JudikaturOLG Wien

10Rs40/15y – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
29. Juni 2015

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin Dr. Ciresa als Vorsitzende sowie den Richter Mag. Atria und die Richterin Mag. Derbolav-Arztmann (Dreiersenat des Oberlandesgerichts gemäß § 11a Abs 2 ASGG) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei ***** D***** M***** , L***** Straße *****, ***** Wien, vertreten durch den Sachwalter Dr. M***** G*****, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt , Friedrich-Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, wegen Berufsunfähigkeitspension (hier wegen Verfahrenshilfe), über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 25.2.2015, 9 Cgs 124/14m-24, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Ein Kostenersatz findet nicht statt.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung:

Mit Bescheid vom 23.5.2014 hat die beklagte Partei den Antrag der Klägerin vom 20.12.2013 auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension abgelehnt.

Am 22.7.2014 brachte die Klägerin gegen diesen Bescheid eine Protokollarklage ein. Die mündliche Verhandlung wurde zuletzt in der Tagsatzung vom 25.2.2015 zur Einholung weiterer medizinischer (Ergänzungs-)Gutachten auf unbestimmte Zeit erstreckt (Protokoll ON 22).

Mit Beschluss des BG Josefstadt vom 28.10.2014, 23 P 92/14z-4, wurde Rechtsanwalt Dr. M***** G***** zum Verfahrenssachwalter sowie einstweiligen Sachwalter zur Vertretung vor Ämtern, Behörden, Gerichten und privaten Vertragspartnern, zur Besorgung finanzieller Angelegenheiten und Schuldenregulierung und zur Wohnungsbeschaffung bestellt, der die Klägerin seither auch im gegenständlichen Verfahren vertritt (ON 9).

Am 17.2.2015 beantragte die durch den Sachwalter vertretene Klägerin die Bewilligung der Verfahrenshilfe im vollen Umfang zur weiteren Führung des gegenständlichen Verfahrens (ON 21).

Mit dem nun angefochtenen Beschluss hat das Erstgericht den Verfahrenshilfeantrag mit der wesentlichen Begründung abgewiesen, dass die Beigebung eines Rechtsanwalts bei fehlender Anwaltspflicht nur ausnahmsweise in Betracht komme. Besondere Schwierigkeiten in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht, die ausnahmsweise die Beigebung eines Rechtsanwalts im Rahmen der Verfahrenshilfe rechtfertigen können, würden nicht behauptet und lägen auch nicht vor. Aus der Beigebung des Rechtsanwalts durch das Sachwalterschaftsgericht sei keine (zwingende) Notwendigkeit der Bestellung eines Verfahrenshelfers abzuleiten. Der Sachwalter habe auch keinen Entgeltanspruch im Sinne des § 276 Abs 2 ABGB. Die Klägerin habe somit keine Anwaltskosten zu erwarten. Gerichtsgebühren und andere Kosten würden für die Klägerin im sozialgerichtlichen Verfahren nicht anfallen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs der Klägerin aus dem Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung aufgrund sekundärer Feststellungsmängel mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss im antragsstattgebenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat sich am Rekursverfahren nicht beteiligt.

Der Revisor hat von einer Rekursbeantwortung Abstand genommen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Die Rekurswerberin vermisst nähere Feststellungen zu ihren im Verfahrenshilfeantrag dargelegten Einkommensverhältnissen (Bezug von Notstandshilfe sowie Mindestsicherung) und Schulden (EUR 46.623,69 bei der UniCredit Bank Austria und EUR 4.925,31 bei der SVA der gewerblichen Wirtschaft). Daraus würde sich ergeben, dass die Klägerin außerstande sei, die Kosten für die Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung ihres notwendigen Unterhalts zu bestreiten. Gemäß § 276 Abs 2 ABGB hätte die Klägerin im Falle des Unterliegens im gegenständlichen Verfahren die Kosten einer rechtsfreundlichen Vertretung durch den Sachwalter zu tragen. Die Voraussetzungen für die Bewilligung der Verfahrenshilfe würden daher vorliegen.

1. § 276 Abs 2 ABGB, der - neben dem pauschalen Entschädigungsanspruch nach Abs 1 - einen besonderen Ent- geltanspruch des Sachwalters regelt, lautet wie folgt:

„Nützt der Sachwalter (Kurator) für Angelegenheiten, deren Besorgung sonst einem Dritten entgeltlich übertragen werden müsste, seine besonderen beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten, so hat er hierfür einen Anspruch auf angemessenes Entgelt. Dieser Anspruch besteht für die Kosten einer rechtsfreundlichen Vertretung jedoch nicht, soweit beim Pflegebefohlenen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Verfahrenshilfe gegeben sind oder diese Kosten nach gesetzlichen Vorschriften vom Gegner ersetzt werden.“

Die Abgrenzung, ob im konkreten Fall eine entsprechend berufsqualifizierte Tätigkeit vorliegt und der Rechtsanwalt daher nach dem RATG zu entlohnen ist, ist oft schwierig: Würde ein Dritter einen Rechtsanwalt beiziehen, so darf dem Rechtsanwalt als Sachwalter oder Kurator ein Entgeltanspruch schon deshalb nicht verweigert werden. Ein Rechtsanwalt als Sachwalter darf nur dann nach dem RATG entlohnt werden, wenn auch ein anderer Sachwalter sich eines Rechtsanwalts hätte bedienen dürfen. Es ist darauf abzustellen, ob die Beiziehung eines Rechtsanwalts den üblichen Gepflogenheiten entspricht ( Tschugguel/Parapatits in Kletecka/Schauer , ABGB-ON § 276, Rz 14 mwN). Bloße Nützlichkeit genügt nicht, wenn die zu besorgende Angelegenheit auch ohne fachspezifische Kenntnisse in angemessener Weise bewältigbar wäre ( Weitzenböck in Schwimann/Kodek , ABGB Praxiskommentar, § 276, Rz 10 und 11 mwN, dabei insbesondere kritisch zu LGZ Wien EF 123.500, in der Entgelt für die Vertretung in einem sozialgerichtlichen Verfahren zuerkannt wurde).

Im gegenständlichen Verfahren besteht weder eine absolute, noch eine relative Anwaltspflicht und kann sich eine Partei im erstinstanzlichen Verfahren durch jede geeignete Person vertreten lassen (§ 40 Abs 2 Z 4 ASGG). In dem vom Grundsatz der Amtswegigkeit (§ 87 Abs 1 ASGG) geprägten Verfahren ist durch medizinische Sachverständige ein Leistungskalkül zu erheben; bei Vorliegen eines Berufsschutzes oder bei einer stark eingeschränkten Erwerbsfähigkeit ist ein berufskundiger Sachverständiger beizuziehen. Besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten, die eine rechtsanwaltliche Vertretung erforderlich machen, sind daher in einem Verfahren auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension weder im Allgemeinen, noch im hier konkreten Verfahren zu erwarten. Daraus folgt aber auch, dass die Vertretung der Klägerin von einem anderen Sachwalter nicht einem Rechtsanwalt entgeltlich übertragen werden müsste (im Sinne des § 276 Abs 2 erster Satz ABGB). Rechtskenntnisse mögen zwar zur Führung des gegenständlichen Verfahrens nützlich sein. Dies bedeutet aber nicht, dass diese Kenntnisse einem anderen Sachwalter (der nicht Anwalt ist) nicht im Wege der richterlichen Manuduktion vermittelt werden könnten. Aus der Beigebung des Rechtsanwalts durch das Sachwalterschaftsgericht ist keine (zwingende) Notwendigkeit der Bestellung eines Verfahrenshelfers abzuleiten. Dem Sachwalter steht daher kein Anspruch auf ein angemessenes Entgelt im Sinne des § 276 Abs 2 ABGB zu, sodass für die Klägerin auch im Fall des Unterliegens keine Anwaltskosten zu erwarten sind (so auch OLG Wien 7 Rs 60/13i, 9 Rs 43/15g mwN).

Die im Rekurs zitierte Entscheidung des OLG Wien 16 R 263/13h steht dieser rechtlichen Beurteilung nicht entgegen, bestand doch für das dort zu beurteilende Verfahren absolute Anwaltspflicht.

2. Gegen die zutreffende Begründung des Erstgerichts, wonach die Klägerin im gegenständlichen sozialgerichtlichen Verfahren keine Gerichtsgebühren oder sonstigen Kosten zu tragen hat, bringt der Rekurs kein Argument vor.

3. Insgesamt ergibt sich daher, dass mangels zu erwartender Anwaltskosten, Gerichtsgebühren oder sonstiger Kosten kein Anlass besteht, der Klägerin die Verfahrenshilfe zu bewilligen, dies unabhängig von den bestehenden wirtschaftlichen Verhältnissen der Klägerin.

Dem Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

Ein Kostenersatz findet nach den §§ 2 ASGG, 72 Abs 3 ZPO in Verfahrenshilfesachen nicht statt.

Die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses gründet sich auf die §§ 2 ASGG, 528 Abs 2 Z 4 ZPO.

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