10Bs264/24f – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Dr. Henhofer als Vorsitzende und Mag. Höpfl sowie den Richter Mag. Graf in der Strafsache gegen A* B* und andere Angeklagtewegen des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 15 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über den Einspruch des Angeklagten A* B* gegen die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Wels vom 5. November 2024, GZ1* (= GZ2* - 71 des Landesgerichts Wels) in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:
Spruch
Der Einspruch des A* B* wird abgewiesen.
Die Anklage gegen A* B* ist rechtswirksam.
Text
BEGRÜNDUNG:
Mit Anklageschrift vom 5. November 2024, GZ1*, legt die Staatsanwaltschaft Wels (unter anderem) dem am ** geborenen A* B* dem Vergehen des schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 2 StGB (1.1.1.), dem Vergehen der Geldwäscherei nach § 165 Abs 1 StGB (1.1.2.) und dem Verbrechen des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 15 Abs 1 StGB (2.) unterstellte Verhaltensweisen zur Last (ON 71).
Demnach habe der Genannte in ** im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit C* B* (1.1., 2.1.) bzw C* B*, D* und E* (2.2)
1.1. zu noch festzustellenden Zeitpunkten nach dem 6. Juli 2022
„1.1.1. eine fremde bewegliche Sache in einem EUR 5.000,00 übersteigenden Wert, nämlich den Traktor Fendt im Wert von EUR 14.500,00 dem ruhenden Nachlass nach dem am 6. Juli 2022 verstorbenen F* mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch die Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, weggenommen, indem sie den Traktor widerrechtlich an sich gebracht haben;
1.1.2. einen Vermögensbestandteil in einem EUR 50.000,00 nicht übersteigenden Wert, der aus einer kriminellen Tätigkeit herrührt, mit dem Vorsatz, den illegalen Ursprung zu verheimlichen oder zu verschleiern, umgewandelt oder einem anderen übertragen, indem sie den unter 1.1.1. angeführten Traktor an einen ausländischen Käufer, nämlich G*, zwecks Verbringung ins Ausland verkauft und übergeben haben,
2. mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz nachgenannte Personen durch Täuschung über Tatsachen zu nachgenannten Handlungen teils verleitet (2.1.), teils zu verleiten versucht (2.2), und zwar:
2.1. [..] am 6. Jänner 2023 durch Vorspiegelung ihrer Eigentumsrechte und Verfügungsbefugnis über den unter 1. angeführten Traktor, sohin durch Täuschung über Tatsachen, G* zu einer Handlung, nämlich zum Abschluss des Kaufvertrags und Bezahlung des Kaufpreises verleitet, wodurch G* in einem Betrag von EUR 20.000,00 am Vermögen geschädigt worden sei;
2.2. [..] indem sie zu einem noch näher festzustellenden Zeitpunkt nach dem 26. Juni 2022 gegenüber dem Gerichtskomissär Notar Mag. H* im Zusammenhang mit dem zu GZ3* des Bezirksgerichts Bad Ischl geführten Verlassenschaftsverfahren nach F* wahrheitswidrig sinngemäß behauptet haben, F* habe am 26. Juni 2022 ein Nottestament gemäß § 584 ABGB zu Gunsten der Ehegatten B* abgeschlossen, im Zuge dessen F* in Gegenwart der Testamentszeugen D* und E* mündlich erklärt habe, die Ehegatten B* als Alleinerben einzusetzen und F* sei zu diesem Zeitpunkt noch entscheidungs-, geschäfts- und testierfähig gewesen, zu einer Handlung, nämlich zur Einantwortung des Nachlassvermögens nach F*, zu verleiten versucht, die die tatsächlich erbberechtigte I* in einem EUR 300.000,00 übersteigenden Betrag, nämlich in einem solchen von rund EUR 700.000,00, am Vermögen schädigen sollte.“
Dagegen richtet sich der rechtzeitige Einspruch des Angeklagten A* B*, der auf eine Einstellung des Verfahrens, hilfsweise auf die Zurückweisung der Anklage, abzielt (ON 80).
Rechtliche Beurteilung
Der Einspruch ist nicht berechtigt.
Im Fall eines Anklageeinspruches hat das Oberlandesgericht die Zulässigkeit der Anklage und die Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes von Amts wegen nach allen Richtungen auf das Vorliegen der Voraussetzungen zu prüfen (vgl Birklbauer,WK StPO § 215 Rz 4).
Gemäß § 210 Abs 1 StPO ist Voraussetzung für die Einbringung einer Anklage durch die Staatsanwaltschaft unter anderem das „Naheliegen“ einer Verurteilung aufgrund ausreichend geklärten Sachverhalts. Ausreichend geklärter Sachverhalt bedeutet, dass entsprechend dem Grundsatz der materiellen Wahrheit (§ 3 StPO) die Strafverfolgungsorgane alle be- und entlastenden Tatsachen, die für die Beurteilung der Tat und des Angeklagten von Bedeutung sind, sorgfältig ermittelt haben, sodass sie sich ein objektives Bild darüber machen können, wie sich die gegenständliche Tat zugetragen hat. Weiters muss aufgrund des ausermittelten Sachverhalts eine Verurteilung nahe liegen (Verurteilungswahrscheinlichkeit). Dazu muss ein einfacher Tatverdacht bestehen, was bedeutet, dass vom Gewicht der belastenden und entlastenden Indizien her bei deren Gegenüberstellung mit einfacher Wahrscheinlichkeit ein Schuldspruch zu erwarten sein muss. Dabei kommt es ausschließlich auf den Tatverdacht und nicht auf Rechtsfragen an (vgl BirklbaueraaO § 210 Rz 4 f). Die Einspruchsgründe sind in § 212 StPO taxativ aufgezählt.
Nach § 212 Z 1 StPO steht dem Angeklagten gegen die Anklageschrift Einspruch zu, wenn die zur Last gelegte Tat nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht ist oder sonst ein Grund vorliegt, der die Verurteilung des Angeklagten aus rechtlichen Gründen ausschließt. Dass die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht ist, betrifft die Rechtsfrage, ob der angeklagte Lebenssachverhalt als prozessualer Tatbegriff – hypothetisch als erwiesen angenommen – unter den Tatbestand zumindest einer gerichtlich strafbaren Handlung zu subsumieren wäre (vgl Birklbauer, aaO § 212 Rz 4). Allein eine unrichtige rechtliche Beurteilung der Tat in der Anklageschrift verhindert nicht die Zulässigkeit der Anklage unter diesem Gesichtspunkt, sofern bei rechtsrichtiger Beurteilung nur irgendein anderer gerichtlicher strafbarer Tatbestand erfüllt ist. Auch in diesem Fall darf das Oberlandesgericht im Zuge seiner Einspruchsentscheidung die in der Anklage vorgenommene materiellrechtliche Subsumtion nicht ändern (RIS-Justiz RS0097881; BirklbauerWK StPO § 212 Rz 2, 4).
Richtig ist, dass die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklagebegründung selbst davon ausgeht, A* B* habe auf Grund eines zurückliegend mit F* abgeschlossenen Mietvertrags Zugang zu sämtlichen Vermögensteilen, insbesondere zum in Rede stehenden Traktor Fendt, gehabt (S 6 in ON 71), wodurch Mitgewahrsam des Angeklagten an diesem indiziert ist. Mit Ableben des Erblassers wäre daher Alleingewahrsame des Angeklagten bzw Mitgewahrsam der Ehegatten B* an dem Fahrzeug (vgl Stricker, WK 2StGB § 127 Rz 128) und somit hinsichtlich 1.1.1. zwar die Aneignung einer fremden Sache, jedoch kein Gewahrsamsbruch anzunehmen. Allerdings ist diesfalls vom Vergehen der Unterschlagung nach § 134 StGB, respektive von der mit bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe bedrohten (Wert-)Qualifikation des § 134 Abs 2 StGB, auszugehen. Das Vergehen der Geldwäscherei nach § 165 Abs 1 StGB (1.1.2.) käme daher auch unter diesem Prämissen in Betracht (§ 165 Abs 5 StGB).
Sofern das Einspruchsvorbringen ins Treffen führt, dass „gemäß Vorgabe der Staatsanwaltschaft“ EUR 14.500,00 an den ruhenden Nachlass bezahlt worden seien und auch EUR 5.500,00 noch bezahlt werden würden, womit diesem der gesamte Verkaufserlös und G* der Traktor zukommen würde, stellt dies lediglich eine nach bereits erfolgter Anzeigenerstattung vorgenommene Schadensgutmachung dar. An der rechtlichen Einordnung des unter 1.1. und 2.1. wiedergegebenen Sacherhalts als Vermögensdelikt vermag dies jedoch nichts zu ändern.
Gleiches gilt für die Ausführungen, wonach eine Täuschung des als Gerichtskommissär einschreitenden Notars keine täuschungsbedingte Einantwortung des Nachlasses durch diesen veranlassen könne, weshalb die Annahme eines Betrugsgeschehens zu 2.2. ausscheide. Nach dem von der Staatsanwaltschaft unter Anklage gestellten Lebenssachverhalt war die Intention der wahrheitswidrigen Angaben von Beginn an darauf ausgerichtet, ohne entsprechenden Rechtsanspruch die Einantwortung des Verlassenschaftsvermögens durch das Bezirksgericht zu erreichen. Dass es diesbezüglich der Weiterleitung der Erklärungen durch den Gerichtskommissär an das Verlassenschaftsgericht bedurfte, schließt ein Betrugsgeschehen keineswegs aus (mehrstufiges Betrugsgeschehen).
Gemäß § 15 StPO sind Vorfragen im Strafverfahren selbständig zu beurteilen. Entscheidungen zuständiger Behörden können abgewartet werden, wenn mit ihnen in absehbarer Zeit zu rechnen ist. An rechtsgestaltende Wirkungen von Entscheidungen der Zivilgerichte und anderer Behörden sind die Strafgerichte jedoch gebunden. Damit geht letztlich auch der Einwand, dass über die Erbenstellung des Angeklagten A* B* noch garnicht entschieden worden sei, ins Leere.
Da die dem Einspruchswerber zur Last gelegten Tathandlungen somit gerichtlich strafbar sind und weder materiell-rechtliche Schuldausschließungs-, Rechtfertigungs-, Strafausschließungs- und Strafaufhebungsgründe, noch verfahrensrechtliche Verfolgungshindernisse im Sinne des § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO (vgl Kirchbacher, StPO 15§ 212 Rz 2) erkennbar sind, liegt der Einspruchsgrund des § 212 Z 1 StPO nicht vor.
Soweit der Angeklagte moniert, dass er – ausgehend von seiner rechtmäßigen Stellung als Erbe – durchwegs ohne Vorsatz auf unrechtmäßige Bereicherung gehandelt habe, stützt er sich inhaltlich auf den Einspruchsgrund des § 212 Z 2 StPO. Dieser ist jedoch nur dann erfüllt, wenn Dringlichkeit und Gewicht des Tatverdachts trotz hinreichend geklärten Sachverhalts nicht ausreichen, eine Verurteilung des Angeklagten auch nur für möglich zu halten; nach Z 3 leg cit wäre ein Einspruch gegen die Anklage dann erfolgreich, wenn der Sachverhalt nicht so weit geklärt ist, dass eine Verurteilung des Angeklagten naheliegt (§ 212 Z 3 StPO).
Um der Entscheidung des erkennenden Gerichts nicht vorzugreifen, kommt eine Verfahrenseinstellung durch das Oberlandesgericht nach Z 2 nur dann in Betracht, wenn es der Überzeugung ist, dass der Angeklagte der Tat keinesfalls überwiesen werden könne, dass somit Dringlichkeit und Gewicht des Tatverdachts trotz eingehender Ermittlungen nicht ausreichen, bei lebensnaher Betrachtung eine Verurteilung auch nur (entfernt) für möglich zu halten. Dem Oberlandesgericht kommt gleichsam eine Missbrauchskontrolle nur in jenen Fällen zu, in denen die Staatsanwaltschaft anklagt, obwohl so gut wie überhaupt keine Verurteilungsmöglichkeit besteht. Ansonsten ist über die erhobenen Vorwürfe bei vorhandener Verurteilungsmöglichkeit in der Hauptverhandlung zu entscheiden (vgl Birklbauer aaO § 212 Rz 18 f).
Das objektive Tatgeschehen wird - soweit den Eingaben des Angeklagten, der sich im Rahmen von Einvernahmen nicht zu den Anschuldigungen äußern wollte, zu entnehmen - nicht in Abrede gestellt. Er habe sich demnach jedoch als rechtmäßigen Erben gesehen und daher weder jemanden täuschen noch sich unrechtmäßig bereichern wollen. Dass der Angeklagte allerdings gerade nicht in diesem Glauben gehandelt habe, stützt die Staatsanwaltschaft auf dessen wiederholten Versuche, immer wieder unterschiedliche Rechtsgrundlagen bzw Vertragskonstruktionen zur Begründung seines Rechtsanspruchs zu präsentieren. Darüberhinaus fallen auch die unterschiedlichen Angaben von D* und E* zur Frage des am 26. Juni 2022 behauptetermaßen errichteten Nottestaments auf, was Zweifel an dessen tatsächlicher Errichtung aufkommen lässt. Hinzu kommt, dass sich der Erblasser nach den sachverständigen Ausführungen Dr. J*, LL.M., in seinem Gutachten vom 13. Mai 2024 bei einer zurückliegenden Befundung am 4. Juli 2022 ein schweres multifaktorielles delirantes Zustandsbild gezeigt habe und sich nicht mehr nachvollziehbar habe artikulieren können (S 8 bis 13 in ON 71 unter Angabe von Fundstellen).
Diese Beweisergebnisse reichen, um den Einspruchswerber der ihm angelasteten Tathandlungen für verdächtig zu halten und legen eine Verurteilung nahe. Dem objektiven Tatgeschehen kommt mit Blick auf die subjektive Tatseite Indizwirkung zu. Ob nach zivilrechtlichen Maßstäben tatsächlich keine Testierfähigkeit mehr gegeben war, kann hingegen dahin gestellt bleiben, weil der gegenständliche Anklagevorwurf darin begründet liegt, dass es zur Errichtung eines Nottestaments garnicht gekommen sein soll.
Aufklärungsmängel, die das Erfordernis weiterer Ermittlungsschritte vor Anklageeinbringung bedingen würden (§ 212 Z 3 StPO), liegen ebenfalls nicht vor und werden auch nicht behauptet. Inwieweit letztlich die Belastungsmomente in objektiver und subjektiver Hinsicht zu verifizieren sind und ausreichen, den Angeklagten im Sinne der Anklage zu überführen, muss dem erkennenden Gericht nach dem Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung vorbehalten bleiben, dem durch die Einspruchsentscheidung nicht vorzugreifen ist (§ 215 Abs 5 StPO).
Da andere Einspruchsgründe weder vorgebracht wurden noch angezeigt sind, ist die Anklageschrift rechtswirksam.
RECHTSMITTELBELEHRUNG:
Gegen diese Entscheidung steht ein weiteres Rechtsmittel nicht zu (§ 214 Abs 1 StPO).