JudikaturOLG Linz

12Rs68/25v – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
04. August 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat als Rekur sgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin Dr. Barbara Jäger als Vorsitzende sowie Dr. Dieter Weiß und Mag. Nikolaus Steininger, LL.M. als weitere Richter in der Sozialrechtss ache der klagenden Partei A* , geboren am **, **, **straße **, vertreten durch die Ganzert Partner Rechtsanwälte OG in Wels, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt , 1100 Wien, Wienerbergstraße 11, vertreten durch ihren Angestellten Mag. B*, Landesstelle **, wegen Integritätsabgeltung, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom 7. Juli 2025, Cgs*-6, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Der Rekurs wird zurückgewiesen .

Die klagende Partei hat die Kosten des Rekursverfahrens selbst zu tragen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

Begründ ung:

Der Kläger wurde am 25. Mai 2023 schwer verletzt, als er einen Bagger auf nur einer Laderampe von einem Lkw abladen wollte. Für die Folgen dieses Arbeitsunfalls gewährte ihm die Beklagte mit Bescheid vom 2. Mai 2025 eine Dauerrente im Ausmaß von 55 Prozent der Vollrente. Mit Bescheid vom 7. Mai 2025 lehnte sie jedoch seinen Antrag auf Zuerkennung einer Integritätsabgeltung ab.

Dagegen richtet sich die rechtzeitige, auf Gewährung einer Integritätsabgeltung gerichtete Klage mit dem Vorbringen, der Arbeitsunfall sei auf die grob fahrlässige Außerachtlassung von Arbeitnehmerschutzvorschriften zurückzuführen.

Die Beklagte beantragte in der Klagebeantwortung die Abweisung der Klage, brachte vor, der Unfall sei auf ein Fehlverhalten des Klägers zurückzuführen (ON 2), und verkündete der Dienstgeberin mit Schriftsatz vom 6. Juni 2025 (ON 3) den Streit .

Daraufhin beantragte der Kläger die Zurückweisung dieses Schriftsatzes, da ein Regressanspruch der Beklagten gegenüber der Arbeitgeberin gemäß § 334 Abs 1 letzter Satz ASVG ausgeschlossen sei, sodass es der Arbeitgeberin an einem rechtlichen Interesse am Beitritt fehle (ON 4).

Die Beklagte hielt dem entgegen, dass die Arbeitgeberin, wenn sie der Vorwurf der grob fahrlässigen Verursachung des Arbeitsunfalls treffe, befürchten müsse, hinsichtlich aller von der Beklagten erbrachten Leistungen, wie etwa Versehrtenrente und Unfallheilbehanldung, gemäß § 334 Abs 1 ASVG haftbar gemacht zu werden (ON 5).

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Antrag auf Zurückweisung des Streitverkündungsschriftsatzes zurück, da eine Streitverkündung unabhängig vom rechtlichen Interesse zuzustellen sei. Die Zustellung der Streitverkündung werde veranlasst werden.

In seinem dagegen erhobenen Rekurs beantragt der Kläger die Abänderung in eine Zurückweisung des Schriftsatzes der Beklagten.

Die Beklagte strebt mit ihrer Rekursbeantwortung die Bestätigung des Beschlusses an.

Der Rekurs ist unzulässig .

Rechtliche Beurteilung

1 Streitpunkt ist in Wahrheit nicht die Frage der Zustellung des Schriftsatzes mit der Streitverkündung an die Arbeitgeberin, sondern die Frage des rechtlichen Interesses und damit der Zulässigkeit eines allfälligen – bislang noch gar nicht erfolgten – Streitbeitritts der Arbeitgeberin des Klägers. Dieser Streit ist aber verfrüht.

2Zum Prozedere des Streitbeitritts hat der Oberste Gerichtshof in der mit zahlreichen Unterverweisen getroffenen Entscheidung 1 Ob 109/16k zusammengefasst folgendermaßen Stellung genommen:

Wer ein rechtliches Interesse daran hat, dass in einem zwischen anderen Personen anhängigen Rechtsstreit die eine Person obsiegt, kann dieser Partei nach § 17 Abs 1 ZPO im Rechtsstreit beitreten. Ein rechtliches Interesse hat der Nebenintervenient dann, wenn die Entscheidung unmittelbar oder mittelbar auf seine privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Verhältnisse rechtlich günstig oder ungünstig einwirkt [Pkt 1].

Das Interesse, das der Nebenintervenient am Sieg einer der Prozessparteien hat, hat er nach § 18 Abs 1 Satz 2 ZPO „bestimmt anzugeben“ [Pkt 2]. Die Schlüssigkeit des behaupteten Interventionsinteresses gehört zu den formellen Beitrittsvoraussetzungen. Die bei Einlangen des Beitrittsschriftsatzes vom Gericht durchzuführende amtswegige Vorprüfung der Zulässigkeit der Nebenintervention umfasst daher auch die Frage, ob ein Interventionsinteresse schlüssig behauptet wurde. Führen die vorgebrachten Tatsachen wegen ihrer Unschlüssigkeit zur Verneinung eines rechtlichen Interesses in abstracto, so ist die Nebenintervention sofort – noch vor Zustellung des Beitrittsschriftsatzes a limine – zurückzuweisen [Pkt 3.1]. Bejaht hingegen das Gericht die Beitrittsvoraussetzungen als Ergebnis der amtswegigen Zulässigkeitsprüfung, hat es keinen Beschluss über die Zulässigkeit der Nebenintervention zu fassen, sondern die Beitrittserklärung beiden Parteien zuzustellen. Das Vorprüfungsstadium ist mit dieser Zustellung abgeschlossen und der Beitritt wird wirksam [Pkt 3.2]. An das Vorprüfungsstadium schließt das in § 18 Abs 2 ZPO vorgesehene Recht jeder der Prozessparteien an, die Zurückweisung der Nebenintervention (auch) wegen des Mangels eines Interventionsinteresses zu beantragen [Pkt 4].

3.1 Daraus folgt, dass das rechtliche Interesse eines Nebenintervenienten erst mit dem Einlangen des Beitrittsschriftsatzes und vor dessen Zustellung an die Parteien zu prüfen ist. Diese haben erst dann das Recht, das rechtliche Interesse zu bestreiten.

3.2 Zu Recht hat daher das Erstgericht dem Antrag des Klägers auf Zurückweisung des Schriftsatzes mangels rechtlichen Interesses am Streitbeitritt nicht entsprochen.

4.1 Daran knüpft sich die weitere Frage, ob der Kläger durch die Zustellung des Schriftsatzes überhaupt beschwert ist.

Durch die Abweisung seines Antrags ist der Kläger zwar formell beschwert, allerdings genügt nach der Judikatur die formelle Beschwer des Rechtsmittelwerbers dann nicht für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels, wenn seine materielle Rechtsstellung durch die angefochtene Entscheidung nicht beeinträchtigt ist (RIS-Justiz RS0041868; Sloboda in Fasching/Konecny³§ 514 ZPO Rz 49). Generell fehlt immer dann, wenn ein Beschluss noch keine Rechtsfolgen nach sich zieht, ein Rechtsschutzinteresse an dessen Änderung und damit eine Beschwer (RIS-Justiz RS0006216; Sloboda in Fasching/Konecny³§ 514 ZPO Rz 66).

4.2 Legt man nunmehr den Umstand zugrunde, dass das Gericht erst mit dem Streitbeitritt dessen Schlüssigkeit prüfen kann und der Kläger mit seinem Rekursvorbringen ausschließlich die Klärung des rechtlichen Interesses anstrebt, ist nicht ersichtlich, welche Rechtsfolgen die Annahme des Schriftsatzes durch das Gericht auslösen soll.

4.3 Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass der Kläger schon dadurch einen Streitbeitritt verhindern möchte, dass der Schriftsatz mit der Streitverkündung gar nicht zum Akt genommen wird, verhindert das die Zurückweisung seines Rekurses nicht.

Rechtsmittel gegen die Annahme eines Schriftsatzes bei Gericht sind nämlich unzulässig (RIS-Justiz RS0039846, insb 4 Ob 126/01k und 1 Ob 398/55).

5Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Umstände, die einen Kostenzuspruch nach Billigkeit trotz Unterliegens rechtfertigen könnten, wurden nicht geltend gemacht und ergeben sich auch nicht aus der Aktenlage.

6Die Zurückweisung eines Rekurses stellt zwar grundsätzlich keine betätigende Entscheidung im Sinne des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO dar, allerdings ist auch eine bestätigende Sachprüfung vorgenommen worden (RIS-Justiz RS0044232). Der Rekurs wäre auch inhaltlich nicht berechtigt und der Revisionsrekurs ist daher jedenfalls unzulässig.