2R81/25g – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz als Rekursgericht hat durch die Richter Mag. Bernhard Telfser als Vorsitzenden sowie Dr. Werner Gratzl und Mag. Christine Mayrhofer in der Insolvenzeröffnungssache der Antragstellerin Sozialversicherung der Selbständigen, **straße **, **, wider den Antragsgegner A* , geboren am **, **, **straße **, **, vertreten durch Mag. Wolfgang Lackner, Rechtsanwalt in Linz, über den Rekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichtes Wels vom 11. April 2025, Se*-8, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Text
Begründung:
Die Antragstellerin beantragte mit Schriftsatz vom 21. Februar 2025 über das Vermögen des Antragsgegners das Insolvenzverfahren zu eröffnen. Laut beiliegenden Rückstandsausweis schulde er für den Zeitraum ab 01.04.2022 bis 31.12.2024 einen fälligen Beitragsrückstand in Höhe von EUR 10.719,64 zuzüglich EUR 1.005,86 an Nebengebühren und Verzugszinsen und weiterer Verzugszinsen seit 22.02.2025. Der Vollzug sei mangels pfändbarer Gegenstände erfolglos geblieben.
Die amtswegigen Erhebungen des Erstgerichts ergaben zum Abfragezeitpunkt 17.03.2025 zwölf offene Exekutionsverfahren. Aus dem Grundbuchsauszug ist ein Liegenschaftsbesitz des Antragsgegners (Hälfteeigentum an der EZ ** der KG **) ersichtlich. Sein Anteil ist mit einem Pfandrecht über EUR 62.000,00 und zwei weiteren Höchstbetragshypotheken von EUR 200.000,00 und EUR 33.000,00 belastet.
Weiters liegt ein Vermögensverzeichnis nach § 47 EO (zu E* des BG Wels) vor. Darin scheint eine Unterhaltspflicht für ein neunjähriges Kind auf. An Vermögen werden das genannte Hälfteeigentum, Bargeld in Höhe von EUR 100,00 und drei PKW älteren Baujahrs genannt. Das Vermögensverzeichnis datiert mit 11.11.2024.
Zur Einvernahmetagsatzung am 18.03.2025 ist der Schuldner nicht erschienen. Die Zustellung des Insolvenzeröffnungsantrags samt Ladung zur Einvernahmetagsatzung ist durch Hinterlegung zur Abholung ab 27.02.2025 ausgewiesen.
Mit Beschluss vom 18.03.2025 erging die Einladung an den Antragsgegner, Einwendungen gegen die vorliegende Zahlungsunfähigkeit mitzuteilen. Auch teilte das Erstgericht mit, dass kostendeckendes Vermögen nicht mit Sicherheit vorhanden sei. Das Insolvenzverfahren werde aber dennoch eröffnet, wenn die Antragstellerin oder der Schuldner binnen 14 Tagen einen Kostenvorschuss in Höhe von EUR 4.000,00 erlege. Dieser Beschluss wurde am 21.03.2025 von einem Mitbewohner übernommen.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 11. April 2025, ON 8, stellte das Erstgericht die Zahlungsunfähigkeit des Antragsgegners fest und wies den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens ab. In seiner Begründung verwies es darauf, dass das Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit bzw Überschuldung nicht zu bezweifeln sei; es lägen zahlreiche Exekutionsverfahren verschiedener Gläubiger länger als drei Monate und das Vermögensverzeichnis vom 11.11.2024 vor. Die weitere Voraussetzung für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, nämlich das Vorhandensein kostendeckenden Vermögens liege nicht vor. Ein Kostenvorschuss sei nicht erlegt worden und es stehe auch nicht fest, das Vermögen vorhanden sei, aus dem er hereingebracht werden könne. Dieser Beschluss wurde derart zugestellt, dass er abermals von einem Mitbewohner am 15.04.2025 übernommen wurde.
Mit Schriftsatz vom 24.04.2025 zog die Antragstellerin ihren Insolvenzeröffnungsantrag zurück, weil am 23.04.2025 eine Zahlungsvereinbarung abgeschlossen worden sei.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der unbeantwortete Rekurs des Antragsgegners gleichen Datums mit dem Abänderungsantrag, der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens möge gemäß § 70 Abs 4 IO abgewiesen werden.
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Der Antragsgegner macht eingangs geltend, er sei deswegen nicht zur Einvernahmetagsatzung erschienen, weil er von der durch Hinterlegung zugestellten Ladung tatsächlich keine Kenntnis erlangt habe.
Diese Kritik ist nicht geeignet, die Rechtswirksamkeit der Hinterlegung weiter überprüfen zu müssen; eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand findet gemäß § 259 Abs 4 IO ohnehin weder gegen die Versäumung einer Tagsatzung noch gegen die Versäumung einer Frist statt. Besteht nämlich über die Zustellung durch Hinterlegung eine öffentliche Urkunde, macht diese zunächst vollen Beweis darüber, dass die darin beurkundeten Zustellvorgänge auch eingehalten wurden. Es ist Sache dessen, demgegenüber die Zustellung nicht wirksam sein soll, den Gegenbeweis der Vorschriftswidrigkeit der Hinterlegung zu führen (RIS-Justiz RS0040471). Das Führen des Gegenbeweises der Vorschriftswidrigkeit der Hinterlegung setzt das Aufstellen entsprechender Behauptungen über die beim Zustellvorgang unterlaufenen Fehler voraus [T1]. Dazu bedarf es aber konkreter Darlegungen über den Zustellmangel und eines entsprechenden Bescheinigungsangebots. Die Zustellmängel müssen vom Adressaten zumindest glaubhaft gemacht werden [T9]. Voraussetzung der wirksamen Ersatzzustellung ist es, dass der Zusteller Grund zur Annahme hatte, dass sich der Empfänger regelmäßig an der abgebenden Stelle aufhält. An dieses Erfordernis sind keine all zu strengen Anforderungen zu stellen (RIS-Justiz RS0083901). Das Risiko, dass das Zustellstück dem Empfänger vom Ersatzempfänger nicht ausgehängt wird, trifft den Empfänger, hindert aber die Wirksamkeit der Zustellung nicht (RIS-Justiz RS0083880 [T2]).
Insofern wird das pauschal und unkonkret gebliebene Rekursvorbringen den genannten Erfordernissen an die Behauptungslast des Empfängers nicht gerecht. Darüber hinaus vermochte der Antragsgegner auch in seiner dazu stattgefundenen Befragung keine plausiblen Gründe darzustellen. Seine Ausführungen sind mit den schriftlich dokumentierten Zustellvorgängen nicht in Einklang zu bringen. Abgesehen davon räumte der Antragsgegner in seiner Einvernahme vom 08.05.2025, ON 10, ohnehin ein, dass er selbstverständlich trotz eines in ** fertigzustellenden Auftrags nach Hause zurückgekehrt sei.
Zusammengefasst ist daher von einer rechtswirksamen Zustellung des Insolvenzantrags und der Ladung zur Einvernahmetagsatzung an den Antragsgegner auszugehen. Dies hat zur Folge, dass die Frage der Zahlungs(un)fähigkeit vom Rekursgericht grundsätzlich nur auf Basis der bei erstinstanzlicher Beschlussfassung gegebenen Aktenlage geprüft werden kann, weil der Schuldner die Vernehmungstagsatzung unbesucht ließ. Nach § 259 Abs 2 IO können nämlich Anträge, Erklärungen und Einwendungen, zu deren Anbringung eine Tagsatzung bestimmt ist, von den nicht erschienenen, gehörig geladenen Personen nachträglich nicht mehr vorgebracht werden. Somit ist es dem Schuldner verwehrt, im Rekurs gegen die Entscheidung über den Insolvenzeröffnungsantrag Neuerungen – insbesondere solche betreffend die Tatfrage seiner Zahlungs-(un)fähigkeit – vorzubringen, wenn er der Ladung zur Tagsatzung über den Konkursantrag bzw zu seiner Vernehmung keine Folge geleistet hat (Mohr, IO [2012], § 70 E 212 und § 71c E 14; OLG Linz 8.10.2013, 2 R 158/13p; 11 21.8.2014, 2 R 133/14p uva; OLG Graz 3 R 154/14p, ZIK 2015/37; RIS-Justiz RS0110967 T6 und RS0115313).
Das Rekursvorbringen, der Antragsgegner habe zwischenzeitig sämtliche Gläubiger befriedigen oder zumindest Stundungsvereinbarungen treffen können und er habe die exekutiven Gläubiger einschließlich der Antragstellerin gänzlich befriedigt, verstößt daher gegen das gemäß § 259 Abs 2 IO geltende Neuerungsverbot und ist daher unbeachtlich.
Dieses Neuerungsverbot steht auch der Prüfung des Vorliegens kostendeckenden Vermögens erst nach dem Zeitpunkt der Beschlussfassung entgegen, wenn der Rekurswerber nunmehr erstmalig geltend macht, es liege ausreichendes kostendeckendes Vermögen vor, denn er verfüge auf seinem Girokonto bereits über ein jederzeit verfügbares Guthaben in Höhe von EUR 12.977,24, welches zur Deckung der Verfahrenskosten ausreiche; Er sei in der Lage und bereit, einen Kostenvorschuss in der vorgeschriebenen Höhe zu leisten. Dazu legt er einen Kontoauszug datierend vom 24.04.2025, also der Beschlussfassung erster Instanz nachfolgend, vor.
Mit diesen Ausführungen macht der Rekurswerber nicht etwa einen Verfahrensmangel des Inhalts geltend, das Erstgericht habe das Vorliegen kostendeckenden Vermögens nicht ausreichend geprüft, vielmehr wird damit ein erst nach Beschlussfassung erster Instanz neu entstandener Umstand geltend gemacht. Selbst wenn § 259 Abs 2 IO nicht zur Anwendung gelangte, bezöge sich die Neuerungserlaubnis im Rekurs nach § 260 Abs 2 IO auf nova reperta, also Tatsachen, die im Beschlusszeitpunkt bereits entstanden waren sowie auf neue Beweismittel, sofern sie sich auf eine bereits entstandene Tatsache beziehen. Dies alles liegt hier nicht vor.
Trotz der grundsätzlichen Ausrichtung auf Nichtunternehmer gelten die §§ 181 ff IO für alle natürliche Personen. So enthält § 183 IO eine Ausnahme von Kostendeckungsprinzip für Insolvenzverfahren von natürlichen Personen. § 183 IO regelt ausschließlich die Möglichkeit der Eröffnung ohne kostendeckendes Vermögen. § 183 IO ist auch bei einem Gläubigerantrag anzuwenden, wobei die Initiative für die Eröffnung des Konkursverfahrens nach § 183 IO vom Schuldner ausgehen muss. Ihm ist daher im Rahmen seiner Einvernahme zum Gläubigerantrag (§ 70 Abs 2) Gelegenheit zu geben, die Voraussetzungen des § 183 IO zu erfüllen (vgl Blatt in KLS IO 2 , § 181 Rz 1 und zu § 183 Rz 1 und 3).
Nun hat aber der Antragsgegner trotz der ihm im Rahmen seiner Einvernahme zum Gläubigerantrag gegebenen Gelegenheit, die Voraussetzungen für die Ausnahme von Kostendeckungserfordernis zu erfüllen, nicht wahrgenommen. Es kann daher auch diesfalls wegen § 259 IO im Rekursverfahren darauf nicht mehr Bedacht genommen werden.
Auch dass die Antragstellerin (SVS) ihren Antrag zurückgezogen hat, ist gemäß § 70 Abs 4 IO nicht zu berücksichtigen. Die Zurückziehung des Insolvenzeröffnungsantrags ist verfahrensrechtlich unwirksam und das Insolvenzeröffnungsverfahren ungeachtet dieser Erklärung fortzusetzen (Schumacher in KLS, IO 2, § 70 Rz 54). Ebenso war die – ohnehin nur teilweise - Befriedigung der dem Insolvenzantrag zugrundeliegenden Forderung nach § 70 Abs 4 IO nicht zu berücksichtigen. Aufgrund des bereits mehrfach erwähnten Neuerungsverbots muss die Frage, ob der Antragsgegner im Rekurs ein allgemeines Zahlenkönnen bescheinigen konnte, ausgeklammert bleiben; entscheidungserheblich war nur der dem angefochtenen Beschluss zugrunde gelegte Sachverhalt (vgl Schumacher, aaO, Rz 58).
Aufgrund der unzulässigen Neuerungen bleibt der Rekurs erfolglos und ist die Nichteröffnung zu bestätigen (Schneider in Konecny, IO § 71 Rz 59 f).
Der Revisionsrekurs ist gemäß §§ 252 IO iVm 528 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig.