JudikaturOLG Innsbruck

11Bs127/25a – OLG Innsbruck Entscheidung

Entscheidung
05. August 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch den Senatspräsidenten Mag. Dampf als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. a Hagen und Mag. a Obwieser als weitere Mitglieder des Senats in der Strafsache gegen A*wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB über die Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit und des Ausspruchs über die Strafe gegen das einzelrichterliche Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 9.1.2025, GZ ** 19, nach der am 5.8.2025 in Anwesenheit der Schriftführerin Rp Mag. a Egger, des Sitzungsvertreters der Oberstaatsanwaltschaft OStA Mag. Willam, des Angeklagten und seiner Verteidigerin RA Dr. in Emelle Eglenceoglu öffentlich durchgeführten Berufungsverhandlung am selben Tag zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird n i c h t Folge gegeben.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der ** geborene A* des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB schuldig erkannt.

Demnach hat er am 13.04.2024 in B* C* vorsätzlich am Körper verletzt und dadurch eine schwere Körperverletzung bei ihr herbeigeführt, indem er ihr einen ([US 3] wuchtigen) Faustschlag ins Gesicht versetzte, wodurch sie eine Orbitaboden- und Kieferhöhlenfraktur, sohin eine an sich schwere Körperverletzung, die mit einer länger als vierundzwanzig Tage dauernden Gesundheitsschädigung verbunden war, erlitt.

Hiefür verhängte die Einzelrichterin über den Angeklagten nach § 84 Abs 4 StGB in Anwendung des § 37 Abs 1 StGB eine Geldstrafe von 480 Tagessätzen á EUR 14,--, im Uneinbringlichkeitsfall 240 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, sah davon gemäß § 43a Abs 1 StGB einen Teil von 240 Tagessätzen unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nach und verurteilte den Angeklagten gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens.

Gegen dieses Urteil meldete der anwaltlich vertretene Angeklagte rechtzeitig „Rechtsmittel“ an (ON 16) und führte die Berufung wegen Nichtigkeit und des Ausspruchs über Strafe fristgerecht schriftlich aus (ON 22). Das Rechtsmittel zielt auf ein diversionelles Vorgehen, in eventu auf eine Herabsetzung der Strafe und eine bedingte Nachsicht der gesamten bzw von drei Viertel der Geldstrafe ab. Auf die nach § 467 Abs 3 StPO implizierte Schuldberufung verzichtete er ausdrücklich (siehe Schriftsatz vom 31.7.2025).

Rechtliche Beurteilung

Die Darstellung einer Diversionsrüge(§ 281 Abs 1 Z 10a iVm § 489 Abs 1 StPO) ist - unter Beachtung der Notwendigkeit des kumulativen Vorliegens der Voraussetzungen des § 198 StPO - auf Basis der Urteilsfeststellungen methodisch korrekt zu entwickeln ( Ratz, WK StPO § 281 Rz 659 f; RISJustiz RS0119091 [T1 und T3], RS0124801). Diesem Erfordernis wird die Rüge nicht gerecht, da sie nicht argumentativ darlegt, weshalb die im angefochtenen Urteil konstatierten (zwei) intervenierenden diversionellen Erledigungen (ON 13, 1 [Pkt 9 und Pkt 19]) und die Vorstrafe (ON 12) keine diversionshindernden spezialpräventiven Bedenken begründen sollten (vgl Schroll/Kert, WK StPO § 198 Rz 38 f).

Bei der Strafbemessungging die Erstrichterin zutreffend von einer Sanktionsbefugnis von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe aus (§ 84 Abs 4 StGB). Sie wertete die teilweise geständige Verantwortung des Angeklagten als mildernd, erschwerend hingegen die „Vorstrafenbelastung“ und den Umstand, dass die Verletzungsfolge doppelt qualifiziert ist.

Diese Strafzumessungsgründe sind wie folgt zu korrigieren:

Der herangezogene besondere Milderungsgrund nach § 34 Abs 1 Z 17 StGB hat trotz der Erklärung des Angeklagten zu Beginn der Hauptverhandlung, er bekenne sich zum Anklagevorwurf schuldig, es stimme so, wie es im Strafantrag stehe (PS 2), zu entfallen. Seinen Schilderungen in seiner kriminalpolizeilichen Einvernahme (Sie [C*] ist irgendwie in Richtung zu meinem Körper gekommen und ich habe aus Versehen oder aus Reflex mit meiner rechten Hand in ihren Gesichtsbereich geschlagen. [ON 2.5, 4]) und in der Hauptverhandlung (Sie [C*] kam dann auf mich zu und ist meine Hand in ihr Gesicht geraten. Ich weiß gar nicht genau, ob es ein Faustschlag war oder nicht. [PS 3]) kommt weder die Bedeutung eines reumütigen Geständnisses, noch mit Blick auf die Aussage der Zeugin C* (ON 2.6), dem Ambulanzbericht des Landeskrankenhauses B* (ON 2.7) und der vorliegenden Lichtbilder (ON 2.8), bei der gegebenen Beweislage ein wesentlicher Beitrag zur Wahrheitsfindung zu (RISJustiz RS0091465; Riffelin WK² StGB § 34 Rz 38 mwN).

Ebenso hat der besondere Erschwerungsgrund nach § 33 Abs 1 Z 2 StGB zu entfallen, weil der Angeklagte bislang noch nicht wegen einer auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Tat verurteilt wurde. Seine Strafregisterauskunft weist eine Eintragung auf. Mit Urteil des Bezirksgerichts Bregenz vom 12.10.2022, AZ **, wurde er wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgift nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG schuldig erkannt und zu einer unbedingten Geldstrafe verurteilt. Diese Verurteilung beruht aber nicht auf der gleichen schädlichen Neigung (§ 71 StGB) wie das nunmehrige Verbrechen der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB, da nicht jedes Suchtmitteldelikt per se auch gegen die körperliche Integrität gerichtet ist. Dies trifft zwar auf die Weitergabe von Suchtgift an Dritte zu, nicht aber für den bloßen Erwerb und Besitz für den Eigenkonsum (RISJustiz RS0091972 [T6]), worauf selbst das Erstgericht an anderer Stelle (US 6) zutreffend hinweist. Die Vorstrafe hat allerdings zur Folge, dass der Milderungsgrund des bisher ordentlichen Lebenswandels des Angeklagten und der auffallende Widerspruch der Tat mit seinem sonstigen Verhalten (§ 34 Abs 1 Z 2 StGB) dem Berufungsvorbringen zuwider nicht zur Anwendung gelangt.

Die wiederholten Entschuldigungen beim Opfer sowie die Begleitung des Opfers zur Apotheke und ins Krankenhaus stellen fallaktuell ein positives Nachtatverhalten dar, das im Rahmen allgemeiner Strafbemessung mildernd zu werten ist ( RiffelaaO § 32 Rz 37 ff). Allerdings kommt der aufgrund der gesetzlichen Verpflichtung nach § 38a Abs 8 SPG absolvierten Gewaltpräventionsberatung mangels Freiwilligkeit ebenso keine strafmildernde Wirkung zu (OLG Innsbruck, 7 Bs 18/23i und OLG Graz 10 Bs 116/22t) wie dem bloßen Umstand, dass der Tätlichkeit des Angeklagten ein Streit vorangegangen ist.

Mit Blick auf die korrigierten besonderen Strafzumessungsgründe, bei denen der Berufung zuwider die Milderungsgründe nicht überwiegen, sowie die allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung im Sinn des § 32 StGB ist die vom Erstgericht ausgesprochene Sanktion schuld- und tatangemessen und daher nicht korrekturbedürftig.

Eine – wie vom Berufungswerber angestrebt – zur Gänze bedingte Nachsicht der Geldstrafe gemäß § 43 Abs 1 StGB sieht das Gesetz bei Geldstrafen nicht vor (§ 43 Abs 1 und § 43a Abs 1 StGB); einer weitergehenden bedingten Nachsicht der Geldstrafe im Ausmaß von drei Viertel steht die Vorstrafe, im Rahmen derer der Angeklagte bereits zu einer unbedingten Geldstrafe verurteilt wurde, aus spezialpräventiven Gründen entgegen.

Die - nicht kritisierte - Höhe des einzelnen Tagessatzes bedurfte mit Blick auf die vom Erstgericht unbedenklich festgestellten persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Berufungswerbers unter Heranziehung der Existenzminimumtabelle 1bm des Bundesministeriums für Justiz als Orientierungshilfe ebenfalls keiner Korrektur.

Der Kostenausspruch ist Folge des Ausgangs des Rechtsmittelverfahrens und stützt sich auf die angeführte Gesetzesstelle.