4R136/25v – OLG Innsbruck Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Innsbruck als Rekursgericht hat durch die Senatspräsidentin des Oberlandesgerichts Dr. Prantl als Vorsitzende sowie die Richter des Oberlandesgerichts Mag. Schallhart und Mag. Eppacher als weitere Mitglieder des Senats in der Rechtssache der klagenden Partei A* , vertreten durch Trefalt und Walch Rechtsanwälte GmbH in 6800 Feldkirch, wider die beklagte Partei B* AG , vertreten durch Dr. Martin Wuelz, MSc., Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, wegen (restlich) EUR 70.112,14 s.A., über den Kostenrekurs der klagenden Partei (Rekursinteresse EUR 25.628,29) gegen die im Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 8.7.2025, ** 78, enthaltene Kostenentscheidung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Spruch
Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben und die angefochtene Kostenentscheidung dahingehend abgeändert , dass diese insgesamt lautet wie folgt:
„3. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen zu Handen der Klagsvertretung die mit EUR 26.767,11 (darin EUR 3.068,39 an Umsatzsteuer und EUR 8.356,79 an Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz zu ersetzen.“
Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei zu Handen der Klagsvertretung binnen 14 Tagen die mit EUR 819,63 (darin EUR 136,60 an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig .
Text
Begründung:
Mit dem nur mehr im Kostenpunkt angefochtenen Urteil gab das Erstgericht dem restlichen Klagebegehren im zweiten Rechtsgang vollinhaltlich statt. Seine Kostenentscheidung stützte es auf § 43 Abs 1 ZPO. Sämtlichen Prozessphasen sei ein Streitwert von rund EUR 140.000,-- zugrunde gelegen. Der Kläger sei mit rund der Hälfte siegreich gewesen, daher sei mit Kostenaufhebung vorzugehen. Die Beklagte habe dem Kläger an Barauslagen EUR 8.281,16 und der Kläger der Beklagten EUR 2.298,50 an Barauslagen zu ersetzen.
Gegen diese Kostenentscheidung richtet sich der rechtzeitige Rekurs des Klägers. Er beantragt erkennbar, ihm weitere Kosten in Höhe von EUR 25.628,29 zuzusprechen (EUR 31.610,95 – EUR 8.281,16 + EUR 2.298,50). Der Rekursantrag ist verfehlt, da dieser – offenkundig irrtümlich – auf einen Zuspruch von nur EUR 21.435,86 gerichtet ist. Ein verfehlter Rekursantrag schadet jedoch nicht, wenn das Rechtsmittel durch Anfechtungserklärung und Ausführung genügend deutlich bestimmt wird (RS0043912). Dies ist hier der Fall. Die ausführlichen Berechnungen stimmen mit der Anfechtungserklärung überein. Der Rekursantrag beruht auf einer offenkundig irrtümlich unrichtigen Übernahme der auf Seite 5 unten des Rechtsmittels ausgeworfenen Vertretungskosten.
Der Rekurswerber macht geltend, dass das Erstgericht einerseits das Kostenprivileg nach § 43 Abs 2 ZPO anwenden hätte müssen. Andererseits habe das Erstgericht außer Acht gelassen, dass im zweiten Rechtsgang wegen Teilrechtskraft nur mehr der restliche Betrag von EUR 70.112,14 verfahrensgegenständlich gewesen sei. Mit diesem Betrag sei der Kläger zur Gänze durchgedrungen.
Die Beklagte beantragt in ihrer Kostenrekursbeantwortung, dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Kostenrekurs ist teilweise berechtigt.
1. Gegenstand des Verfahrens waren Ansprüche des Klägers aus einem Unfallversicherungsvertrag. Strittig war vor allem der Invaliditätsgrad und ob dieser einen Prozentsatz erreicht, der nach den Versicherungsbedingungen zu einer Progression der Invaliditätsentschädigung führt. Vorprozessual hatte die Beklagte bereits EUR 38.550,75 an Invaliditätsentschädigung geleistet. Der Kläger stand aber auf dem Standpunkt, dass insgesamt ein Betrag von EUR 158.608,80 an Invaliditätsentschädigung zustehe.
2. Der Kläger macht zutreffend geltend, dass das Kostenprivileg nach § 43 Abs 2 ZPO auf die Invaliditätsentschädigung anwendbar ist. Die Ratio des § 43 Abs 2 ZPO ist es, dem Kläger die mit der Bezifferung des Klagebegehrens verbundenen Schwierigkeiten abzunehmen (RS0122016). Die Einschätzung des Invaliditätsgrads und damit der Höhe des Klagebegehrens ist für den Kläger keinesfalls leicht, hängt sie doch von der Beurteilung einiger medizinischer Fragen ab. Die Höhe des Anspruchs ergibt sich aus der Ausmittlung durch Sachverständige (vgl 7 Ob 47/13g = RS0122016 [T2]).
§ 43 Abs 2 ZPO ist außerdem nur anwendbar, wenn die ziffernmäßige Höhe des Anspruchs vom Sachverständigen festgestellt werden muss (RS0035998), ein Unterliegen dem Grund nach ist nicht privilegiert. Auch darf keine Überklagung vorliegen. Eine solche liegt in der Regel vor, wenn der insgesamt erreichte Betrag unter 50 % der Klagsforderung liegt (vgl Obermaier , Kostenhandbuch 4 Rz 1.171).
Liegt eine Kombination aus privilegierten und nicht privilegierten Ansprüchen vor, ist für die Kostenberechnung der bereinigte, fiktive Streitwert zu ermitteln (vgl Obermaier , Kostenhandbuch 4 Rz 1.185).
3. Unabhängig davon, ob man die vorprozessual geleistete Zahlung in Höhe von EUR 38.550,75 mitberücksichtigt, lag in keiner der zu bildenden Phasen eine Überklagung hinsichtlich der Invaliditätsentschädigung vor. Wegen der Kombination mit anderen Ansprüchen, mit denen der Kläger teilweise, aber auch zur Gänze und zwar dem Grund nach unterlegen ist (Unfallrente, Heilbehandlungskosten, Feststellungsbegehren) ist der bereinigte Streitwert zu ermitteln. Dabei sind vier Phasen zu bilden. Weiters sind die von der Beklagten erhobenen Einwendungen gegen das Kostenverzeichnis des Klägers zu berücksichtigen.
4. Die erste Phase betrifft die Klage. Der bereinigte Streitwert betrug EUR 86.891,35 (Invaliditätsentschädigung EUR 69.391,35, Unfallrente EUR 12.500,--, Feststellungsbegehren EUR 5.000,--). Davon war der Kläger mit EUR 70.112,14 erfolgreich, dies entspricht 80 %. Er hat Anspruch auf 80 % der Pauschalgebühr auf einer Bemessungsgrundlage von EUR 86.891,35, dies sind EUR 3.112,--, 80 % hievon sind EUR 2.489,60.
An Vertretungskosten hat der Kläger Anspruch auf Ersatz in Höhe von 60 %, dies sind für diese Phase netto EUR 1.237,80.
5. Die zweite Phase umfasst den Schriftsatz vom 12.7.2023 (ON 5). Der bereinigte, fiktive Streitwert betrug EUR 88.391,35 (Invaliditätsentschädigung EUR 69.391,35, Unfallrente EUR 14.000,--, Feststellungsbegehren EUR 5.000,--). In dieser Phase war der Kläger mit 79 % erfolgreich. Er hat daher Anspruch auf Vertretungskostenersatz in Höhe von 58 % auf Basis der bereinigten Bemessungsgrundlage, dies sind netto EUR 898,04.
6. Die dritte Phase beginnt mit der Replik vom 31.7.2023 (ON 7) und endet mit der Verhandlung am 7.11.2024 (ON 54). Der fiktive Streitwert in dieser Phase beträgt EUR 89.609,64 (Invaliditätsentschädigung EUR 69.391,35, Unfallrente EUR 14.000,--, Heilbehandlungskosten EUR 1.218,29, Feststellungsbegehren EUR 5.000,--).
Die Einwendungen der Beklagten nach § 54 Abs 1a ZPO beziehen sich ausschließlich auf diese Phase. Sie sind teilweise berechtigt:
Die Replik vom 31.7.2023 (ON 7) ist nicht zu honorieren. Die dort vorgenommene Klagsausdehnung bezieht sich auf Heilbehandlungskosten, die bereits seit 2021 bekannt waren. Dieser Betrag und das weitere Vorbringen hätte entweder bereits in der Klage, im vorbereitenden Schriftsatz oder später in der vorbereitenden Tagsatzung geltend gemacht werden können.
Auch die Urkundenvorlage vom 23.8.2023 (ON 8) ist nicht zu honorieren, da diese Urkunden entweder in einem vorangehenden Schriftsatz oder in der vorbereitenden Tagsatzung gelegt werden hätten können.
Die Vertagungsbitte vom 14.2.2024 (ON 22) ist ebenfalls nicht zu entlohnen, da diese in die Sphäre des Klägers fällt (§ 48 Abs 1 ZPO).
Die Urkundenvorlage vom 8.3.2024 (ON 26) fiel nur an, weil der Kläger in der vorbereitenden Tagsatzung die Beilage J nicht digital vorgelegt hatte. Auch dieser Umstand fällt in seine Sphäre, sodass der Schriftsatz nicht zu honorieren ist.
Der Schriftsatz vom 20.3.2024 (ON 28) enthielt zweckentsprechendes Vorbringen samt Beweisanbot. Dieser Schriftsatz ist allerdings nicht nach TP 3A, sondern nach dem Auffangtatbestand nach TP 2.I.1.e RATG zu honorieren, da es sich weder um einen aufgetragenen, noch um einen vorbereitenden Schriftsatz handelt.
Für die (aufgetragene) Mitteilung vom 13.5.2024 (ON 42) steht keine Entlohnung zu. Der Kläger hat keinen Einwand gegen den vom Gericht vorgeschlagenen Sachverständigen erhoben. Auch der Hinweis, dass allfällige Einwendungen nach Rücksprache noch binnen der gesetzten Frist erfolgen würden, war nicht zweckentsprechend. Der Kläger ließ die Frist ungenützt verstreichen. Es hätte daher überhaupt keines Schriftsatzes bedurft.
In dieser Phase war der Kläger mit 78 % erfolgreich, er hat daher Anspruch auf Vertretungskostenersatz in Höhe von 56 % auf Basis der fiktiven Bemessungsgrundlage. Die zu honorierenden Vertretungskosten belaufen sich in dieser Phase auf EUR 10.850,70, davon 56 % ergibt netto EUR 6.076,39.
Die Beklagte hat auch zutreffend Einwendungen gegen die verzeichneten Sachverständigengebühren in Höhe der Kostenvorschüsse erhoben. Die Gebühren für das unfallchirurgische Gutachten betrugen insgesamt EUR 2.661,--, für das urologische Gutachten EUR 3.620,--. Dazu kommen Barauslagen in Höhe von EUR 292,32, dies ergibt summiert EUR 6.573,32, 78 % hievon sind EUR 5.127,19.
7. Die vierte Phase betrifft das Berufungsverfahren im ersten Rechtsgang und den zweiten Rechtsgang vor dem Erstgericht. Infolge rechtskräftiger Teilabweisung war restlich nur mehr ein Betrag von EUR 70.112,14 verfahrensgegenständlich (Invaliditätsentschädigung EUR 69.391,35, Heilbehandlungskosten EUR 720,79). Mit diesem Betrag war der Kläger zu 100 % siegreich. Einwendungen durch die Beklagte wurden in dieser Phase nicht mehr erhoben. Für diese Phase hat der Kläger daher Anspruch auf ungekürzten Vertretungskostenersatz in Höhe von netto EUR 7.129,70 und Barauslagenersatz in Höhe von EUR 740,--.
8. Da die Beklagte mit den im ersten Rechtsgang noch berufungsgegenständlichen Ansprüchen in Höhe von EUR 70.112,14 letztendlich unterlag, hat sie keinen Anspruch auf Ersatz der Pauschalgebühr für ihre Berufung vom 19.2.2024.
9. Insgesamt hat der Kläger daher Anspruch auf Vertretungskostenersatz
in Höhe von EUR 15.341,93
zuzüglich USt in Höhe von EUR 3.068,39 ,
dies sind EUR 18.410,32.
Dazu kommen Barauslagen in Höhe von EUR 8.356,79 ,
sodass die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens insgesamt
mit EUR 26.767,11
zu bestimmen waren. Die angefochtene Entscheidung war in diesem Sinne abzuändern.
10. Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens stützt sich auf §§ 50, 43 Abs 1 ZPO iVm § 11 Abs 1 RATG. Der Kläger konnte einen Erfolg von EUR 20.784,45 erzielen (EUR 26.767,11 - EUR 8.281,16 + EUR 2.298,50), dies entspricht 81 % von EUR 25.628,29. Er hat daher Anspruch auf Ersatz seiner Rekurskosten im Umfang von 62 %, dies sind EUR 819,63 (darin EUR 136,60 an USt).
11. Der absolute Rechtsmittelausschluss ergibt sich aus § 528 Abs 2 Z 3 ZPO.