JudikaturOLG Linz

6R79/25t – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
02. Juli 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht hat durch die Senatspräsidentin Mag. Edeltraud Kraupa als Vorsitzende sowie Dr. Karin Gusenleitner-Helm und Mag. Hermann Holzweber in der Rechtssache des Klägers A* , geboren am **, Immobilienmakler, **straße **, **, vertreten durch Mag. Torsten Gierlinger, Rechtsanwalt in Linz, gegen die Beklagte B* GmbH Co KG , ** Straße **, **, Deutschland, vertreten durch Sattlegger, Dorninger, Steiner Partner, Rechtsanwälte in Linz, wegen EUR 12.500,00 sA und Feststellung (Streitwert: EUR 5.000,00), über die Berufung des Klägers (Berufungsinteresse: EUR 17.500,00 sA) gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 30. April 2025, Cg*-29, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten binnen 14 Tagen die mit EUR 2.089,32 (darin EUR 348,22 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.

Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt EUR 5.000,00, nicht jedoch EUR 30.000,00.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 11. Juni 2020 erwarb der Kläger von der Beklagten online das „Gestell **, mit **“ mit Produktnummer ** zum Preis von EUR 165,07. Herstellerin der Hängematte ist die C* Co Ltd. Die Beklagte vertrieb das Produkt. Im Juli 2023 brach das Holz des „Gestells“.

Die Montage wurde korrekt nach Anleitung durchgeführt und auch die Verschraubungen waren in Ordnung. Die Anwendung des gegenständlichen PU-Klebers (Leim) war geeignet. Laut Beschreibung des Herstellers (Warn- und Sicherheitshinweise) sollte der Benutzer vor jeder Verwendung der Hängematte die Sicherheit und Stabilität überprüfen. Das Holz und die Leimfugen wurden durch das Eindringen von Wasser (teilweise nicht ablaufendes Wasser, Schnee oder Tauwasser) punktuell geschwächt, sodass es zum Bruch des Holzes und der Leimfuge kam. Ohne den starken Verwitterungszustand hätten die Leimfugen und Verschraubungen gehalten.

Ob und inwieweit der Kläger die Hängematte gemäß der Gebrauchsanleitung gepflegt und ordnungsgemäß benutzt bzw abgedeckt hat, kann nicht festgestellt werden.

Jedenfalls ist der Bruch nicht auf einen Produktfehler oder auf ein schuldhaftes Verhalten der Beklagten zurückzuführen. Sowohl die Holzkonstruktion als auch das Gestell entsprachen dem Stand der Technik.

Der Kläger begehrte – gestützt auf Gewährleistung, Produkthaftung und Schadenersatz – die Zahlung von EUR 12.500,00 sA (EUR 10.000,00 Schmerzengeld sowie EUR 15.000,00 Verunstaltungsentschädigung, davon aus advokatorischer Vorsicht jeweils 50 %) sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für sämtliche zukünftige, derzeit nicht bekannte Schäden aus dem Sturzereignis vom 10. Juli 2023. Dazu brachte er zusammengefasst vor, er sei am 10. Juli 2023 infolge eines Bruchs des Tragebalkens der Hängematte, in welcher er gelegen sei, zu Boden gestürzt und habe sich verletzt. Er habe zwei Wochen lang an mittelstarken Schmerzen und weitere zwei Wochen an leichten Schmerzen gelitten sowie eine unansehnliche Narbe im Gesicht davongetragen. Überdies leide der Kläger bis heute an den psychischen Folgen des Unfalls und der Narbe im Gesicht, zumal er als Immobilienmakler im ständigen Kontakt mit Kunden stehe. Das Gestell der Hängematte habe er immer äußerst pfleglich behandelt.

Als Verkäuferin und Herstellerin oder Importeurin treffe die Beklagte das Verschulden am Schaden bzw die (Produkt)Haftung wegen des im Sinne des § 5 PHG objektiv fehlerhaften Produkts. Die Herstellereigenschaft habe die Beklagte zudem anerkannt.

Die Beklagtebestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte ein, sie sei weder die Herstellerin der Hängematte noch habe das von ihr verkaufte Produkt einen Fehler im Sinne des PHG aufgewiesen. Vielmehr sei das Produkt bei der Lieferung mangelfrei gewesen und eine etwaig entstandene Mangelhaftigkeit dem Kläger wegen nicht ordnungsgemäßer Pflege und Wartung zuzurechnen. Ferner passe das Verletzungsbild des Klägers nicht zu dem von ihm geschilderten Sachverhalt und sei seine Forderung maßlos überhöht und unangemessen. Jegliche Gewährleistungsansprüche seien zudem verfristet. Das Feststellungsbegehren sei verfehlt.

Mit dem angefochtenen Urteilwies das Erstgericht die Klage ab und verpflichtete den Kläger zum Kostenersatz über EUR 5.467,02. Es legte den auf US 2 bis 3 ersichtlichen Sachverhalt zugrunde, auf den gemäß § 500a ZPO verwiesen werden kann. Die für das Berufungsverfahren wesentlichen Feststellungen wurden bereits eingangs wiedergegeben.

In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht zusammengefasst aus, dass eine Haftung der Beklagten nach dem PHG mangels Produktfehlers im Inverkehrbringungs- bzw Verkaufszeitpunkt ausscheide. Allfällige Gewährleistungsansprüche scheiterten einerseits am Fehlen eines Produktfehlers, anderseits an der abgelaufenen Gewährleistungsfrist nach § 933 Abs 1 ABGB aF. Ein Schadenersatzanspruch bestehe nicht, zumal der Bruch des Tragebalkens nach den Feststellungen auf das Eindringen von Wasser nach Übergabe der Hängematte zurückzuführen sei und es damit an einem objektiv sorgfaltswidrigen Verhalten der Beklagten fehle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit einem auf Klagsstattgabe gerichteten Abänderungsantrag. Hilfsweise stellt er einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag.

Die Beklagte strebt in ihrer Berufungsbeantwortung die Bestätigung des Ersturteils an.

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Zur Mängelrüge

1.1. In seiner Mängelrüge moniert der Kläger, dass das Erstgericht ihn – nachdem er aus Krankheitsgründen nicht zu seiner für die letzte Tagsatzung am 10. April 2025 geplanten Parteienvernehmung erscheinen habe können – nicht einvernommen habe. Durch seine Einvernahme hätte er beweisen können, dass er die Hängematte nicht nur im Winter, sondern auch bei Schlechtwetterlagen im Sommer immer wasserdicht abgedeckt habe. Hätte das Erstgericht den Kläger diesen Beweis erbringen lassen, hätte dies berechtigte Zweifel an der Richtigkeit des Gutachtens erweckt, zumal der Sachverständige im Rahmen der mündlichen Gutachtenserörterung eingeräumt habe, nicht nachvollziehen zu können, wie das Gestell tatsächlich verwahrt worden sei. Auch habe der Sachverständige das Lichtbild Beilage ./B übergangen, auf dem weder Moos noch Verwitterungserscheinungen am „Gestell“ ersichtlich seien. Durch die Einholung eines weiteren – allerdings nicht beantragten – Gutachtens wäre das Erstgericht zu der Feststellung gelangt, dass der Kläger das Hängemattengestell äußerst pfleglich und nicht unsachgemäß behandelt habe.

1.2.Der Rechtsmittelwerber muss in der Berufung nachvollziehbar aufzeigen, in welcher Hinsicht sich bei Unterbleiben des behaupteten Verfahrensfehlers eine abweichende Sachverhaltsgrundlage ergeben hätte (RS0043039 [T5]). Die gesetzmäßige Ausführung des Berufungsgrundes der Mangelhaftigkeit (hier wegen Unterlassung der Parteienvernehmung) erfordert daher, dass der Berufungswerber die für die Entscheidung wesentlichen Feststellungen anführt, die (hier infolge der Parteienvernehmung) zu treffen gewesen wären. Er wird hievon nicht dadurch befreit, dass er im Verfahren erster Instanz die Beweisthemen angegeben hatte, zu denen er die Parteienvernehmung beantragte (RS0043039).

1.3. Der Kläger führt in seiner Berufung aus, das Erstgericht wäre bei Unterbleiben des Verfahrensmangels zu der Feststellung gelangt, dass er das Hängemattengestell äußerst pfleglich und nicht unsachgemäß behandelt habe. Damit wäre für den Kläger aber nichts gewonnen, weil aufgrund des Sachverständigengutachtens feststeht, dass Ursache des Bruches des Holzes und der Leimfuge punktuell geschwächtes Holz durch eindringendes Wasser war.

Die Klärung der Schadensursache ist aber eine Sachverständigenfrage, wobei das Gutachten nicht durch die Parteienvernehmung entkräftet werden kann. Zudem schließt eine grundsätzlich sorgfältige Behandlung und Abdeckung der im Freien gelagerten Hängematte punktuelles Eindringen von Wasser nicht schlechthin aus, man denke an plötzlich auftretende Gewitter in Abwesenheit des Klägers, Stürme etc.

Damit zeigt der Kläger nicht auf, dass sich bei Durchführung seiner Parteienvernehmung eine für ihn günstigere Sachverhaltsgrundlage ergeben hätte.

1.4.Vom Kläger wurde weder ein Beweisantrag auf neuerliche Begutachtung im Sinne des § 362 Abs 2 erster Satz ZPO gestellt, noch hat er Bedenken an dem vorliegenden Sachverständigengutachten geäußert, das als Schadensursache geschwächtes Holz durch eindringendes Wasser festhielt.

Eine implizit durch den Kläger angestrebte neuerliche Begutachtung wäre nach § 362 Abs 2 erster Satz ZPO nur dann angezeigt, wenn sich das abgegebene Gutachten als ungenügend erweist ( Schneider in Fasching/Konecny³, III/1, § 362 ZPO Rz 3). Ungenügend ist ein Gutachten nur, wenn es unschlüssig, lückenhaft, unrichtig oder widersprüchlich ist ( Spitzer in Spitzer/Wilfinger, Beweisrecht § 362 ZPO Rz 4).

Derartige Unklarheiten, Lücken, Unrichtigkeiten oder Widersprüche des Gutachtens zeigte der Kläger jedoch weder auf, noch liegen sie nach Ansicht des Berufungsgerichts vor. Der Umstand, dass der Sachverständige zu der konkreten Verwahrung des Hängemattengestells keine Aussage treffen konnte, ist dem geschuldet, dass darüber – ohne in der Vergangenheit konkrete Wahrnehmungen darüber gemacht zu haben – keine seriöse Aussage getroffen werden kann und begründet dies keine Lücke oder Unklarheit des Gutachtens an sich.

1.5.Zuletzt gilt anzumerken, dass ein Beweisantrag zwar nicht mit der Begründung abgewiesen werden darf, das Gericht sei bereits vom Gegenteil überzeugt oder der beantragte Beweis sei voraussichtlich unergiebig oder unglaubwürdig. Dies stellt eine unzulässige „vorgreifende Beweiswürdigung“ dar. Das Gericht muss – um diesen primären Verfahrensmangel zu verwirklichen – Feststellungen zu einem bestimmten, rechtlich relevanten Beweisthema getroffen haben, obwohl es nicht alle vom Berufungswerber dazu angebotenen Beweise aufgenommen hat, insbesondere weil es die nicht aufgenommenen Beweise von vornherein (also vorgreifend) als unergiebig oder unglaubwürdig einschätzt (RI0100225, RS0043308).

Ungeachtet dessen, dass das Erstgericht (mangels Beweisaufnahme zu diesem Thema unzulässigerweise) eine Negativfeststellung zur Frage der konkreten Pflege und Verwahrung des Hängemattengestells durch den Kläger getroffen hat, ist gegenständlich dennoch kein derartiger Verfahrensmangel in der unterlassenen Parteienvernehmung begründet. Das Erstgericht hat in seinen beweiswürdigenden Erwägungen zu dieser Negativfeststellung nämlich zutreffend festgehalten, dass es derselben angesichts der aufgrund des Gutachtensergebnisses getroffenen, unbekämpften Feststellung, wonach der Bruch auf das Eintreten von Wasser zurückzuführen sei, gar nicht bedürfe. Diese Ansicht teilt auch das Berufungsgericht, weshalb die Nichtaufnahme eines angebotenen Beweises zu einem rechtlich nicht relevanten bzw unerheblichen Beweisthema zulässigerweise erfolgte. Insofern scheitert die Mängelrüge ferner an der abstrakten Eignung des Mangels, die Unrichtigkeit der Entscheidung zum Nachteil der rügenden Partei herbeizuführen (RS0043049).

1.6. Die Mängelrüge ist daher nicht erfolgreich.

2. Zur Rechtsrüge

2.1. Unter der Behauptung des Vorliegens eines sekundären Feststellungsmangels meint die Berufung, das Erstgericht habe aufgrund unrichtiger rechtlicher Beurteilung des Begriffs des Produktfehlers keine Feststellung zum in der Gebrauchsanweisung fehlenden Hinweis, wonach das Hängemattengestell jederzeit vor Regen und/oder sonstigem Wasserkontakt zu schützen sei, getroffen. Festzustellen sei:

In der Bedienungsanleitung (Montageanleitung; Beilage ./D) ist kein Warnhinweis vorhanden, dass das Hängemattengestell jederzeit vor Regen und/oder vor sonstigem Wasserkontakt (zB Spritzwasser) zu schützen ist.

2.2. Diese Wunschfeststellungen können nicht getroffen werden. Ungeachtet der Frage, ob und bejahendenfalls bis zu welchem Zeithorizont, in der natürlichen Beschaffenheit eines wie hier durchaus bekannten Werkstoffes gelegene witterungsbedingte Veränderungen einen Produktfehler begründen können, mangelt es an korrespondierenden erstinstanzlichen Prozessbehauptungen des Klägers. Das Vorbringen des Klägers beschränkte sich im Wesentlichen darauf, dass er das Hängemattengestell äußerst pfleglich, sogar mit Holzschutzmitteln behandelt und sowohl im Winter als auch bei Schlechtwetterlagen im Sommer unter einer wetterfesten Plane verwahrt habe. Dass die Beklagte – wie nunmehr in der Berufung ausgeführt – durch fehlende Hinweise gegen eine wie auch immer geartete Aufklärungs- bzw Hinweispflicht verletzt habe, wurde im erstinstanzlichen Verfahren nie behauptet.

2.3.Damit verstößt der Kläger gegen das Neuerungsverbot im Berufungsverfahren und sind seine diesbezüglichen Berufungsausführungen daher von vornherein unbeachtlich, sodass das Fehlen diesbezüglicher Feststellungen keinen sekundären Feststellungsmangel zu begründen vermag (RS0053317 [T4]).

2.4. Da sich die Ausführungen des Klägers in seiner Rechtsmittelschrift als nicht stichhaltig erweisen, war auch der Rechtsrüge ein Erfolg zu versagen.

3.1. Der Berufung musste aus diesen Gründen insgesamt ein Erfolg versagt bleiben.

3.2.Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 50, 41 ZPO.

3.3. Der Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstandes orientiert sich an der unbeanstandet gebliebenen Bewertung des Klagebegehrens durch den Kläger.

3.4.Die ordentliche Revision war gemäß § 502 Abs 1 ZPO nicht zuzulassen, weil keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zu lösen war.