JudikaturOLG Linz

3R79/25w – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
09. Juli 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz als Rekursgericht hat durch Senatspräsident Mag. Hans Peter Frixeder als Vorsitzenden sowie Mag. Carina Habringer-Koller und Dr. Gert Schernthanner in der Rechtssache der Klägerin A* , geboren am **, **, **, vertreten durch die Berger Grobovschek Perfeller Rechtsanwälte OG in Salzburg, gegen die Beklagten 1. Verlassenschaft nach DI B* C*, geboren am **, zuletzt wohnhaft in **straße **, **, Schweiz, vertreten durch den Verlassenschaftskurator Dr. D*, Rechtsanwalt in Wien, 2. Dr. E*-C*, geboren am **, ** und 3. F* C*, geboren am **, **straße **, **, beide vertreten durch die CERHA HEMPEL Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Auskunftserteilung und Feststellung (Gesamtstreitwert EUR 392.802,70), über den Rekurs der Klägerin gegen den Beschluss des Landesgerichtes Salzburg vom 3. Juni 2025, Cg*-12, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, der Erstbeklagten die mit EUR 2.473,10 und den Zweit- und Drittbeklagten die mit EUR 3.236,98 (darin EUR 516,83 an 19 %iger deutscher USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt jeweils EUR 30.000,00.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrt von den Beklagten vollständige und wahrheitsgemäße Auskunftserteilung über sämtliche Schenkungen (weltweit), die DI B* C* jemals an die Zweitbeklagte oder an den Drittbeklagten tätigte (einschließlich sämtlicher Schenkungen von Gesellschaftsanteilen, Liegenschaften, Wertpapiere, freiwillige Unterhaltszahlungen, Antiquitäten und Kunstgegenstände), wobei jeweils der Gegenstand und der Zeitpunkt der Schenkung anzugeben seien und die Richtigkeit und Vollständigkeit der Auskunft nach Art XLII Abs 1 EGZPO beeidet werden möge. Zudem begehrt sie die Feststellung, dass die Zweit- und der Drittbeklagte gemäß § 753 ABGB iVm § 781 ABGB bei der Bestimmung der gesetzlichen Erbteile nach DI B* C* verpflichtet seien, sich alles anrechnen zu lassen, was sie von DI B* C* als Schenkung unter Lebenden erhalten haben, wobei die Schenkung zu dem Zeitpunkt zu bewerten sei, zu dem sie wirklich gemacht wurde und bis zum Todeszeitpunkt - daher bis zum 19. April 2019 - der Aufwertung gemäß dem von der Statistik Austria verlautbarten österreichischen Verbraucherpreisindex unterliege. Es möge ferner festgestellt werden, dass der Erbteil der drei Kinder von diesem erhöhten Erbteil zu ermitteln sein werde.

Bereits am 18. November 2024 (und damit bereits vor der hier beim Landesgericht Salzburg am 25. Februar 2025 eingebrachten Klage) brachte die Klägerin beim Friedensrichteramt G* ein Schlichtungsgesuch gegen den Drittbeklagten und die Zweitbeklagte (und die Stiftung H*) ein, in welchem folgendes Begehren geltend gemacht wird.

„Es sei

Das Verfahren beim schweizer Friedensrichteramt ist noch anhängig.

Die Klägerin stützte die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts auf § 77 Abs 1 JN sowie auf Art 10 Abs 1 lit a EU-ErbVO, weil sich Nachlassvermögen in Österreich befinde und weil der Erblasser zum Todeszeitpunkt österreichischer Staatsbürger gewesen sei.

Die Beklagten beantragten die Zurück- bzw Abweisung der Klage und verwiesen unter anderem auf eine Streitanhängigkeit in der Schweiz.

Mit dem angefochtenen Beschluss wurde die Klage zurückgewiesen.

Zur Begründung wurde ausgeführt, dass das LGVÜ 2007 nach dessen Art 1 Abs 2 Z 1 auf dem Gebiet des Erbrechts ausgeschlossen sei. Die Frage der internationalen Streitanhängigkeit (Zuständigkeit) sei nicht nach dem LGVÜ, sondern nach dem Vertrag zwischen der Repubilk Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen vom 16. Dezember 1960 (BGBl Nr. 125/1962) zu beurteilen. Nach Art 8 dieses Vollstreckungsvertrages habe dann, wenn ein Verfahren vor einem Gericht eines der beiden Staaten anhängig sei und die Entscheidung über den Gegenstand dieses Verfahrens im anderen Staat voraussichtlich anzuerkennen sein werde, ein später befasstes Gericht dieses anderen Staates die Durchführung eines Verfahrens über denselben Gegenstand und zwischen denselben Parteien abzulehnen. Art 8 des Vollstreckungsvertrages diene der Verfahrensökonomie und der Rechtssicherheit: Sei eine zwischen den Parteien strittige Frage gerichtlich zu entscheiden, dann solle diese Entscheidung - auch wenn die nationalen Prozessgesetze einen Gerichtsstand in beiden betroffenen Ländern eröffnen - nach Möglichkeit in einem einzigen Verfahren erfolgen, um doppelte Kosten und die Gefahr widersprechender Entscheidungen zu vermeiden. Eindeutiger Zweck der genannten Bestimmung sei es demnach, in beiden Ländern parallel geführte Verfahren zwischen denselben Parteien über denselben Gegenstand zu vermeiden, sofern die gegenseitige Anerkennung der in diesen Verfahren ergehenden Entscheidungen sichergestellt sei.

Ob zwei Verfahren denselben Gegenstand betreffen, sei in erster Linie danach zu beurteilen, welches Rechtsschutzziel die Parteien mit dem jeweiligen Verfahren verfolgen, welches Begehren sie stellen und auf welchen Sachverhalt sie ihre Ansprüche gründen (unter Hinweis auf RS0039347, RS0041229 und RS0037522). Parallelverfahren seien dann unökonomisch und würden die Gefahr unterschiedlicher Entscheidungen über denselben Gegenstand bergen, wenn die Parteien schon in einem einzigen Verfahren alle ihre Rechtsschutzziele vollständig erreichen können.

Im vorliegenden Fall würde sowohl Parteien- als auch Anspruchsidentität vorliegen, da die Klägerin sowohl in der Schweiz als auch in Österreich Auskunft über sämtliche Schenkungen des gemeinsamen Vaters an ihre beiden Geschwister und zwar örtlich uneingeschränkt fordere. Das Schlichtungsgesuch vor dem Friedensrichteramt G*, das unstrittigerweise früher eingebracht worden sei und nach wie vor anhängig sei, löse nach der schweizer Zivilprozessordnung Rechtshängigkeit aus; eine Entscheidung der Friedensrichterin sei in Österreich anerkennungsfähig. Eine Zurückweisung der beim Landesgericht Salzburg später eingebrachten Klage sei daher die Folge.

Zum Feststellungsbegehren sei zudem auszuführen, dass dieses lediglich die Feststellung von Rechtsfolgen beinhalte, die sich ohnehin aus dem Gesetz ergeben und daher nicht feststellungsfähig im Sinn des § 228 ZPO seien. Das Feststellungsbegehren sei schon aus diesem Grund zurückzuweisen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Klägerin aus dem Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom Zurückweisungsgrund der Streitanhängigkeit aufzutragen.

Die erstbeklagte Verlassenschaft sowie die Zweit- und Drittbeklagten erstatteten Rekursbeantwortungen, mit denen sie die Bestätigung des angefochtenen Beschlusses anstreben.

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Klägerin argumentiert, eine Streitanhängigkeit zwischen Österreich und der Schweiz liege gemäß dem Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen vom 16. Dezember 1960 dann vor, wenn ein Rechtsstreit über denselben prozessualen Anspruch und zwischen denselben Parteien sowohl in Österreich als auch in der Schweiz anhängig sei. Ob zwei Verfahren denselben Gegenstand betreffen, sei danach zu beurteilen, welches Rechtsschutzziel die Parteien mit dem jeweiligen Verfahren verfolgen, welches Begehren sie stellen und auf welchen Sachverhalt sie ihre Ansprüche gründen. Im vorliegenden Verfahren unterscheide sich der rechtserzeugende Sachverhalt zwischen dem österreichischen und dem schweizer Verfahren. In Österreich sei das in Österreich gelegene Vermögen Streitgegenstand, in der Schweiz das in der Schweiz gelegene Vermögen. Selbst wenn beide Auskunftsbegehren gleichlautend seien, um das jeweils in der Schweiz bzw in Österreich gelegene Vermögen beanspruchen zu können, sei der Streitgegenstand unterschiedlich. Das Bezirksgericht Salzburg habe etwa im Verlassenschaftsakt zu GZ A* mit Beschluss vom 31. März 2022 ausdrücklich klargestellt, dass das Verlassenschaftsverfahren auf das in Österreich gelegene Vermögen beschränkt sei. Im Umkehrschluss bedeute dies, dass das in der Schweiz durchgeführte Verfahren keine österreichischen Vermögenswerte umfasse. Damit die Klägerin daher sowohl die österreichischen als auch die schweizer Vermögenswerte des Erblassers beanspruchen könne, sei eine Klagsführung sowohl in Österreich als auch in der Schweiz notwendig. Zwischen der schweizer Behörde und dem Landesgericht Salzburg liege daher keine Zuständigkeitskonkurrenz vor.

Zu beachten sei auch, dass das in der Schweiz anhängige Verfahren vor dem Friedensrichteramt G* nach österreichischem Recht beurteilt werde; österreichische Gerichte seien naturgemäß besser in der Lage, die dem österreichischen Recht unterliegenden und rechtlich komplexen Auskunftsbegehren zu beurteilen. Aus prozessökonomischen Gründen sei es daher für sämtliche Streitparteien sinnvoll, das schweizer und nicht das österreichische Verfahren zu unterbrechen.

Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass sich die Rekurswerberin mit der (zutreffenden; § 500a ZPO iVm § 526 Abs 3 ZPO) erstgerichtlichen Begründung, dass das Feststellungsbegehren schon mangels Feststellungsinteresses im Sinn des § 228 ZPO zurückzuweisen ist, nicht befasst. Tatsächlich sollen mit dem vorliegenden Feststellungsbegehren lediglich Rechtsfolgen festgestellt werden, was nach ständiger Judikatur zu § 228 ZPO unzulässig ist (vgl Rechberger/Klicka in Rechberger/Klicka ZPO 5§ 228 ZPO Rz 3ff insb Rz 5).

Im Übrigen ist der Klägerin zu entgegnen, dass sowohl das Klagebegehren in Österreich als auch das Begehren in der Schweiz keinerlei örtliche Einschränkungen enthält, sondern ausdrücklich auf „weltweite“ Auskunftserteilung gerichtet ist. Es ist an Hand des Rekursvorbringens auch nicht ersichtlich, welches Rechtsschutzziel durch die beim Landesgericht Salzburg eingebrachte Klage erreicht werden soll, das sie im zeitlich früher anhängig gemachten schweizer Verfahren nicht erreichen könnte.

Die im Rekurs schließlich angesprochene Frage der Prozessökonomie im Zusammenhang mit einer Unterbrechung des schweizer oder des österreichischen Verfahrens stellt sich gar nicht, weil es im Rekursverfahren nicht um eine Verfahrensunterbrechung, sondern um die Zurückweisung der Klage geht.

Zusammengefasst war damit dem Rekurs nicht Folge zu geben, weil das Erstgericht im Sinn des Art 8 des Vollstreckungsvertrages Österreich - Schweiz vom 16. Dezember 1960 die Durchführung des Verfahrens aus zutreffenden Gründen abgelehnt hat.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf §§ 50, 41 ZPO. Die Leistungen eines österreichischen Rechtsanwalts für einen ausländischen Klienten, der nicht Unternehmer ist und keinen Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Gemeinschaftsgebiet hat, gelten als im Drittlandsgebiet ausgeführt und unterliegen nicht der österreichischen Umsatzsteuer (§ 1 Abs 1 iVm § 3a Abs 14 UStG 1994). Die ausländische Umsatzsteuer kann, soweit nicht notorisch, nur zugesprochen werden, wenn sie im Kostenverzeichnis behauptet und bescheinigt wurde (RS0114955). Eine Bescheinigung über die schweizerische Umsatzsteuer hat die Erstbeklagte nicht erbracht, sodass Kosten für die Rekursbeantwortung ohne Umsatzsteuer zuzusprechen waren (vgl 8 Ob 14/22z). Der Zweit- und dem Drittbeklagten war entsprechend der Kostenverzeichnung in der Rekursbeantwortung die deutsche Umsatzsteuer zuzusprechen.

Die Bewertung des Entscheidungsgegenstandes mit jeweils über EUR 30.000,-- entspricht dem insofern unstrittigen wirtschaftlichen Wert der geltend gemachten Ansprüche (siehe Streitwertbemängelung ON 6).

Der ordentliche Revisionsrekurs war nicht zuzulassen, weil keine Rechtsfragen mit der Qualifikation des § 528 Abs 1 ZPO zu lösen waren.