11Rs59/25p – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Richter Senatspräsident Dr. Robert Singer als Vorsitzenden, Mag. Herbert Ratzenböck und Dr. Patrick Eixelsberger in der Verfahrenshilfesache der Antragstellerin A* , geboren am **, **straße **, **, vertreten durch Mag. Oliver Schmidl, Rechtsanwalt in Wels, als gerichtlicher Erwachsenenvertreter, über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom 9. Juli 2025, Nc* 2, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Text
Begründung:
Die Antragstellerinbeantragte am 7.7.2025 die Bewilligung der Verfahrenshilfe im Umfang der Begünstigungen des § 64 Abs 1 Z 1 lit a bis d und f sowie Z 3 ZPO und der Reisekosten (Anreise zur mündlichen Verhandlung) zur Einbringung einer Klage gegen einen nach ihren Behauptungen am 23.4.2025 zugestellten Bescheid vom 16.4.2025 der Pensionsversicherungsanstalt, Landesstelle ** (in der Folge: PVA), womit der Antrag der Antragstellerin vom 31.1.2025 auf Gewährung einer Invaliditätspension abgelehnt worden sei.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Verfahrenshilfeantrag ab. Zur beantragten kostenlosen Beigebung eines Rechtsanwalts führte es aus, dass in Verfahren wie hierohne absolute Anwaltspflicht die Beigebung eines Rechtsanwalts nur in Betracht komme, wenn es nach der Lage des Falles erforderlich erscheint; etwa wenn der Fall Schwierigkeiten in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht erwarten lässt. Das sei in einem sozialgerichtlichen Verfahren, das darüber hinaus noch von der richterlichen Anleitungs- und Belehrungspflicht geprägt sei, in der Regel nicht der Fall. Gegenteilige Anhaltspunkte fänden sich nicht im Antrag. Brauche man aber wegen der richterlichen Anleitungs- und Belehrungspflicht keine besonderen rechtlichen Fähigkeiten und Kenntnisse, bestehe auch kein Entgeltanspruch nach § 276 Abs 3 ABGB, von dem die Antragstellerin im Rahmen der Verfahrenshilfegewährung befreit werden könnte.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Antragstellerin mit dem Abänderungsantrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe.
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. Alleiniger Streitpunkt im Rekursverfahren ist die Beigebung eines Rechtsanwalts. Der Rekurs meint, dass die Antragstellerin aus den Gründen, welche eine Erwachsenenvertretung notwendig machen, nicht in der Lage sei, das gegenständliche Verfahren ohne Vertreter zu führen, bzw würde dieses erheblich verzögert werden. Übernimmt der Erwachsenenvertreter die Vertretung im Verfahren, so hafte er aufgrund seiner Tätigkeit als Anwalt auch mit dem für einen Anwalt geltenden Sorgfaltsmaßstab. Im Zuge der Vertretung im Verfahren könne und müsse er demgemäß seine besonderen beruflichen Fähigkeiten und Kenntnisse nutzen. Dies sei sowohl zum Vorteil der Antragstellerin als auch jenem des Gerichtes, indem er zur Verfahrensbeschleunigung beitrage und auch den richterlichen Anleitungs- und Belehrungsaufwand minimiere. Davon abgesehen übersteige es den für eine Erwachsenenvertretung vertretbaren Zeitaufwand, sollte vom anwaltlichen Erwachsenenvertreter erwartet werden, nicht der Anwaltspflicht unterliegende Gerichtsverfahren unentgeltlich für die Antragstellerin zu verrichten. Dabei sei sowohl der Zeitaufwand für Schriftsätze als auch jener für die Verrichtung von Verhandlungen zu berücksichtigen. Dies sei vor dem Hintergrund zu sehen, dass er als Anwalt ohnehin jährlich mehrere Verfahrenshilfen unentgeltlich zu übernehmen habe.
Dazu ist auszuführen:
2.1 Nach § 64 Abs 1 Z 3 ZPO ist eine Rechtsanwältin bzw ein Rechtsanwalt nur insofern beizugeben, als absolute Anwaltspflicht besteht oder dies nach der Lage des Falles erforderlich erscheint. In Prozessen ohne Anwaltspflicht ist die Beigabe eines anwaltlichen Rechtsvertreters im allgemeinen nur dort erforderlich, wo der Rechtsfall besondere Schwierigkeiten in rechtlicher und/oder tatsächlicher Hinsicht erwarten lässt (vgl bloß M. Bydlinski in Fasching/Konecny³ § 64 ZPO Rz 16).
2.2 In sozialgerichtlichen Verfahren, wie insbesondere in Pensionsverfahren wegen geminderter Arbeitsfähigkeit, ist in der Regel nicht mit besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten zu rechnen und gerade wegen der mangelnden Über- und Einsicht der Antragstellerin und den damit verbundenen Grenzen auch der erweiterten richterlichen Anleitungs- und Belehrungspflicht (§ 39 Abs 2 Z 1 ASGG) wurde bereits der Erwachsenenvertreter bestellt.
3.1 Gemäß § 276 Abs 3 ABGB hat der gerichtliche Erwachsenenvertreter für Angelegenheiten, deren Besorgung sonst einem Dritten entgeltlich übertragen werden müsste, einen Anspruch auf angemessenes Entgelt, wenn er hiefür seine besonderen beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten nützt (Satz 1). Dieser Anspruch besteht für die Kosten einer rechtsfreundlichen Vertretung jedoch nicht, soweit bei der vertretenen Person die Voraussetzungen für die Bewilligung der Verfahrenshilfe gegeben sind oder diese Kosten nach gesetzlichen Vorschriften vom Gegner ersetzt werden (Satz 2).
3.2 Aus Satz 2 dieser Bestimmung folgt, dass in jenen Verfahren, in denen beim Betroffenen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Verfahrenshilfe gegeben sind, ungeachtet des Umstandes, dass ein Rechtsanwalt als Sachwalter (bzw nunmehr als Erwachsenenvertreter) bestellt ist, Verfahrenshilfe bewilligt werden und der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer den Sachwalter als Verfahrenshelfer bestellen kann (ErlRV 1420 BlgNR 25. GP 15).
3.3 Um einen Verfahrenshelfer bei vorhandenem Erwachsenenvertreter bzw den Erwachsenenvertreter zum Verfahrenshelfer bestellen zu können, müssen somit die Voraussetzungen für die Bewilligung der Verfahrenshilfe vorliegen und das ist in Verfahren ohne absolute Anwaltspflicht nur der Fall, wenn die Rechtssache besondere Schwierigkeiten in rechtlicher und/oder tatsächlicher Hinsicht erwarten lässt bzw der Prozess einen Verlauf nehmen kann, der sich der Übersicht und der Einsicht der Partei entzieht. Dies wird vor allem dort eintreten, wo die die Verfahrenshilfe genießende Partei nur über einen geringen Grad von Verständnis und Intelligenz bzw an Rechtskenntnissen verfügt und damit auch der richterlichen Anleitung (§ 432 ZPO) Grenzen gesetzt sind ( M. Bydlinski aaO).
4.1 Würde man nunmehr der Argumentation der Antragstellerin folgen, müsste bei entsprechend schlechten Einkommens- und Vermögensverhältnissen im Falle der Bestellung eines Rechtsanwalts als Erwachsenenvertreter zur Vertretung vor Gericht immer Verfahrenshilfe im Umfang des § 64 Abs 1 Z 3 ZPO gewährt werden.
4.2 Dabei wird allerdings § 276 Abs 3 Satz 1 ABGB übersehen, wonach einem gerichtlichen Erwachsenenvertreter ein angemessenes Entgelt nur für Angelegenheiten zusteht, deren Besorgung einem Dritten übertragen werden müsste. Voraussetzung für einen Entgeltanspruch ist folglich, dass die Leistung einem Drittvergleich standhält ( Parapatits in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB³ [Klang] § 276 Rz 28). Insoweit also ein Erwachsenenvertreter seine besonderen beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten als Rechtsanwalt nützt, setzt ein Entgeltanspruch nach dem RATG voraus, dass auch ein anderer gesetzlicher Vertreter eine entsprechend beruflich qualifizierte Person heranziehen hätte dürfen (RS0115753, RS0121612; Weitzenböck in Schwimann/Kodek , ABGB- Praxiskommentar 5 § 276 Rz 26; Schauer in Kletečka/Schauer , ABGB-ON 1.04 § 276 [Stand 1.8.2019, rdb.at] Rz 25 je mwN). Ein anderer gerichtlicher Erwachsenenvertreter würde aber mangels absoluter oder relativer Anwaltspflichteine Partei kann sich in erster Instanz gemäß § 40 Abs 2 Z 4 ASGG durch jede geeignete Person vertreten lassenund aufgrund der erweiterten gerichtlichen Anleitungs- und Belehrungspflicht für ein Pensionsverfahren (hier wegen geminderter Arbeitsfähigkeit) keinen Rechtsanwalt beauftragen. Ihm würde dafür auch keine Verfahrenshilfe durch Beigebung eines Rechtsanwalts gewährt, enthält doch § 64 Abs 1 Z 3 ZPO wie oben unter 2.1 ausgeführt ebenfalls die Einschränkung, dass die Vertretung durch einen Rechtsanwalt gesetzlich oder nach der Lage des Falles geboten sein muss, was in Pensionsverfahren wegen geminderter Arbeitsfähigkeit aus den soeben dargelegten Gründen nicht zutrifft.
4.3 Entscheidend ist somit, ob die Beiziehung eines Rechtsanwalts den üblichen Gepflogenheiten entspricht. Bloße Nützlichkeit genügt nicht, wenn die zu besorgende Angelegenheit auch ohne fachspezifische Kenntnisse in angemessener Weise bewältigbar wäre ( WeitzenböckaaO). Auch wenn Rechtskenntnisse zur Verfahrensführung nützlich sind, bedeutet das nicht, dass die Kenntnisse nicht einem anderen Erwachsenenvertreter, der nicht Rechtsanwalt ist, im Wege der richterlichen Manuduktion vermittelt werden könnten. In einem vom Grundsatz der Amtswegigkeit geprägten sozialgerichtlichen Verfahren sind Tatfragen, wie das Leistungskalkül oder der Pflegebedarf, durch medizinische Sachverständige zu klären; besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten sind im Regelfall nicht zu erwarten (vgl zum Verfahren auf Gewährung der Berufsunfähigkeitspension OLG Wien 10 Rs 40/15y = RW0000831; vgl zu allem rezent OLG Linz 12 Rs 108/24z zu einem Pflegegeldverfahren).
5. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die Voraussetzungen für die Bewilligung der Verfahrenshilfe nicht vorliegen, weil in einem Pensionsverfahren wegen geminderter Arbeitsfähigkeit wie dem vorliegenden durch die richterliche Anleitungs- und Belehrungspflicht nach der Lage des Falles keine Vertretung durch Rechtsanwälte geboten ist. Braucht man aber wegen der richterlichen Anleitungs- und Belehrungspflicht keine besonderen rechtlichen Fähigkeiten und Kenntnisse, besteht auch kein Entgeltanspruch, von dem die Antragstellerin im Rahmen der Verfahrenshilfegewährung befreit werden könnte. Der Gesetzgeber selbst stellt diese Verbindung zwischen der Entgeltregelung des § 276 Abs 3 ABGB und § 64 Abs 1 Z 3 ZPO her (vgl OLG Wien 10 Rs 40/15y = RW0000831).
6. Darauf, dass dem Verfahrenshilfeantrag hinsichtlich der übrigen begehrten Befreiungen stattgegeben werden hätte müssen, kommt die Antragstellerin in ihrem Rekurs nicht mehr zurück, weshalb darauf vom Rekursgericht nicht näher einzugehen ist. Es reicht ein Verweis darauf, dass in sozialgerichtlichen Verfahren weder Gerichtsgebühren (§ 80 ASGG) noch Gebühren für Zeugen oder Sachverständige (§ 77 Abs 1 Z 1 ASGG) anfallen und für die Reisekosten der Partei die Sonderregelung des § 79 ASGG gilt.
7. Dem Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen. Demnach erübrigt sich die Einleitung eines Verbesserungsverfahrens, auch wennentgegen § 72 Abs 2a ZPO der Revisor beim Landesgericht Wels nicht am Rekursverfahren beteiligt wurde (OLG Linz 12 Rs 108/24z, 12 R 25/15f, 3 R 194/14s, 3 R 40/14v, 2 R 157/12i ua).
8. Die Unzulässigkeit eines weiteren Rechtsmittels folgt aus § 528 Abs 2 Z 4 ZPO.