13Nc10/25f – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz hat durch den Präsidenten Dr. Helmut Katzmayr als Vorsitzenden sowie die weiteren Richter Mag. Stefan Riegler und Dr. Patrick Eixelsberger in der Rechtssache der Klägerin Mag. A*, LL.B., P LL.M. als Insolvenzverwalterin im Insolvenzverfahren über das Vermögen der B* GmbH, **gasse **, **, vertreten durch die Wildmoser/Koch Partner Rechtsanwälte GmbH in 4020 Linz, wider die Beklagte C* GmbH, FN **, **, **, vertreten durch die Rechtsanwälte Grassner, Lenz, ThewangerPartner in 4020 Linz, Cg* des Landesgerichtes Steyr, 1 R 58/25t des Oberlandesgerichtes Linz, über die Selbstanzeige gemäß § 22 GOG des Richters des Oberlandesgerichtes Linz Dr. D* in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Spruch
Der Richter des Oberlandesgerichtes Linz Dr. D* ist hinsichtlich der Entscheidung im Berufungsverfahren zu 1 R 58/25t befangen .
Text
Begründung
Im beim Landesgericht Steyr zu Cg* anhängigen Verfahren beantragte die Beklagte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Klagebeantwortung sowie in eventu die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Notfrist zur Erhebung eines Widerspruchs gegen das Versäumungsurteil vom 25. September 2024.
Das Landesgericht Steyr wies die Anträge mit Beschluss vom 17. April 2025 ab. Dagegen richtet sich der Rekurs der Beklagten, mit der sie primär die Stattgebung ihres Antrags auf Wiedereinsetzung des Verfahrens in den Stand vor Versäumung der Frist zur Beantwortung der Klage vom 8. August 2024 und in eventu die Stattgebung jenes Antrags gerichtet auf Wiedereinsetzung des Verfahrens in den Stand vor Versäumung der Notfrist zur Erhebung eines Widerspruchs gegen das Versäumungsurteil vom 25. September 2024 anstrebt.
Nach der Geschäftsverteilung des Oberlandesgerichtes Linz ist dessen erster Senat für die Entscheidung über die Berufung zuständig. Der diesem Senat angehörende Richter Dr. D* zeigte den Anschein seiner Befangenheit an, weil er mit jenem Mitarbeiter der Beklagten seit über zehn Jahren aufgrund zahlreicher Tennisbegegnungen bekannt sei, welcher für die Versäumung der Fristen – wenngleich nach dem Erstgericht nicht in rechtlicher Hinsicht, so doch auf Tatsachenebene – verantwortlich zeichne. Hinzu komme, dass sich in den letzten eineinhalb Jahren der Kontakt zu diesem Mitarbeiter der Beklagten intensiviert habe, weil die jeweiligen Kinder in derselben Tennisschule und teilweise auch gemeinsam trainierten. Die beiden Kinder spielten auch im selben Meisterschaftsteam und hätten erst vor wenigen Wochen ein gemeinsames Doppel bestritten. Dadurch komme es fast wöchentlich zu Treffen zwischen Dr. D* und dem Mitarbeiter der Beklagten und dementsprechend immer wieder auch zu kurzen Gesprächen. Dr. D* wies auf den seiner Ansicht nach zumindest bestehenden Anschein einer Befangenheit hin.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 19 JN kann ein Richter in bürgerlichen Rechtssachen abgelehnt werden oder eine Selbstanzeige gemäß § 22 GOG erstatten, wenn er im gegebenen Fall nach dem Gesetz von der Ausübung richterlicher Geschäfte ausgeschlossen ist (Z 1 leg cit) oder wenn ein zureichender Grund vorliegt, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen (Z 2 leg cit).
Befangen ist ein Richter, der nicht unparteiisch entscheidet, sondern sich von unsachlichen psychologischen Motiven leiten lässt (RIS-Justiz RS0046024 [T2, T3]). Als Befangenheitsgründe kommen in erster Linie private persönliche Beziehungen zu einer der Prozessparteien oder zu ihren Vertretern in Betracht, die ein Naheverhältnis begründen, das bei objektiver Betrachtung zumindest geeignet ist, den Anschein einer Voreingenommenheit zu begründen ( Mayr aaO§ 19 JN Rz 6 mwN; RS0045935 [T1]). Im Interesse des Ansehens der Justiz ist bei der Beurteilung, ob Befangenheit vorliegt, ein strenger Maßstab anzuwenden (RS0045949). Es genügt, dass eine Befangenheit mit Grund befürchtet werden muss oder dass bei objektiver Betrachtungsweise auch nur der Anschein einer Voreingenommenheit entstehen könnte (RS0045949 [T2]).
Es ist im Allgemeinen ein Befangenheitsgrund anzunehmen, wenn ein Richter selbst seine Befangenheit anzeigt (RIS-Justiz RS0046053). Letztlich liefe es nämlich dem Interesse der Parteien an einem objektiven Verfahren zuwider, wenn ihre Angelegenheit von einem Richter entschieden würde, der selbst Bedenken dagegen äußert, eine unvoreingenommene Entscheidung treffen zu können (RS0046053 [T5]). Von einem Befangenheitsgrund ist grundsätzlich auch dann auszugehen, wenn der anzeigende Richter bloß die Möglichkeit des objektiven Anscheins für gegeben erachtet (RS0046053 [T6]). Nur ausnahmsweise wird bei Selbstmeldung eines Richters eine Befangenheit nicht gegeben sein, etwa bei Missbrauch oder wenn die angegebenen Umstände ihrer Natur nach nicht geeignet sind, eine Befangenheit zu begründen (RS0046053 [T4]).
In gegenständlicher Stellungnahme erachtete sich Dr. D* zwar nicht (explizit) als persönlich befangen. Allerdings ist es nicht von der Hand zu weisen, dass bei einer Partei Zweifel an der Objektivität aufkommen können, wenn sie im Nachhinein erfährt, dass einer der zuständigen Richter regelmäßige Tennisbegegnungen mit dem Mitarbeiter des beklagten Unternehmens unterhält, dem ein Fehlverhalten vorgeworfen wird, bzw. deren Kinder intensiv miteinander trainierten und Wettkämpfe bestritten. Dieser Umstand kann auch dann eine Befangenheit begründen, wenn der Mitarbeiter selbst weder Partei des Verfahrens ist, noch ihm persönlich Fehler vorgeworfen werden. Schließlich berühren die erhobenen Vorwürfe zumindest mittelbar seine (organisatorische) Verantwortung und damit auch seine beruflichen Interessen. Ein seiner Natur nach zur Begründung einer Befangenheit ungeeigneter Umstand liegt daher nicht vor. Die Befangenheitsanzeige ist somit begründet, da aufgrund der vom Richter dargestellten Konstellation bei objektiver Betrachtungsweise der Anschein einer Voreingenommenheit entstehen könnte (RIS-Justiz RS0046076 [insb. T14]), weshalb die Befangenheit des Richters festzustellen ist. Hinweise auf eine missbräuchliche Meldung sind nicht erkennbar.
Vor dem Hintergrund des im Interesse des Ansehens der Rechtsprechung anzulegenden strengen Maßstabs ist bei Dr. D* – auch wenn diesem trotz der vorliegenden Nahebeziehung ohne Weiteres eine unbefangene Entscheidung zuzutrauen ist – vom Anschein einer Befangenheit auszugehen.
Gemäß § 24 Abs 2 JN findet gegen diese Entscheidung kein Rechtsmittel statt.