6Bs57/25w – OLG Innsbruck Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch den Richter Mag. Melichar als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Dr. Klammer und Mag. Obwieser als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A*wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB über die Berufung des Angeklagten wegen der Aussprüche über die Strafe und die privatrechtlichen Ansprüche gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Geschworenengericht vom 14.10.2024, GZ ** 81, nach der am 16.04.2025 in Anwesenheit des Schriftführers Rp Ing. Hollenstein LL.B. LL.M., der Oberstaatsanwältin Mag. Draschl, des Privatbeteiligtenvertreters RAA Mag. Kraft-Kinz, Kanzlei Lorenz Strobl RAe GmbH, des Angeklagten und seines Verteidigers RA Dr. Obholzer öffentlich durchgeführten Berufungsverhandlung am selben Tag zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird n i c h t Folge gegeben.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ** geborene A* aufgrund des Wahrspruchs der Geschworenen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt und nach dieser Gesetzesstelle zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe sowie gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt.
Gemäß § 21 Abs 2 StGB wurde A* in einem forensisch-therapeutischen Zentrum untergebracht.
Weiters wurde der Angeklagte gemäß § 369 Abs 1 StPO zur Zahlung eines Betrages von EUR 14.457,-- binnen 14 Tagen an die Privatbeteiligten B* C*, D* C* und E* C* verpflichtet.
Die erlittene Vorhaft wurde gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB auf die Strafe angerechnet. Gemäß § 26 Abs 1 StGB wurden die sichergestellten und zur Tatbegehung verwendeten Messer eingezogen und vernichtet.
Nach dem Wahrspruch der Geschworenen hat A* zu einem nicht exakt feststellbaren Zeitpunkt am ** oder ** in ** F* C* durch Zufügen von Schnitt- und Stichverletzungen an der Halsvorderseite, wodurch es zur Durchtrennung der Halsarterie kam, getötet.
In den Entscheidungsgründen wird auf den vollständigen, deutlichen und widerspruchsfreien Wahrspruch der Geschworenen, der dem Urteil zugrunde gelegt wurde, verwiesen.
Bei der Strafzumessung wurden die verminderte Diskretions- und Dispositionsfähigkeit des Angeklagten sowie das „Tatsachengeständnis“ mildernd berücksichtigt, erschwerend sei die Vorstrafenbelastung des Angeklagten und die Verwendung von Waffen bei der Tatbegehung.
Laut den Entscheidungsgründen litt der Angeklagte während der Tat unter einer schweren Persönlichkeitsstörung mit emotionalen instabilen Zügen und Persönlichkeitsanteilen auf Borderline-Niveau, wobei es sich um eine andauernde schwere psychische Störung handelt. Im unbehandelten Zustand wäre zu erwarten, dass der Angeklagte in absehbarer Zukunft bzw längstens in 5 bis 6 Monaten, schwere strafbare Handlungen, insbesondere gegen Leib und Leben, wie zB schwere Körperverletzungen, begehen würde.
Den Privatbeteiligten seien Begräbniskosten und Kosten für Tatort-Bodenreinigung im Betrag von insgesamt EUR 14.457,-- zuzusprechen gewesen.
Die gegen dieses Urteil erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wurde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 19.02.2025, 13 Os 114/24z 4, zurückgewiesen und die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zur Entscheidung über die Berufung zugeleitet (ON 87).
Die Berufung des Angeklagten wegen der Aussprüche über die Strafe und die privatrechtlichen Ansprüche (ON 83) mündet in die Anträge, die verhängte Freiheitsstrafe tat- und schuldangemessen herabzusetzen und der Berufung gegen den Privatbeteiligtenzuspruch Folge zu geben. In der Berufungsverhandlung erklärte der Verteidiger, dass die Anordnung der Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 2 StGB ausdrücklich nicht angefochten wird.
Die Oberstaatsanwaltschaft vertritt in ihrer Stellungnahme die Ansicht, der Berufung werde nicht Folge zu geben sein.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung dringt nicht durch.
Die in der Berufung relevierten Milderungsgründe, nämlich ein als wesentlicher Beitrag zur Wahrheitsfindung zu wertendes Tatsachengeständnis sowie die eingeschränkte Diskretions- und Dispositionsfähigkeit des Angeklagten wurden vom Erstgericht bereits berücksichtigt. Ein reumütiges Geständnis liegt nicht vor, zumal vom Berufungswerber auch in der Hauptverhandlung die subjektive Tatseite bestritten wurde (ON 80 AS 4). Er gestand zwar seine Täterschaft zu, gab andererseits aber an, sich an die Tat selbst nicht erinnern zu können und mit Sicherheit kein Mörder zu sein. In der Hauptverhandlung sprach er davon, vom Opfer mit einer Waffe bedroht worden zu sein, und gab andererseits anlässlich seiner polizeilichen Einvernahme (ON 9.2) an, es sei zu sexuellen Handlungen mit dem Opfer gekommen und habe ** ihm auf den Kopf geschlagen, woraufhin es zu einem Kampf gekommen sei. Er habe ihn umgebracht, weil dieser ihn rassistisch provoziert habe, woraufhin er voll aggressiv geworden und explodiert sei. Er konnte sich auch daran erinnern, dass er die Leiche mit einer Decke abgedeckt habe, welcher Umstand bei Auffinden der Leiche festgestellt werden konnte. Der Aussage des Angeklagten in der Hauptverhandlung, anlässlich der polizeilichen Einvernahme habe er nicht gewusst, was er da sage (ON 80 AS 9), ist entgegenzuhalten, dass er bei dieser Einvernahme (ON 9.2 AS 3) zunächst nach einem Rechtsanwalt verlangte, dann angab, er sei psychisch krank, die Dolmetscherin würde falsch übersetzen und er wolle die Vernehmung in deutscher Sprache führen, und schließlich mit seiner Mutter in ** telefonierte. Das als wesentlicher Beitrag zur Wahrheitsfindung gewertete Tatsachengeständnis des Angeklagten beschränkt sich darauf, dass er seine Täterschaft nicht bestritt, sich betreffend weiterer Angaben aber auf seine fehlende Erinnerung berief. Dieser Milderungsgrund ist dennoch zu werten, zumal bereits aufgrund der ersten Vernehmung des Angeklagten von dessen Täterschaft ausgegangen werden konnte.
Die vom Sachverständigen konstatierte (lediglich) eingeschränkte Diskretions- und Dispositionsfähigkeit wurde vom Erstgericht ausreichend berücksichtigt.
Aber auch die vom Erstgericht erkannten Erschwerungsgründe liegen vor.
Die Vorstrafenbelastung des Angeklagten ist dahingehend zu konkretisieren, dass die Strafregisterauskünfte aus **, **, ** und ** insgesamt vier einschlägige Vorstrafen aufweisen. Der Angeklagte wurde mit Urteil eines ** Gerichtes vom 08.12.2011, rechtskräftig seit 16.12.2011, wegen eines Gewaltdeliktes gegen eine Person zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, die für eine Probezeit von drei Jahren zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt. Die Aussetzung der Strafe wurde in der Folge widerrufen. Mit weiterem Urteil eines ** Gerichtes vom 16.05.2013, rechtskräftig seit 12.06.2013, wurde der Angeklagte wiederum wegen einer Gewalttat gegen eine Person zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Ob diese Strafe vollzogen worden ist, ist der Strafregisterauskunft nicht zu entnehmen.
Eine weitere Verurteilung erfolgte durch ein ** Gericht am 01.03.2016, rechtskräftig seit 23.05.2016, wegen Raubes zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten, die für eine Dauer von drei Jahren und sechs Monaten ausgesetzt wurde. Die durch das ** vom 18.11.2016, rechtskräftig seit 03.03.2017, wegen Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung in zwei Fällen und versuchtem Betrug in einem Fall erfolgte Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren wurde teilweise vollzogen und teilweise zur Bewährung ausgesetzt. Schließlich wurde der Angeklagte vom Bezirksgericht ** mit Urteil vom 07.03.2019, rechtskräftig seit 12.03.2019, zu ** wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB zu einer Geldstrafe verurteilt. Diese Verurteilung steht nach den tatsächlichen Verhältnissen im Zusatzstrafenverhältnis zu einem Urteil des ** vom 11.01.2019, rechtskräftig seit 28.02.2019, mit welchem der Angeklagte wegen falscher Verdächtigung ebenfalls zu einer Geldstrafe verurteilt worden war.
Insgesamt ist sohin von vier einschlägigen Vorstrafen auszugehen.
Die Verwendung von Waffen, nämlich von Messern, wurde zu Recht im Sinne des § 33 Abs 2 Z 6 StGB erschwerend gewertet.
Im Rahmen des § 32 Abs 3 letzter Halbsatz StGB ist überdies die Tatbegehung in der Wohnung des Opfers (12 Os 71/89), die Art der Tatausführung, zumal von einem Würgevorgang sowie von zumindest vier tiefen Schnittverletzungen und mehreren Stichverletzungen gegen die Halsvorderseite und die rechte hintere Hals-Nacken-Region auszugehen ist (ON 43 AS 6), wie auch der Umstand, dass das Opfer am linken Arm einen vom Handknöchel bis nahe des Schultergelenkes reichenden Spaltgips trug (ON 4.5 S 6, ON 43 S 5 und S 22, Lichtbilder ON 67.2 AS 77 f), sodass die Abwehrfähigkeit des Opfers zumindest herabgesetzt war, aggravierend zu werten.
Trotz der herabgesetzten Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten und seines Beitrages zur Wahrheitsfindung ist unter Berücksichtigung der einschlägigen Vorstrafenbelastung, der Erwägungen zu den allgemeinen Grundsätzen der Strafbemessung nach § 32 StGB, des Unrechtsgehaltes der Tat und der personalen Täterschuld die verhängte lebenslange Freiheitsstrafe schuld- und tatangemessen.
Mit seiner Berufung wegen des Ausspruches über die Privatbeteiligtenansprüche macht der Berufungswerber geltend, der Angeklagte sei zum Tatzeitpunkt nicht zurechnungs- und somit nicht schuldfähig gewesen und käme damit ein schadenersatzrechtlicher Zuspruch nicht in Frage.
Von einer Schuldunfähigkeit ist nicht auszugehen. Nach § 1327 ABGB sind im Fall der Tötung eines Menschen alle durch den Tod verursachten Kosten, so auch die Kosten eines angemessenen Begräbnisses oder die Kosten der Reinigung des Tatortes zuzusprechen ( Spenling in Fuchs/Ratz WKStPO § 369 Rz 28 mwN). Diese wurden von den Privatbeteiligten belegt (Rechnungen in ON 76), sodass der Zuspruch weder dem Grunde noch der Höhe nach zu bemängeln ist.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Spruch angeführte Gesetzesstelle.