1R23/25w – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz hat als Berufungsgericht durch die Richter Dr. Wolfgang Seyer als Vorsitzenden sowie Dr. Stefan Estl und Dr. Christoph Freudenthaler in der Rechtssache der klagenden Partei A* , **straße **, **, vertreten durch Dr. Oliver Peschel, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei B* Ltd. , **, **, **, Malta, vertreten durch die DSC Doralt Seist Csoklich Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen EUR 28.407,00 sA über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 16. Jänner 2025, Cg*-29, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 3.007,02 (darin EUR 501,17 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Text
entscheidungsgründe:
Die beklagte Partei (B* Ltd.) verfügt über eine aufrechte Glücksspiel-Lizenz in Malta. Über eine österreichische Glücksspiel-Lizenz verfügt die beklagte Partei nicht.
Die beklagte Partei ist aufgrund regulatorischer Vorgaben nach maltesischem Recht dazu verpflichtet, dass sich der gesamte Betriebsablauf sowie die gesamte technische Infrastruktur, insbesondere die Server, auch physisch auf Malta befinden. Es sollten regelmäßig und kurzfristige Kontrollen (Audits) durch die maltesische Glücksspiel-Behörde (Malta gaming authority) gewährleistet werden. Die beklagte Partei hat ihre Server-Infrastruktur auch tatsächlich bei einem maltesischem Unternehmen in Malta und nicht in Österreich.
Die beklagte Partei betreibt die Website C*. Die Website ist in verschiedenen Sprachen zugänglich, unter anderem auch in deutscher Sprache. Bei der Registrierung eines Online-Accounts gibt die beklagte Partei in der Länderauswahl unter anderem Österreich an. Bei den angebotenen Online-Glücksspielen ist das Spielergebnis ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängig. Die Teilnahme erfolgt ausschließlich durch den Spieler, dies über elektronische Medien. Die Entscheidung über das Ergebnis wird zentralseitig herbei geführt und über elektronisch zur Verfügung gestellt.
Der Kläger ist in Österreich (**straße **, **) wohnhaft. Er spielte zu privaten Zwecken auf der Website C* Glücksspiele. Es waren dies ausschließlich Slot-Spiele. Bei diesen Online-Glücksspielen ist das Spielergebnis ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängig. Der Kläger spielte im Zeitraum 23. Dezember 2020 bis 11. Februar 2023. Er tätigte Einzahlungen von gesamt EUR 70.910,00. Er erhielt Auszahlungen von EUR 42.503,00. Insgesamt erlitt der Kläger einen Verlust von EUR 28.407,00.
Zu Beginn der Spiele richtete der Kläger ein Spieler-Konto ein. Sämtliche Einzahlungen tätigte der Kläger mit der Kreditkarte. Soweit Auszahlungen vorgenommen wurden, nahm der Kläger Abhebungen dieser Gewinne vor. Dazu musste sich der Kläger im System einloggen und auf dem Spieler-Konto auf Auszahlung gehen. Über welche Bank diese Auszahlung lief, war für den Kläger nicht ersichtlich. Eine direkte Überweisung einer Abhebung auf das Girokonto des Klägers ist nicht vorgenommen worden. Auch die Auszahlungen sind über die Kreditkarte des Klägers gelaufen. Grund für die Vornahme der Glücksspiele war für den Kläger Langeweile. Ob beim Kläger diesbezüglich ein Suchtverhalten vorlag, das kann nicht festgestellt werden. Der Kläger beendete die Spiele, weil der angehäufte Verlustbetrag für ihn bereits äußerst hoch war. Nach Beendigung des Spiele erfuhr der Kläger durch eine Information auf **, dass Verluste aus dem Glücksspielen zurückgefordert werden könnten.
Der Kläger wusste nicht, dass es sich bei der beklagten Partei um ein Unternehmen handelt, welches seinen Sitz in Malta hat. Auf der vom Kläger benutzten Website (C*) wurde alles in deutscher Sprache dargestellt. Bei der Registrierung musste sich der Kläger „durchklicken“. Allgemeine Geschäftsbedingungen der beklagten Partei wurden ihm dabei nicht bewusst. Möglich ist, dass er diese als „gelesen“ angeklickt hat.
Sämtliche Glücksspiele nahm der Kläger an seinem Wohnort (**) vor. Er verwendete dazu seinen Laptop. Die über die Kreditkarte vorgenommenen Einzahlungen sowie Auszahlungen wurden nachfolgend auf ein bei der D* Bank ** bestehendes Girokonto des Klägers übertragen und führten diese entweder zu Konto-Einzahlungen oder zu Konto-Abzügen. Bei der Registrierung musste der Kläger seine Wohnadresse angeben sowie auch persönliche Daten (Geburtsdatum, Beruf etc). Weiters musste er entweder bereits bei der Registrierung oder zum Zeitpunkt der ersten Auszahlung Konto-Auszüge von seinem Giro-Konto sowie auch einen Identitätsausweis hochladen.
Der Kläger begehrte die Rückzahlung seiner Verluste mit dem wesentlichen Vorbringen, er sei dazu aufgrund der fehlenden Konzession der Beklagten berechtigt. Es handle sich um illegales Glücksspiel. Gestützt auf Schadenersatz wegen Verletzung eines Schutzgesetzes (§ 168 Abs 1 StGB und § 1 Abs 1 GSpG) und Bereicherung hafte die Beklagte für den Verlust des Klägers.
Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage und wandte – soweit für das Berufungsverfahren relevant – ein, die Ausspielung unterliege maltesischem Recht. Die Beklagte verfüge über eine maltesische Glücksspielkonzession. Das österreichische Glücksspielmonopol sei unionsrechtswidrig und verstoße gegen Artikel 56 AEUV. Es fehle aufgrund der aggressiven und exzessiven Werbung der österreichischen Konzessionärinnen, der unterschiedlichen Regelungen von Spielen mit dem selben Gefährdungspotential und der mangelnden Aufsicht über die Monopolisten an der vom EuGH geforderten Kohärenz des österreichischen Glücksspielmonopols. Dieses sei daher unionsrechtswidrig und habe unangewendet zu bleiben.
Mit dem angefochtenen Urteil verpflichtete das Erstgericht die Beklagte zur Zahlung von EUR 28.407,00 samt 4 % Zinsen seit 29. Dezember 2023. Es ging dabei vom oben auszugsweise wiedergegebenen Sachverhalt aus.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, die Rechtssache unterliege gemäß Artikel 6 Rom I-VO österreichischem Sachrecht. Das Recht zur Durchführung von Glücksspielen sei dem Bund vorbehalten (§ 3 GSpG). Der Oberste Gerichtshof gehe – im Einklang mit der Rechtsprechung der beiden anderen österreichischen Höchstgerichte – in ständiger Judikatur davon aus, dass das österreichische Glücksspielmonopol unionsrechtskonform sei. Bei dem von der Beklagten in Österreich angebotenen konzessionslosen Glücksspiel handle es sich um verbotenes Glücksspiel, das nichtig sei. Nach ständiger Rechtsprechung sei das, was aufgrund eines unerlaubten und damit unwirksamen Glücksspielvertrages gezahlt worden sei, rückforderbar. Der Verlierer könne die gezahlte Spielschuld zurückfordern, ohne dass dem die Bestimmungen des § 1174 Abs 1 S 1 ABGB oder § 1432 ABGB entgegenstünden, weil die Leistung nicht „zur Bewirkung“ der unerlaubten Handlung, sondern als „Einsatz“ erbracht wurde. Den Rückforderungsanspruch zu verweigern, widerspräche dem Zweck der Glücksspielverbote. Neben dem Bereicherungsrecht biete aber auch das Schadenersatzrecht eine Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers, zumal der Eingriff in das Glücksspielmonopol auch eine Schutzgesetzverletzung bewirkt habe (6 Ob 118/12i mwN). Die beklagte Partei habe im Bewusstsein der Rechtswidrigkeit (Online-)Glücksspiele angeboten und erst durch ihr Auftreten dem Kläger die Teilnahme ermöglicht, so dass sie auch für den Schaden des Klägers zu haften habe.
Gegen diese Entscheidung erhebt die Beklagte Berufung wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass die Klage abgewiesen werde.
Der Kläger beantragt in seiner Berufungsbeantwortung, das angefochtene Urteil zu bestätigen.
Die Berufung ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Das Berufungsgericht hält die Rechtsmittelausführungen für nicht stichhältig, hingegen die damit bekämpfte Begründung des angefochtenen Urteils für zutreffend, weshalb es sich mit einer kurzen Begründung begnügen kann (§ 500a ZPO).
1. Zur Verfahrensrüge:
Ein primärer Verfahrensmangel iSd § 496 Abs 1 Z 2 ZPO – den die Beklagte hier in der Abstandnahme von der Einholung eines Sachverständigengutachtens „betreffend die Werbe- und Marketingmaßnahmen des österreichischen Monopolisten“ (Beweisanbot ON 25 S 10 [Sachverständigengutachten aus den Bereichen Marketing und Werbung 91.80 und Werbepsychologie 04.50 sowie aus dem Bereich Marktforschung 04.60]) erblickt – könnte nur vorliegen, wenn das Erstgericht infolge des Unterlassens der beantragten Beweisaufnahmen andere als die vom Beweisführer behaupteten Tatsachen festgestellt hätte (vgl Pimmer in Fasching/Konecny 3 § 496 ZPO Rz 57).
Hier hat das Erstgericht zum Werbeverhalten der Konzessionärinnen keine Feststellungen getroffen (US 3 bis 5). Im Unterlassen der Beweisaufnahme zum relevierten Thema, vorausgesetzt dieses wäre rechtlich relevant, könnte daher nur ein rechtlicher Verfahrensmangel iSd § 496 Abs 1 Z 3 ZPO liegen, der mit Rechtsrüge aufzugreifen ist (vgl Pimmer aaO Rz 55, 58).
Ein primärer Verfahrensmangel besteht damit nicht.
2. Zur Rechtsrüge:
Die Berufungswerberin beanstandet, das Erstgericht habe keine Feststellungen zu den Auswirkungen des Glücksspielmonopols und der Einhaltung der Kohärenzkriterien getroffen. Ein bloßer Verweis auf höchstgerichtliche Rechtsprechung könne Tatsachenfeststellungen zur Kohärenz des Glücksspielmonopols nicht ersetzen. Der Verfassungsgerichtshof habe mit Erkenntnis vom 14. Dezember 2022, GZ G259/2022, Teile des § 25 Abs 3 GSpG als verfassungswidrig aufgehoben, da „der unionsrechtlich gebotene Spielerschutz nicht in der angefochtenen Bestimmung in einer dem Sachlichkeitsgebot entsprechenden Weise verwirklicht“ worden sei. Damit habe der Verfassungsgerichtshof festgestellt, dass die Ausgestaltung des österreichischen Glücksspielmonopols verfassungswidrig und nicht unionsrechtlich gerechtfertigt gewesen sei. Folgedessen sei das von der Beklagten angebotene und durchgeführte Online-Glücksspiel, bei dem der Kläger sein Geld verloren habe, legal gewesen, weil die Beklagte über eine maltesische Glücksspielkonzession verfüge.
Dazu ist auszuführen:
Es entspricht der gesicherten höchstgerichtlichen Rechtsprechung, dass auch zur Frage der Vereinbarkeit des österreichischen Glücksspielmonopols mit unionsrechtlichen Vorgaben kein Verbot für ein nationales Gericht besteht, sich auf Vorentscheidungen „höherer“ (nationaler) Gerichte (hier auf in zahlreichen Parallelverfahren ergangene Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs) zu berufen (1 Ob 7/24x; 7 Ob 152/23p; 7 Ob 71/23a; siehe auch 1 Ob 25/23t).
Der Oberste Gerichtshof hat – im Einklang mit der Rechtsprechung der beiden anderen österreichischen Höchstgerichte – auf Basis der einschlägigen Judikatur des EuGH in mehreren aktuellen Entscheidungen neuerlich festgehalten, dass das österreichische System der Glücksspiel-Konzessionen einschließlich der Werbemaßnahmen der Konzessionäre im hier relevanten Zeitraum nach gesamthafter Würdigung aller tatsächlichen Auswirkungen auf den Glücksspielmarkt allen vom EuGH aufgezeigten Vorgaben entspricht und nicht gegen Unionsrecht verstößt (2 Ob 221/22x Rz 7 mwN; 6 Ob 32/23h Rz 7). Die behaupteten Feststellungsmängel liegen daher nicht vor.
Auch der Hinweis auf die Aufhebung von Teilen des § 25 Abs 3 GSpG durch den Verfassungsgerichtshof (G259/2022) ändert an dieser Beurteilung nichts. Mag der Gesetzgeber durch das (primäre) Abstellen (nur) auf die Einholung einer Bonitätsauskunft den unionsrechtlich gebotenen Spielerschutz von Spielbankbesuchern auch nicht in einer dem Sachlichkeitsgebot entsprechenden Weise verwirklicht haben, bedeutet dies noch nicht, dass dieses Anliegen im Bereich des Online-Glücksspiels und dem System der Konzessionen nicht in kohärenter Weise verfolgt würde. Aus der teilweisen Verfassungswidrigkeit bloß einer Einzelregelung zum Spielerschutz im Bereich der Spielbanken kann nicht abgeleitet werden, dass das österreichische System der Glücksspiel-Konzessionen – entgegen der bisher ständigen Rechtsprechung – unionsrechtswidrig wäre (2 Ob 23/23f, 1 Ob 25/23t, 5 Ob 35/24v).
Zu den Voraussetzungen der unionsrechtlichen Zulässigkeit eines Glücksspielmonopols sowie der dadurch bewirkten Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit liegt umfangreiche Rechtsprechung des EuGH vor (vgl die Hinweise in 5 Ob 30/21d). Der von der Beklagten behauptete Feststellungsmangel und damit eine (sekundäre) Mangelhaftigkeit des angefochtenen Urteils, weil Feststellungen „zum Thema Unionsrechtswidrigkeit“ fehlen, ist nicht erkennbar (vgl 5 Ob 35/24v).
Der erkennende Senat sieht auch keinen Anlass, das von der Beklagten angeregte Vorabentscheidungsersuchen zu stellen, liegt doch zu den Voraussetzungen der unionsrechtlichen Zulässigkeit eines Gewinnspielmonopols sowie der dadurch bewirkten Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit bereits umfangreiche Rechtsprechung des EuGH vor (vgl 4 Ob 268/16i; 4 Ob 50/17g; 4 Ob 46/17v; VwGH Ro 2020/17/0008; 1 Ob 229/20p; 8 Ob 128/23p).
Der Berufung ist daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens stützt sich auf §§ 50 Abs 1, 41 Abs 1 ZPO. Ein Streitgenossenzuschlag gebührt dem Kläger im Rechtsmittelverfahren jedoch nicht, weil ihm nur noch eine beklagte Partei gegenübersteht.
Die ordentliche Revision gemäß § 502 Abs 1 ZPO ist nicht zulässig, weil das Berufungsgericht den vorliegenden Fall nach einer gesicherten höchstgerichtlichen Rechtsprechung beurteilen konnte.