JudikaturOLG Linz

9Bs4/25i – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
Wirtschaftsrecht
29. Januar 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Dr. Engljähringer als Vorsitzende, Mag. Hemetsberger und Mag. Kuranda in der Strafsache gegen A*wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Betrugs nach §§ 12 dritter Fall, 15 Abs 1, 146, 147 Abs 1 Z 3 und Abs 2, 148 zweiter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit sowie wegen des Ausspruchs über die Schuld und die Strafe und jene der Staatsanwaltschaft wegen Nichtigkeit sowie wegen des Ausspruchs über die Strafe gegen das Urteil des Einzelrichters des Landesgerichts Wels vom 31. Oktober 2024, GZ*-56, nach der in Anwesenheit der Oberstaatsanwältin Mag. Fischer-Leon, LL.B., des Angeklagten und seines Verteidigers Mag. Zellinger durchgeführten Berufungsverhandlung am 29. Jänner 2025 zu Recht erkannt:

Spruch

Die Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit wird zurückgewiesen.

Im Übrigen wird der Berufung des Angeklagten nicht Folge gegeben.

Hingegen wird der Berufung der Staatsanwaltschaft Folge gegeben und das angefochtene Urteil in seinem Strafausspruch dahin abgeändert, dass die Freiheitsstrafe unter Ausschaltung des § 43a Abs 3 StGB auf 18 Monate erhöht wird.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der ** geborene Serbe A* des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Betrugs nach §§ 12 dritter Fall, 15 Abs 1, 146, 147 Abs 1 Z 3 und Abs 2, 148 zweiter Fall StGB (A./) und des Vergehens der kriminellen Vereinigung nach § 278 Abs 1 zweiter Fall StGB (B./) schuldig erkannt und unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach (irrig; siehe unten) § 147 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt, wovon gemäß § 43a Abs 3 StGB ein Teil von 10 Monaten unter Bestimmung dreijähriger Probezeit bedingt nachgesehen wurde. Gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB wurde die Vorhaft vom 29. August 2024, 17.18 Uhr, bis 31. Oktober 2024, 12.17 Uhr, auf die Freiheitsstrafe angerechnet und gemäß § 19a Abs 1 StGB wurden zwei im Urteil näher bezeichnete Handys konfisziert.

Nach dem Schuldspruch hat der Angeklagte am 29. August 2024 in **

A./ gewerbsmäßig (§ 70 Abs 1 Z 1 StGB) dadurch, dass er sich bereit erklärte, die Beute vom unten genannten Opfer abzuholen, sich zu diesem Zweck zum vereinbarten Abholort begab, sich als Herr B* vorstellte und die (vermeintliche) Beute auch tatsächlich entgegennahm, zur Ausführung der von unbekannten Tätern im Rahmen einer kriminellen Organisation begangenen strafbaren Handlung beigetragen, welche gewerbsmäßig (§ 70 Abs 1 Z 1 bis 3 StGB) mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, C* durch Täuschung über Tatsachen, nämlich die wahrheitswidrige Vorgabe, dass ihre Tochter einen schweren Verkehrsunfall verursacht habe und deshalb deren Inhaftierung drohe, welche nur bei Bezahlung einer entsprechenden Kaution abgewendet werden könne, wobei sie sich mitunter auch fälschlich als Staatsanwältin, sohin als Beamtin ausgaben, zur Übergabe von Bargeld im Gesamtwert von EUR 42.000,00, sohin zu einer Handlung zu verleiten versuchten, die diese in einem den Betrag von EUR 5.000,00 übersteigenden Ausmaß am Vermögen schädigen sollte, wobei es letztlich nur aufgrund der Skepsis des Opfers beim Versuch blieb;

B./ sich an einem auf längere Zeit angelegten Zusammenschluss von mehr als zwei Personen, der darauf ausgerichtet ist, dass von den Mitgliedern der Vereinigung nicht nur geringfügige Betrügereien ausgeführt werden, als Mitglied beteiligt, indem er die unter A./ angeführte strafbare Handlung im Rahmen ihrer kriminellen Ausrichtung beging.

Der Angeklagte meldete gegen dieses Urteil „vollumfängliche“ Berufung an (ON 59), führte diese jedoch in der Folge nicht aus. Die Staatsanwaltschaft strebt mit ihrer wegen Nichtigkeit sowie wegen des Ausspruchs über die Strafe erhobenen Berufung (ON 62) die Erhöhung der Freiheitsstrafe und die Ausschaltung der teilbedingten Strafnachsicht an, wogegen sich der Angeklagte ausgesprochen hat (ON 64).

Rechtliche Beurteilung

Auf die Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit war keine Rücksicht zu nehmen, weil er weder bei deren Anmeldung noch in einer Berufungsschrift erklärte, welche Nichtigkeitsgründe er geltend machen wolle (§§ 467 Abs 2, 489 Abs 1 StPO). Von Amts wegen zugunsten des Angeklagten wahrzunehmende Nichtigkeitsgründe sind nicht erkennbar.

Die Berufung des Angeklagten wegen des Ausspruchs über die Schuld ist nicht berechtigt, weil das Erstgericht in einer lebensnahen Beweiswürdigung schlüssig dargelegt hat, dass es den entscheidenden Feststellungen die (in der Hauptverhandlung) ohnehin umfassend geständige, mit den Ermittlungsergebnissen in Einklang stehende Verantwortung des Angeklagten und das objektive Geschehen zugrunde legte.

Da der Angeklagte seine Berufung nicht ausgeführt hat, besteht keine Möglichkeit, auf jene Argumente einzugehen, die ihn dazu bewogen haben, trotz seines Geständnisses (auch) die Schuldberufung anzumelden.

An den Schuldsprüchen ist also nicht mehr zu rütteln.

Mit ihrer auf § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO gestützten Berufung wegen Nichtigkeit releviert die Staatsanwaltschaft die Anwendung eines falschen Strafrahmens durch den Erstrichter. Dieser hatte in der schriftlichen Urteilsbegründung offengelegt, bei der Urteilsverkündung irrtümlich § 147 Abs 1 StGB als strafsatzbestimmend angeführt, die Strafe jedoch anhand des (zutreffenden) zweiten Strafsatzes des § 148 StGB bemessen zu haben (US 5 dritter Absatz). Damit greift die Sanktionsrüge, deren Bezugspunkt der urteilsmäßige Strafausspruch nach § 260 Abs 1 Z 3 StPO ist ( Kirchbacher, StPO 15 § 281 Rz 97), zu kurz.

Nach der Ordnungsvorschrift des § 260 Abs 1 Z 4 StPO ist es zwar geboten, die Norm anzuführen, die den zur Anwendung gelangten Strafrahmen konstituiert ( Lendl in Fuchs/Ratz, WK StPO § 260 Rz 46; Riffel in Höpfel/Ratz , WK 2StGB § 32 Rz 55/13). Eine irrtümlich fälschliche Benennung steht aber weder unter Nichtigkeitssanktion, noch lässt sie unabweisbar darauf schließen, dass die versehentlich bezeichnete Strafrahmenvorschrift tatsächlich „angewendet“ wurde (vgl 13 Os 39/21s mwH; Kirchbacher, StPO 15 § 281 Rz 98 aE). Just letzteres ist durch die erstrichterliche Urteilsbegründung auch ausdrücklich kontraindiziert. Im Übrigen räumt die Anklagebehörde selbst ein, dass die tatsächlich ausgemessene Strafe jedenfalls im zutreffenden Strafrahmen Deckung findet.

Ohnehin entscheidet das Berufungsgericht in der Straffrage „ersetzend“ und hat bei seinem judicium novum stets von der – allein unter Bindung an den Ausspruch über die Schuld und den anzuwendenden Strafsatz (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) – „richtigen“ Sach- und Rechtslage auszugehen ( Riffel in Höpfel/Ratz , WK 2StGB § 32 Rz 55/12 f mzN; Kirchbacher, StPO 15 § 295 Rz 1 mH; EvBl 2024/98, Ratz ).

Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht das umfassende und reumütige Geständnis, den bisher ordentlichen Lebenswandel sowie den Versuch mildernd und das Zusammentreffen mehrerer Straftaten sowie die Mehrfachqualifikation beim Betrug erschwerend. Im Rahmen der allgemeinen Strafzumessungskriterien wurde zudem berücksichtigt, dass es sich um einen klassischen Fall des Kriminaltourismus handelt.

Dieser Strafzumessungskatalog ist lediglich geringfügig dahingehend zu ergänzen bzw präzisieren, dass in Übereinstimmung mit der Staatsanwaltschaft zusätzlich aggravierend der die Qualifikationsgrenze mehrfach übersteigende Schaden gewichtet werden kann (vgl RIS-Justiz RS0099961).

Ausgehend davon und vor dem Hintergrund der allgemeinen Kriterien der Strafbemessung nach § 32 Abs 2 und 3 StGB ist die vom Erstgericht verhängte Freiheitsstrafe von 15 Monaten bei dem gegebenen Strafrahmen einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren (zweiter Strafsatz des § 148 StGB) trotz der durchaus gewichtigen Milderungsgründe – entgegen der nicht ausgeführten Strafberufung des Angeklagten, der das Begehren auf umfassende Strafmilderung zu unterlegen ist ( Kirchbacher, StPO 15§ 294 Rz 7) – nicht reduktionsfähig, sondern moderat anhebungsbedürftig. Eine Freiheitsstrafe von 18 Monaten, und damit zwischen einem Drittel und einem Viertel des Möglichen ist tat- und schuldadäquat und der konkreten Täterpersönlichkeit entsprechend. Dabei kommt im Sinne der Berufungsausführungen der Staatsanwaltschaft dem perfiden Ausnützen der besonderen Vulnerabilität älterer Opfer und den sowohl in finanzieller als auch in emotionaler Hinsicht oft traumatischen Folgen sowie der mit Blick auf die vorgetäuschte Notsituation nahestehender Angehöriger besonders verwerflichen, länderübergreifenden Vorgangsweise maßgebliche Bedeutung zu. Eine strenge Sanktion ist bei der hier zu beurteilenden Betrugsdelinquenz daher insbesondere auch aus Gründen der positiven und negativen Generalprävention erforderlich, weshalb neben der maßvollen Erhöhung der Freiheitsstrafe auch deren gänzlicher Vollzug und demnach die Ausschaltung teilbedingter Strafnachsicht nach § 43a Abs 3 StGB angezeigt ist.