9Bs102/25a – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Dr. Engljähringer als Vorsitzende und Mag. Kuranda und den Richter Mag. Huemer-Steiner in der Strafsache gegen A*wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Berufung der Angeklagten wegen Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 4. März 2025, Hv*-49, nach der in Anwesenheit des Ersten Staatsanwalts Mag. Neher (als Vertreter des Leitenden Oberstaatsanwalts), der Angeklagten und ihres Verteidigers Mag. Macheiner durchgeführten Berufungsverhandlung am 18. Juni 2025 zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird teilweise Folge gegeben;
das angefochtene Urteil wird in seinem Verfallsausspruch dahin abgeändert, dass A* verpflichtet wird, einen gemäß § 20 Abs 3 StGB für verfallen erklärten Betrag von 90.000 Euro zu bezahlen.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde A* des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, der Vergehen der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster Satz SMG und der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG schuldig erkannt.
Nach dem Schuldspruch hat die Angeklagte in ** und andernorts vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Speed (Wirkstoff: Amphetamin) mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von zumindest 13,87%, Cannabiskraut (Wirkstoff: Delta-9-THC und THCA) mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 0,54% Delta-9-THC und 7,09% THCA sowie Kokain (Wirkstoff: Cocain) mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 75,83%, und zwar
I. von Herbst 2023 bis 9. November 2024 in zahlreichen Angriffen insgesamt zumindest 200 Gramm Kokain zum persönlichen Gebrauch erworben und bis zum jeweiligen Eigenkonsum besessen;
II. von einem unbekannten Zeitpunkt bis 9. November 2024 161,4 Gramm Speed, enthaltend 22,38 Gramm reines Amphetamin, weitere 11,7 Gramm Speed brutto sowie 157,3 Gramm Cannabiskraut, enthaltend 0,84 Gramm Delta-9-THC und 11,15 Gramm THCA, sohin Suchtgift in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge mit dem Vorsatz erworben, besessen und befördert, dass es in Verkehr gesetzt werde;
III. von zumindest Herbst 2023 bis 9. November 2024 in zahlreicher Angriffen in Teilmengen insgesamt zumindest 2.030 Gramm Speed, enthaltend 281,56 Gramm reines Amphetamin, zumindest 6.850 Gramm Cannabiskraut, enthaltend 36,99 Gramm Delta-9-THC und 485,66 Gramm THCA, und zumindest 250 Gramm Kokain, enthaltend 189,57 Gramm Cocain, sohin Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge übersteigenden Menge, bekannten und unbekannten Suchtgiftabnehmern zu Preisen von zumindest 10 Euro pro Gramm Speed, zumindest 6,50 Euro pro Gramm Cannabiskraut und 100 Euro pro Gramm Kokain gewinnbringend verkauft, sohin anderen überlassen, und zwar:
Hierfür verhängten die Erstrichter über die Angeklagte nach § 28a Abs 4 SMG eine dreijährige Freiheitsstrafe; auch wurde sie nach § 20 Abs 3 StGB zur Zahlung eines Geldbetrags von 100.000 Euro verurteilt.
Gegen diese beiden Sanktionsaussprüche wendet sich die Berufung der Angeklagten, mit der sie – neben umfassender Strafmaßreduktion – die Herabsetzung des für verfallen erklärten Geldbetrags anstrebt. Nur in Bezug auf den Verfallsausspruch ist das Rechtsmittel erfolgreich.
Rechtliche Beurteilung
Bei der Strafbemessung werteten die Erstrichter die Unbescholtenheit der Angeklagten, ihre wesentlich zur Wahrheitsfindung beitragende Verantwortung, die Sicherstellung von Suchtgift und die Tatbegehung (auch) zur Finanzierung des eigenen Suchtgiftkonsums zur Stillung des Suchtdrucks als mildernd; erschwerend wogen demgegenüber der längere Tatzeitraum, die Tatbegehung zum Teil aus Gewinnstreben sowie das Zusammentreffen eines Verbrechens mit mehreren Vergehen.
Der Strafzumessungkatalog ist auf Seite der Erschwerungsgründe zu modifizieren: Auf Basis der Urteilsfeststellungen liegt zwar ein klar längerer als einjähriger Tatzeitraum, der nach der Judikatur dieses Berufungsgerichts § 33 Abs 1 Z 1 zweiter Fall StGB als erfüllt annehmen ließe, gerade noch nicht vor. Zusätzlich muss die Angeklagte jedoch die Suchtgiftweitergabe auch an einen Minderjährigen gegen sich gelten lassen.
Ihrem Berufungsvorbringen zuwider stellt die eigene Suchtgiftabhängigkeit hier keinen erheblichen Milderungsgrund mehr dar (RIS-Justiz RS0087417), sondern wird durch den, sich aus dem Verfahrenssubstrat (US 5) ergebenden schwunghaften Drogenhandel und das daraus ableitbare Gewinnstreben aufgewogen.
Mit Recht verweist die 37-jährige, bislang unbescholtene Angeklagte auf den Wert ihres Geständnisses, der nicht zuletzt im Bereich der Suchtmitteldelinquenz unter dem Aspekt eines wesentlichen Beitrags zur Wahrheitsfindung als überaus hoch einzuschätzen ist. Diesem Gesichtspunkt, und darüber hinaus auch jenem der Beteuerung innerer Umkehr iSd § 34 Abs 1 Z 17 erster Fall StGB, haben die Erstrichter freilich mit der Ausschöpfung nur eines Fünftels des zur Verfügung stehenden Freiheitsstrafrahmens (von einem bis zu 15 Jahren) hier ohnehin ersichtlich Rechnung getragen. Die tat- und schuldadäquat festgesetzte Sanktion ist vor allem mit Blick auf den hohen Handlungs- und Erfolgsunwert nicht reduzierbar, hat sich die – selbst die gesundheitlichen und sozialen Auswirkungen ihres Kokainkonsums verspürende – Angeklagte doch darauf verstanden, binnen etwa eines Jahres unterschiedliche Suchtgifte in insgesamt mehr als zweifacher Übermenge anderen Drogenkonsumenten, darunter auch ihrem 15-jährigen Sohn zugänglich zu machen.
Demnach gesetzlich allein noch mögliche, indes auf extreme Ausnahmefälle und einmalige Verfehlungen beschränkte (RIS-Justiz RS0092050, RS0092042) teilbedingte Strafnachsicht nach § 43a Abs 4 StGB erforderte eine qualifiziert günstige Spezialprognose, die der Angeklagten nach Lage des Falls aber mit Blick auf die angelastete, über Monate hinweg durch zahlreiche Angriffe verwirklichte schwere Drogendelinquenz selbst unter Berücksichtigung ihrer aktuell glaubhaft vermittelten Einsicht und Läuterung nicht erstellt werden kann.
Dem Verfall unterliegen Vermögenswerte, die für die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung oder durch sie erlangt wurden (§ 20 Abs 1 StGB). Soweit diese nicht sichergestellt oder beschlagnahmt sind, hat das Gericht einen Geldbetrag für verfallen zu erklären, der den erlangten Vermögenswerten entspricht (§ 20 Abs 3 StGB). Der Verfallsbetrag nach § 20 Abs 3 StGB ist nach dem Bruttoprinzip zu berechnen, sodass der vom Täter für den Zufluss der Vermögenswerte gemachte Aufwand bei der Berechnung außer Betracht zu bleiben hat (RIS-Justiz RS0133117 [insb T2]).
Ausgehend von den unbedenklichen Urteilsfeststellungen und Verfahrensergebnissen zu den verkauften Suchtgiftmengen und den erzielten Einnahmen (US 2 f iVm US 5) überließ die Angeklagte 2.030 Gramm Speed, 250 Gramm Kokain und 6.850 Gramm Cannabiskraut zu den jeweils angeführten Verkaufspreisen von zumindest 100 Euro pro Gramm Speed, 6,50 Euro bis 10 Euro pro Gramm Cannabiskraut (ON 3.6, 4 f) und 100 Euro pro Gramm Kokain, woraus sich ein Gesamterlös von zumindest 90.000 Euro errechnet. Dieser Geldbetrag ist als Wertersatzverfall iSd § 20 Abs 3 StGB der Angeklagten zur Zahlung aufzutragen (vgl dazu 3 Ob 178/24h).
Ein Absehen vom Verfall kommt mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 20a StGB nicht in Betracht: Abs 3 leg cit bezieht sich ausschließlich auf den Ermittlungsaufwand; die Einbringungswahrscheinlichkeit ist erst bei der Anordnung von Vollstreckungsmaßnahmen zu berücksichtigen und steht einem Verfallsausspruch nicht im Weg ( Michel-Kwapinski/Oshidari StGB 15 § 20a Rz 8 mwN).