Kündigungsgründe auch Krankenstände des Arbeitnehmers herangezogen werden können (RS0051801). Dabei ist nicht nur die Dauer der bisherigen Krankenstände zu berücksichtigen, sondern auch die zukünftige Entwicklung der Verhältnisse nach der Kündigung soweit einzubeziehen, als sie mit der angefochtenen Kündigung noch in einem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang steht (RS0051785). Dabei muss der Arbeitgeber, der eine Kündigung wegen überhöhter Krankenstände ausspricht, eine Zukunftsprognose über die weitere Arbeitsfähigkeit des betroffenen Arbeitnehmers anstellen. Entscheidend ist, dass ein verständiger und sorgfältiger Arbeitgeber bei objektiver Betrachtung berechtigt davon ausgehen konnte, dass Krankenstände in erhöhtem Ausmaß mit hoher Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft zu erwarten sind (9 ObA 137/17p, 9 ObA 26/22x). Eine ungünstige Prognose kann etwa aus der anhaltend steigenden Zahl der Krankheitstage bei regelmäßigen Krankenständen abgeleitet werden (RS0081880 [T11]). Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass in der Vergangenheit aufgetretene Krankenstände, die für die künftige Einsatzfähigkeit des Arbeitnehmers nicht aussagekräftig sind, weil die zugrunde liegende Krankheit überwunden wurde, nicht als persönliche Kündigungsrechtfertigungsgründe herangezogen werden können (8 ObA 53/11v ua). Insoweit ist auch die Art der Erkrankung des Arbeitnehmers und deren Ursache für die Zukunftsprognose von Relevanz. Eine starre Grenze für überhöhte Krankenstände in Bezug auf deren Häufigkeit und Dauer besteht nicht (8 ObA 103/06i). Bei Vorliegen objektiver Rechtfertigungsgründe für die Kündigung ist - insbesondere auch bei der Kündigung älterer und langjährig betriebszugehöriger Arbeitnehmer - zu fragen, ob der Arbeitgeber seiner sozialen Gestaltungspflicht nachgekommen ist; die objektiv betriebsbedingte Kündigung ist nur dann gerechtfertigt, wenn sie als letztes Mittel eingesetzt wird. Kann der Arbeitnehmer – bei zumindest partieller Dienstfähigkeit (vgl 9 ObA 30/21h e contrario) – auf einem anderen - freien - Arbeitsplatz weiter beschäftigt werden, so ist ihm dieser Arbeitsplatz vor Ausspruch der Kündigung anzubieten, andernfalls die Kündigung sozial ungerechtfertigt ist (RS0116698, 9 ObA 137/17p). Die soziale Gestaltungspflicht verpflichtet den Arbeitgeber aber insoweit zum Anbot freier Arbeitsplätze, als diese der bisherigen Berufspraxis des Arbeitnehmers entsprechen. Dabei muss dem Arbeitnehmer im Rahmen des Zumutbaren Gelegenheit zur Umschulung und Einarbeitung gegeben werden (RS0051707). Im Zusammenhang mit krankheitsbedingten Ausfällen, die auf eine allgemeine Minderung des Gesundheitszustands zurückzuführen sind, ist der Arbeitgeber allerdings auch auf eine gewisse Mitwirkung des Arbeitnehmers angewiesen, da nur dieser die eigene Leistungsfähigkeit beurteilen kann. Anders als bei objektiv betriebsbedingten Kündigungen, bei denen der Arbeitgeber im Rahmen der Organisationsänderung die Einsatzmöglichkeit eines grundsätzlich arbeitsfähigen Arbeitnehmers zu beurteilen hat, ist im Rahmen des personenbezogenen Kündigungsgrundes erhöhter Krankenstände die Leistungsfähigkeit vom Arbeitgeber nach Maßgabe der Angaben und Mitwirkung des Arbeitnehmers zu beurteilen (vgl 9 ObA 137/17p).

1.2. Dass der Kläger seit 2021 viele Krankenstandstage aufgewiesen und der Beklagten durch seinen Leistungsausfall zusätzlichen organisatorischen (Personal-)Aufwand und Mehrkosten verursacht hat, stellt die Berufung nicht in Frage. Vielmehr rügt sie, dass das Erstgericht nicht von einer positiven Zukunftsprognose ausgegangen ist, obwohl der Kläger seit Dezember 2023 durch Verwendung eines Beatmungsgeräts von seiner Schlafapnoe geheilt und seither in der Lage sei, ohne lange bzw häufige Krankenstände einer durchschnittlich belastenden, seinem Alter entsprechenden Tätigkeit nachzugehen. Feststellungen zu diesem Punkt fehlten.

1.3.Damit spricht der Kläger die Frage an, inwieweit nachträglich, also nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses als Konkretisierungszeitpunkt (vgl RS0051772) eingetretene Entwicklungen und Umstände aufgrund ihrer Vorhersehbarkeit in die vom Arbeitgeber anzustellende Zukunftsprognose miteinzubeziehen sind. Es ist zwar zutreffend, dass, auch wenn der Dienstgeber anhand der ihm zur Verfügung gestandenen Informationen zum Kündigungszeitpunkt eine - zwar objektiv richtige - negative Zukunftsprognose erstellt hat, die Grundlage seiner Kündigungsentscheidung war, der Kündigungsgrund des § 42 Abs 2 Z 2 VBO 1995 aber nicht erfüllt ist, wenn sich diese Prognose nachträglich als unrichtig erweist (vgl 9 ObA 53/20i, 9 ObA 68/20w uva). Diese Rechtsprechung ist aber im vorliegenden Fall, in dem die Frage der subjektiv betriebsbedingten Gründe im Sinne des § 105 Abs 3 Z 2 lit a ArbVG zu beantworten ist, nicht anwendbar. Hier geht es nicht um die nachträgliche Prüfung und Objektivierung, ob der für eine Kündigung erforderliche gesetzliche Tatbestand einer „Dienstunfähigkeit“ iSd § 42 Abs 2 Z 2 VBO verwirklicht ist, sondern um die Frage des Vorliegens von Umständen, die in der Person des Arbeitnehmers gelegen sind und die die betrieblichen Interessen nachteilig berühren, womit im Rahmen des § 105 Abs 3 Z 2 lit a ArbVG schon von Gesetzes wegen weitere Umstände des Falls für die Beurteilung der personenbezogenen Gründe herangezogen werden können (vgl 9 ObA 26/22x).

1.4. Dass die Ursache für die Krankenstände ab dem Jahr 2021 die Schlafapnoe war, legte der Kläger der Beklagten nicht offen bzw war ihm nicht bekannt. Aus den Gesprächen mit dem Kläger erfuhr die Beklagte nur, dass er an Kreislaufproblemen und Bluthochdruck litt. Dem kam die Beklagte entgegen, indem sie ihm eine leichter bedienbare Maschine zur Verfügung stellte, ihn von der Verrichtung von Nachtschichten entband und ihm die Konsumierung mehrerer Urlaubswochen am Stück ermöglichte. Dennoch stieg die Anzahl der Krankenstände des Klägers kontinuierlich an. Selbst wenn er zur Arbeit erschien, war er nur eingeschränkt einsatzfähig, musste zuweilen seine Arbeit nach ein bis zwei Stunden abbrechen, entweder ein- bis zweistündige Pausen einschieben oder nach Hause gehen. Einmal musste ihn die Rettung sogar von der Arbeit abholen. Fest steht zudem, dass sich die Krankenstände des Klägers bei unbehandelter Schlafapnoe fortgesetzt hätten; nach Ausspruch der Kündigung war er wiederum anhaltend im Krankenstand gewesen. Die Notwendigkeit der Behandlung der Schlafapnoe hat ihm erst das vorliegende Verfahren aufgezeigt.

Aufgrund dieser Umstände ist der Beklagten nicht vorzuwerfen, dass sie zum Konkretisierungszeitpunkt von einer negativen Zukunftsprognose ausgegangen ist. Infolge der gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers, die sich in Form häufiger und immer länger andauernder Krankenstände sowie durch Minderleistung am Arbeitsplatz zeigten, konnte ein verständiger und sorgfältiger Arbeitgeber bei objektiver Betrachtung nur annehmen, dass der Kläger weder auf seinem bisherigen Arbeitsplatz noch sonst wo im Betrieb der Beklagten eingesetzt werden durfte. Trotz des Wissens um seine seit Jahren bestehende Schlafapnoe ließ der Kläger sie unbehandelt. Dass er deshalb – ohne das vorliegende Verfahren – einen Arzt aufgesucht hätte, lässt sich aus den Feststellungen nicht ableiten; zur Klärung, wie seinen krankheitsbedingten Abwesenheiten entgegengekommen werden kann, trug der Kläger in den Krankenstandsgesprächen mit der Beklagten nichts Konkretes bei. Der Beklagten wäre die Krankheitsursache zum Konkretisierungszeitpunkt folglich weiterhin unbekannt geblieben, und sie musste von neuerlichen häufigen Krankenständen und der Arbeitsunfähigkeit des Klägers ausgehen. Der weitere Einsatz des Klägers selbst auf einem Alternativarbeitsplatz hätte die Beklagte im Fall einer - aufgrund der Nichtbehandlung der Schlafapnoe sehr wahrscheinlichen - Verschlechterung des Gesundheitszustands des Klägers dem Vorwurf massiver Verletzungen von Arbeitnehmerschutz und Fürsorgepflichten ausgesetzt. Hinzu kommt, dass der Kläger selbst nach seinem Berufungsvorbringen bis Ende 2023 noch nicht von der Schlafapnoe geheilt war, sodass auch über den Beendigungszeitpunkt 31.7.2023 hinaus von einem anhaltenden Krankenstand auszugehen und seine Einsatzfähigkeit auch für andere als zuletzt ausgeübte Tätigkeiten zu verneinen war. Dass er seit Ende Dezember 2023 durch Verwendung eines Beatmungsgeräts wieder durchschnittlich arbeitsfähig ist, war daher nicht als sekundärer Feststellungsmangel aufzugreifen. Im Übrigen hat das Erstgericht ohnedies die Behandelbarkeit des Leidens des Klägers mit dem Ergebnis keiner weiteren Krankenstände in einem Zeitraum von 3 Monaten festgestellt.

Zusammengefasst ist die Beklagte vor dem Hintergrund, dass dem Kläger durch die unbehandelte Schlafapnoe keine geregelten Arbeiten zumutbar waren, auch ihrer sozialen Gestaltungspflicht ausreichend nachgekommen.

1.5. Berücksichtigt man die Dauer der Krankenstände, den vertretungsweise nur mehr schwer bewältigbaren Leistungsausfall des Klägers, der mit seinen Krankenständen und seinen sich am Arbeitsplatz zeigenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen einherging, sowie den dadurch verursachten zusätzlichen organisatorischen und kostenmäßigen Aufwand für die Beklagte, sind deren Interessen an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber den Interessen des Klägers an dessen Aufrechterhaltung auch unter Bedachtnahme auf die lange Betriebszugehörigkeit und das Alter des Klägers als überwiegend anzusehen. Ein die Sozialwidrigkeit der Kündigung ausschließender Rechtfertigungstatbestand ist daher zu bejahen (vgl 9 ObA 137/17p).

2. Verfahrensrüge:

2.1. Der Kläger rügt, dass das Erstgericht von der Einholung von Sachverständigengutachten zum Beweis dafür abgesehen hat, dass der Kläger in der Endkontrolle noch einsetzbar gewesen wäre und dort keine bessere Ausdrucksfähigkeit in deutscher Sprache erforderlich gewesen sei, als sie der Kläger aufweise. Das Erstgericht habe dennoch unter vorgreifender Beweiswürdigung festgestellt, dass die Tätigkeit in der Endkontrolle sehr anspruchsvoll sei, hohe Stressresistenz und gute Ausdrucksfähigkeit in deutscher Sprache erfordere, sowie dass der Kläger diese Anforderungen nicht erfülle. Bei Einholung der beantragten Sachverständigengutachten wäre das Gericht aber zum gegenteiligen Schluss gekommen. Die Arbeitsfähigkeit des Klägers hätte außerdem unter Berücksichtigung des Umstands, dass er mittlerweile von der Schlafapnoe geheilt sei, neuerlich begutachtet werden müssen.

2.2.Der Anfechtungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens ist dann gegeben, wenn der Verstoß gegen ein Verfahrensgesetz abstrakt geeignet war, eine erschöpfende und gründliche Beurteilung der Streitsache zu hindern (RS0043049). Hat die Mangelhaftigkeit bei abstrakter Betrachtung keinen für den Berufungswerber ungünstigen Einfluss auf die Entscheidung, liegt auch kein Verfahrensmangel vor (vgl Pochmarski/Tanczos/Kober, Berufung in der ZPO 4 97).

2.3. Aufgrund der zu Recht angenommenen negativen Zukunftsprognose (siehe oben Pkt 1.) durfte die Beklagte davon ausgehen, dass der Kläger künftig weder auf seinem bisherigen Arbeitsplatz noch für eine alternative Tätigkeit im Betrieb der Beklagten eingesetzt werden kann. Es erübrigten sich daher Erhebungen zur nach dem Berufungsvorbringen mittlerweile wiederhergestellten Arbeitsfähigkeit des Klägers sowie zur Frage, ob dieser die an eine Tätigkeit in der Endkontrolle gestellten Anforderungen erfüllt hätte bzw erfüllen würde. Der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt nicht vor.

3. Tatsachenrüge:

3.1. Statt der Feststellungen „Der Kläger äußerte gegenüber dem Abteilungsleiter nicht den Wunsch, in den Bereich der Endkontrolle versetzt zu werden. […] Die Tätigkeit ist sehr anspruchsvoll, erfordert gute Ausdrucksfähigkeit in deutscher Sprache und Stressresistenz“ begehrt der Kläger die Ersatzfeststellungen: „Der Kläger äußerte anlässlich der wiederholten Dienstbesprechungen, die wegen seiner Krankenstände geführt wurden, gegenüber dem Abteilungsleiter den Wunsch, in den Bereich der Endkontrolle versetzt zu werden. […] Die Tätigkeit in der Endkontrolle erfordert keine bessere Ausdrucksfähigkeit in deutscher Sprache und Stressresistenz, als sie der Kläger derzeit aufweist. In der Endkontrolle sind im Betrieb der beklagten Partei Arbeitnehmer beschäftigt, die keine bessere Ausdrucksfähigkeit in deutscher Sprache aufweisen als der Kläger“ .

Das Erstgericht stütze die bekämpften Feststellungen bloß auf die Aussage des zuständigen Abteilungsleiters, der im Interesse der Beklagten als seiner Arbeitgeberin bemüht gewesen sei, die Rechtswirksamkeit der Kündigung aufrecht zu erhalten. Dass für die – dem Expeditbereich von Möbelgeschäften vergleichbare – Endkontrollabteilung der Beklagten gute Deutschkenntnisse erforderlich seien, widerspreche der allgemeinen Lebenserfahrung. Der Kläger spreche jedenfalls nicht schlechter Deutsch als die in der Endkontrolle beschäftigten Mitarbeiter.

3.2. Abgesehen davon, dass das Erstgericht in einer detaillierten und nachvollziehbaren Beweiswürdigung begründet hat, warum es die bekämpften Feststellungen traf, die dazu gemachten Angaben des zuständigen Abteilungsleiters zudem von der Zeugin C* (vgl Protokoll ON 36.2 S 4) inhaltlich bestätigt wurden und selbst der Kläger in seinen Einvernahmen keinen Aufschluss darüber gab, ob er gegenüber der Beklagten je den Wunsch, in der Endkontrolle zu arbeiten, geäußert habe (vgl Protokolle ON 36.2 S 8; ON 45.2 S 2 f), sind die bekämpften Feststellungen nicht von Relevanz für das vorliegende Verfahren (siehe dazu schon oben Pkt 2.). Ob der Kläger aufgrund eines dahingehend geäußerten Wunsches und/oder seiner Fähigkeiten in die Endkontrolle hätte versetzt werden können oder müssen, musste die Beklagte aufgrund der zum Konkretisierungszeitpunkt vorliegenden negativen Zukunftsprognose nicht weiter beurteilen. Unter Bedachtnahme auf die damalige Unzumutbarkeit geregelter Arbeiten und die die Beklagte treffenden Arbeitnehmerschutz und Fürsorgepflichten ist dieser nicht vorzuwerfen, dem Kläger keinen Alternativarbeitsplatz in der Endkontrolle angeboten zu haben.

4. Zusammengefasst war damit der Berufung der Erfolg zu versagen.

Da in Rechtsstreitigkeiten nach § 50 Abs 2 ASGG einer Partei ein Kostenersatzanspruch an die andere nur im Verfahren vor dem OGH zusteht (§ 58 Abs 1 ASGG), war auszusprechen, dass der Kläger seine Berufungskosten selbst zu tragen hat. Die Beklagte hat zutreffend keine Kosten verzeichnet.

Da das Vorliegen von personenbezogenen Kündigungsrechtfertigungsgründen nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden kann (vgl 9 ObA 53/20i [3.1.]; 9 ObA 26/22x [Rz 17], zur Interessenabwägung im Einzelfall RS0051801 [T4]), war eine Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG geforderten Qualität nicht zu beantworten und die ordentliche Revision nicht zuzulassen.