Das Oberlandesgericht Innsbruck als Berufungsgericht hat durch die Senatspräsidentin des Oberlandesgerichts Dr. Prantl als Vorsitzende sowie die Richter des Oberlandesgerichts Mag. Schallhart und Mag. Eppacher als weitere Mitglieder des Senats in der Rechtssache der klagenden Partei A* , vertreten durch Proxauf Meyer Zeilinger Rechtsanwälte GmbH in Innsbruck, wider die beklagte Partei B* , vertreten durch Dr. Gernot Moser, Mag. Philipp Moser, Mag. Dominik Kellerer, Rechtsanwälte in Schwaz, wegen EUR 100.141,92 s.A. und zwei Zwischenanträgen auf Feststellung (Streitwert je EUR 2.000,--), über die Berufung der beklagten Partei (Berufungsinteresse EUR 51.289,24) gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 26.7.2024, ** 20, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird keine Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen zu Handen der Klagsvertreterin die mit EUR 3.718,62 (darin enthalten EUR 619,77 an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
Der Kläger ist Alleineigentümer des Einfamilienhauses ** in ** mit einer Wohnfläche von etwa 300 m² auf der Liegenschaft EZ **, KG **, das er alleine finanzierte. Die Streitteile gingen 2003/2004 eine Lebensgemeinschaft ein. Sie zogen mit den ** und ** geborenen Kindern der Beklagten in das Haus ein. Die Beklagte und deren Kinder zahlten während aufrechter Lebensgemeinschaft weder Mietzins noch Betriebskosten an den Kläger. Als sich das Ende der Lebensgemeinschaft ankündigte, schickte die Beklagte dem Kläger am 17.5.2019 eine E Mail, in der sie die bisherige gemeinsame Zeit („ein paar Gedanken zu den letzten 16 Jahren“) Revue passieren ließ. Der Kläger machte auf dieser E Mail und einem separaten Zettel handschriftliche Anmerkungen zu den einzelnen von der Beklagten angesprochenen Punkten. Dabei vermerkte er unter anderem:
„mag die beiden genauso wenn nicht mehr als die eigenen Ki
ich werde dein größter Helfer sein noch Jahre auf der LOHNLISTE!!
Auf die Kinder schauen!!
ich kann auch aus dem Haus ausziehen!!! Kannst dort bleiben – für immer!
Wenn wir uns trennen, dann bitte auf intelligente Weise, mit gegenseitigen Respekt, Stil usw.
und in großer Freundschaft und Verbundenheit!!
Das ist mein größter Wunsch!!
ich möchte nicht, daß C* D* einen 2ten großen Umbruch erleben/erleiden müssen!!
beide haben weiter das zu Hause (2tes) hier Privathaus und Hotel – Nachfolge etc.“
Einige Tage später fand eine Aussprache zwischen den Streitteilen statt, bei welcher der Kläger der Beklagten die E Mail samt seinen handschriftlichen Notizen übergab. Über die E Mail sprachen die beiden nur kurz. Die handschriftlichen Anmerkungen des Klägers wurden nicht näher besprochen, insbesondere nicht das Thema Wohnen.
Die Beklagte ging davon aus, dass ihr der Kläger mit seiner schriftlichen Anmerkung „kannst dort bleiben – für immer!“ versprochen habe, auch nach Ende der Lebensgemeinschaft für immer im Haus wohnen zu können. Die Beklagte nahm zudem an, dass sie das Haus kostenlos bzw unentgeltlich bewohnen dürfe, weil der Kläger keinen für das Wohnen zu entrichtenden Betrag, keine Miete erwähnt habe.
Der Kläger verstand seine handschriftliche Anmerkung so, dass die Beklagte für immer im Haus wohnen kann, dies allerdings nicht auf Dauer unentgeltlich, sondern entweder durch einen späteren Erwerb oder durch Zahlung von Miete für die Nutzung des Hauses. Der Kläger wollte der Beklagten zu keinem Zeitpunkt eine lebenslange, kostenlose Wohnmöglichkeit in seinem Haus zur Verfügung stellen bzw einräumen. Er war aber damit einverstanden, dass die Beklagte vorerst, bis eine gemeinsame Lösung gefunden wird, kostenlos im Haus bleiben darf. Die Lebensgemeinschaft der Streitteile endete endgültig im Jahr 2020. Der Kläger zog aus dem bis dahin gemeinsam bewohnten Haus im September 2020 aus. Die Klägerin und ihre beiden volljährigen Kinder bewohnen seitdem weiterhin das Haus, ohne Mietzins oder Betriebskosten zu zahlen. Auch nach dem Auszug des Klägers führten die Streitteile kein Gespräch über das Thema Wohnen der Beklagten im Haus.
Am 8.3.2021 schrieb der Kläger an die Beklagte eine E Mail mit unter anderem folgenden Inhalt:
„viel mehr möchte ich einen Weg finden, der für dich, [die Kinder] und mich akzeptabel ist und zu dem wir stehen können. Dabei liegen mir deine Kinder am Herzen, damit sie in Ruhe und ohne Konflikte ihre sportlichen Ziele verfolgen können ...!!
Dabei müsstest du mir bitte zu den nachstehenden Punkten deine Meinung mitteilen.
Die Beklagte wies in ihrer Antwort mit E Mail vom 10.3.2021 auf die handschriftliche Bemerkung des Klägers in ihrer E Mail vom 17.5.2019 hin. Unter anderem schrieb sie:
„Zu deiner Aussage bzw. Angebot das du mir im Mai 19 gemacht hast !
Wenn wir uns trennen,dann bitte auf intelligente Weise, mit gegenseitigen Respekt in großer Freundschaft und Verbundenheit!
Das ist mein größter Wunsch!
Ich werde dein größter Helfer sein
Noch Jahre auf der Lohnliste
Auf die Kinder schauen
Ich kann auch aus dem Haus ausziehen
Kannst dort bleiben für immer!!
PS: Eine wahre Lösung ist nur, wenn alle Beteiligten Gewinner sind
Freue mich in nächster Zeit auf ein persönliches Gespräch mit dir.
Alles Liebe
B*“
Über diese E Mail-Korrespondenz im Jahr 2021 fand kein weiterer persönlicher Austausch zwischen den Streitteilen mehr statt, insbesondere wurde kein Gespräch über eine allfällige von der Beklagten zu leistende Miete geführt.
Am 2.5.2022 übermittelte der Kläger der Beklagten ein als „Dauerrechnung Miete Objekt **“ bezeichnetes und vom Kläger handschriftlich unterfertigtes Schreiben mit folgendem Inhalt:
„Der Mietzins ab 01.05.2022 beträgt monatlich € 1.500,00.
Die Rechnung hat nur solange Geltung, als sie nicht durch eine geänderte Rechnung ersetzt wird, wodurch die bisherige Rechnung ihre Gültigkeit verliert. Sie verliert weiters Ihre Gültigkeit, wenn das Bestandsverhältnis endet.
Bitte um Überweisung bis zum 20. d. M. auf folgendes Konto: ...“
Mit diesem Schreiben forderte der Kläger die Beklagte erstmals zur Bezahlung eines Mietzinses in konkret bezifferter Höhe auf. Ab diesem Zeitpunkt war der Kläger mit einer weiterhin kostenlosen Nutzung des Hauses durch die Beklagte nicht mehr einverstanden. Sie antwortete einige Tage später auszugsweise wie folgt:
„ich habe überrascht … dein Schreiben … erhalten, mit dem du eine Dauerrechnung für Miete (???) zum „Objekt ...“ übermittelt hast. Wie unter Erinnerung an deine Versprechen … klargestellt bin ich nicht deine Mieterin. … Du hast mir vor Jahren ein unentgeltliches lebenslanges Wohnrecht zugesichert und eingeräumt. Dieses habe ich auch (seit Jahren) angenommen und ausgeübt (und werde das auch weiter tun). Ich weiß nicht, wie du auf die Idee kommst, dass ich dir hinkünftig plötzlich etwas bezahlen muss. An bisherige Korrespondenz zu meinem Wohnrecht aus vergangener Zeit erinnere ich nur am Rande. … Gleichzeitig bestehe ich aber auf die mir eingeräumten und ausgeübten Rechte.“
Per WhatsApp-Nachricht vom 22.7.2022 bat der Kläger die Beklagte um ein persönliches Gespräch und ersuchte sie, „das Mail, in dem ich dir ein lebenslanges kostenloses Wohnrecht zugesichert habe“ mitzunehmen. Der Vorlage dieser besagten E Mail kam die Beklagte nicht nach. Ob das Gespräch stattfand, ist nicht feststellbar. Am 5.8.2022 schrieb der Kläger der Beklagten auszugsweise:
„Festhalten möchte ich schon dezidiert, dass ich dir niemals ein kostenloses Wohnrecht zugesichert habe. … In der ersten Emotion nach diesem Ärger habe ich dir mitgeteilt, du könntest im Haus bleiben. Dieses Versprechen revidiere ich aber aus dem Grund, dass du nicht bereit bist eine Miete oder Wohnkostenbeitrag zu leisten.“
Dieses Schreiben beantwortete die Beklagte einige Tage später, genauer Zeitpunkt ist nicht feststellbar, und berief sich darauf, dass ihr der Kläger ein kostenloses Wohnrecht zugesichert und ihr versprochen hätte, im Haus bleiben zu können. Daraufhin wandte sich der Kläger an den Verein E* mit dem Ziel, unter Einschaltung eines Dritten zu einer Lösung zu gelangen. Ein Vereinsvertreter bat am 26.10.2022 in einem Schreiben an die Beklagte um ein persönliches Gespräch ohne Beiziehung des Klägers und wies auf die Einleitung gerichtlicher Schritte hin, wenn keine Lösung zustande komme. Die Beklagte antwortete unter anderem, das Wohnrecht sei für immer wirksam.
Mit Schreiben vom 17.11.2022 forderte der Klagsvertreter die Beklagte zum Verlassen des Einfamilienhauses auf und bot ihr gleichzeitig den Abschluss eines Räumungsvergleichs bis 28.2.2023 an. Die Beklagte ließ sich auf das Angebot nicht ein. Daraufhin brachte der Kläger am 9.12.2022 beim Bezirksgericht Schwaz gegen die Beklagte und deren Kinder Räumungsklagen ein.
Die Betriebskosten und Aufwendungen, die unmittelbar mit dem Gebrauch des Bestandobjekts verbunden sind, belaufen sich monatlich auf EUR 781,72. Der angemessene und ortsübliche Mietzins für die Nutzung des Hauses beträgt zumindest EUR 2.000 pro Monat. Der Kläger hat bislang keine Betriebskosten vorgeschrieben oder deren Zahlung verlangt. Die Beklagte zahlte bislang weder Miete noch Betriebskosten.
Von diesem Sachverhalt ist im Berufungsverfahrens auszugehen (§ 498 Abs 1 ZPO).
Der Kläger begehrte die Zahlung von EUR 100.141,92 s.A. (Miete von EUR 2.000 und Betriebskosten von EUR 781,42 für 36 Monate) und brachte vor, er habe der Beklagten und deren Kindern gestattet, vorläufig im Haus wohnen zu bleiben. Trotz Aufforderung zahle die Beklagte weder Miete noch Betriebskosten. Die Beklagte nutze das Haus titellos gegen den ausdrücklichen Willen des Klägers. Er habe der Beklagten kein Wohnrecht eingeräumt.
Die Beklagte wandte ein, der Kläger habe ihr ein lebenslanges, unentgeltliches Wohnrecht zugesichert, welches beinhalte, dass auch ihre Kinder mit ihrem Einverständnis auf der Liegenschaft aufhältig sein dürften. Das Recht sei im Grundbuch nicht einverleibt, die Beklagte lebe dieses Recht aber seit Jahren. Der Kläger habe ihr gestattet, für immer im Haus wohnen zu dürfen, während er selbst ausgezogen sei. Es habe sich nicht um ein vorläufiges Recht gehandelt. Die Einräumung des Wohnrechts sei durch Antwort des Klägers auf das E Mail der Beklagten vom 17.5.2019 geschehen. Hinsichtlich des später vom Kläger geäußerten Ansinnens auf Zahlung von Miete habe sie ihn auf sein Versprechen hingewiesen. Es seien niemals Betriebskosten vorgeschrieben oder Abrechnungen übermittelt worden. Betriebskosten würde sie bei entsprechender Vorschreibung bezahlen. Die handschriftlichen Vermerke des Klägers auf ihrer E Mail seien als unentgeltliche Einräumung eines Wohnrechts zu verstehen. Die Beklagte stellte zwei Zwischenanträge auf Feststellung samt Eventualanträgen dahingehend, dass ihr (und ihren Kindern) ein dingliches/obligatorisches Fruchtgenussrecht/Wohnungsgebrauchsrecht an der Liegenschaft eingeräumt worden sei. Die Zwischenfeststellungsanträge bewertete die Beklagte mit je EUR 2.000,-- (ON 5).
Das Erstgerichtwies die Zwischenanträge auf Feststellung ab und gab dem Klagebegehren im Umfang von EUR 47.289,24 samt Zinsen statt. Das Mehrbegehren von EUR 52.852,68 samt Zinsen wies es ab. Es ging dabei vom eingangs wiedergegebenen Sachverhalt aus, den es rechtlich dahingehend beurteilte, dass in den gegen die Beklagte und deren Kinder anhängigen Parallelverfahren vor dem Bezirksgericht Schwaz noch keine rechtskräftigen Entscheidungen vorlägen, weshalb keine Bindungswirkung nach § 411 ZPO vorliegen könne. Der Beklagten sei nicht gelungen, einen von der bereits aufgelösten Lebensgemeinschaft unabhängigen Rechtstitel zu nachzuweisen, das Haus unentgeltlich zu benützen. Die Auslegung des handschriftlichen Vermerks des Klägers ergebe nach dem Wortsinn lediglich, dass die Beklagte zwar für immer im Haus bleiben könne, nicht jedoch, dass sie das Haus unentgeltlich nutzen dürfe. Es bleibe offen, auf welcher rechtlichen Grundlage die Nutzung zu erfolgen habe, etwa durch Wohnungsgebrauchsrecht, Miete oder Erwerb. Offen bleibe auch, ob die Erklärung für den Fall der aufrechten Lebensgemeinschaft oder auch für den Fall der Trennung zu gelten habe. Deshalb sei bei der Auslegung auch auf den Willen der Parteien abzustellen. Dass die Beklagte die Erklärung dahingehend verstanden habe, dass ihr ein unentgeltliches, lebenslanges Wohnungsgebrauchsrecht eingeräumt worden sei, bedürfe keiner Erläuterung. Unter Heranziehung des Wortlauts habe die Beklagte diese Erklärung aber nicht in diese Richtung verstehen dürfen. Der Wille des Klägers habe sich nicht darauf gerichtet. Die handschriftlichen Aufzeichnungen des Klägers seien nicht als Einräumung eines kostenlosen, lebenslangen Wohnrechts zu qualifizieren. Ein solcher Rechtsfolgewille sei daraus nicht ableitbar. Ebenso wenig könne die schlüssige Einräumung eines Wohnrechts zu Gunsten der Beklagten darin erblickt werden. Gegen den titellosen Benützer habe der Eigentümer einen Verwendungsanspruch, welcher sich am ortsüblichen Bestandzins orientiere. Der Kläger sei mit der unentgeltlichen Nutzung des Hauses durch die Klägerin bis zum Mai 2022 einverstanden gewesen, weshalb ihm für diesen Zeitraum keine Ansprüche zustünden und von einer präkaristischen Überlassung auszugehen sei. Erst ab Mai 2022, sohin für 17 Monate stünden ihm ein Nutzungsentgelt von EUR 2.000 und Betriebskosten von EUR 781,72 monatlich zu.
Im klagsabweisenden Teil ist das Ersturteil in Rechtskraft erwachsen.
Gegen den klagsstattgebenden Teil, auch gegen die Abweisung der Zwischenfeststellungsanträge richtet sich die rechtzeitige Berufung der Beklagten aus dem Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Abänderungsantrag auf Klagsabweisung und Stattgabe der Zwischenfeststellungsanträge in einem unter Entfall des Worts „unentgeltlich“. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Der Kläger beantragt mit der rechtzeitigen Berufungsbeantwortung, dem Rechtsmittel den Erfolg zu versagen.
Die Berufung ist nicht berechtigt.
Die Berufungswerberin führt in der Rechtsrüge aus, das Erstgericht sei den Behauptungen des Klägers, die Urkunde Beilage 2 sei ihm entwendet worden, nicht gefolgt und habe auch sonst den Hergang im Wesentlichen gleich wie im Parallelverfahren festgestellt. Dort sei der Richter zum rechtlich richtigen Ergebnis gekommen, der Beklagten sei ein dingliches Wohnrecht eingeräumt worden. Die Berufung richte sich gegen die ein Wohnrecht verneinende Rechtsansicht. Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt hätte das Erstgericht zur kostenpflichtigen Klagsabweisung und Stattgebung der Zwischenfeststellungsanträge gelangen müssen. Die Beklagte stütze sich dabei auf jeden erdenklichen Rechtsgrund und es soll dem Berufungsgericht offen stehen, auch andere Umstände zu berücksichtigen. Die rechtlichen Erwägungen des Erstgerichts zur Auslegung des Wortsinns würden nicht überzeugen, sondern zu einem rechtlich unvertretbaren Auslegungsergebnis führen. Die Erklärungen des Klägers in Beilage 2 könnten einzig so verstanden werden, dass der Kläger unter Berücksichtigung der sich ankündigenden Beendigung der Lebensgemeinschaft ein lebenslanges Wohnrecht einräumen wollte. Die gegenteiligen Schlussfolgerungen des Erstgerichts würden von höchstgerichtlicher Rechtsprechung ohne erkennbaren Grund abweichen und seien nicht haltbar. Der Kläger habe nicht vorgebracht, vom objektiven Erklärungswert der Beilage abweichende oder einschränkende Erklärungen gemacht zu haben. Es gebe dazu keine Beweisergebnisse. Da das Erstgericht seiner Schutzbehauptung, das Schreiben sei ihm entwendet worden, nicht gefolgt sei, sei es unerheblich, ob der Kläger die damit ausgelösten Rechtswirkungen tatsächlich subjektiv habe auslösen wollen. Es komme nur noch darauf an, ob die Beklagte die Erklärung auch so zu verstehen gehabt habe. Der vom Kläger beigemessene Erklärungsinhalt hätte nur dann Bedeutung, wenn er ihn gegenüber der Beklagten geäußert hätte. Nach der Vertrauenstheorie komme es nicht darauf an, was der Erklärende wirklich gewollt habe, sondern welche Schlüsse der Adressat als redlicher Erklärungsempfänger daraus ziehen durfte. Die geschriebene Passage des Klägers könne nicht anders gedeutet werden, als dass er der Beklagten ein lebenslängliches Wohnrecht habe einräumen wollen. Dabei spiele es keine Rolle, ob Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit geregelt worden sei, da das Recht davon unabhängig entstehe. Die Beklagte habe die Erklärung auch genau so verstanden, wie sie ein objektiver Erklärungsempfänger verstehen durfte bzw musste, nämlich als Einräumung eines lebenslangen, unentgeltlichen Dienstbarkeitsrechts des Wohnens. Die Frage der Übung des redlichen Verkehrs stelle sich aufgrund des klaren Wortsinns nicht. Das Erstgericht hätte den Zwischenfeststellungsanträgen allenfalls unter Entfall des Worts „unentgeltlich“ – als Minus – stattgeben müssen.
1. In dem zwischen den Streitteilen anhängigen Räumungsverfahren ** des BG Schwaz wurde das Ersturteil wegen Feststellungsmägeln aufgehoben, es liegt noch keine Entscheidung im zweiten Rechtsgang vor. Im Räumungsverfahren zu ** BG Schwaz gegen die Tochter der Beklagten wurde von letzterer gegen das Ersturteil berufen. Eine Berufungsentscheidung liegt noch nicht vor. Im Räumungserfahren zu ** des BG Schwaz gegen den Sohn der Beklagten ist die Klagsstattgebung rechtskräftig bestätigt worden. Die – hier wegen mangelnder Parteienidentität nicht bindende – Vorfrage, ob der Beklagten ein Wohnungsgebrauchsrecht zukommt, wurde auch dort verneint (5 R 43/24w LG Innsbruck).
2. Die Berufungswerberin legt in weiten Teilen nicht dar, aus welchen Gründen ausgehend vom von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt die rechtliche Beurteilung der Sache durch das Erstgericht unrichtig erscheine (RIS-Justiz RS0043603, 3 Ob 142/03h). Die pauschale Behauptung, die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts sei nicht richtig und die Berufung werde auf jeden erdenklichen Rechtsgrund gestützt, reicht nicht. Insoweit ist die Berufung nicht gesetzmäßig ausgeführt.
3. Darüber hinaus ist der Argumentation nicht zu folgen. Das Berufungsgericht teilt die Ansicht des Erstgerichts, dass es zu keiner Einräumung eines Wohnrechts – in welcher Form auch immer – für die Beklagte kam.
Die Auslegung vertraglicher Vereinbarungen hat sich im Sinne der Vertrauenstheorie, nach welcher es auf den objektiven Erklärungswert ankommt, an jenem Verständnis der Erklärung zu orientieren, das ihr ein redlicher Empfänger unter Berücksichtigung aller Umstände beimessen muss ( Bollenberger/Bydlinski in Bydlinski/Perner/Spitzer [Hrsg], KommzABGB 7[2023] zu § 914 ABGB, Rz 1 f). Es kommt sohin auf den objektiven Erklärungswert einer Willensäußerung an. Maßgebend ist weder allein der Wille des Erklärenden, noch die subjektive Auslegung des Erklärungsempfängers. Wenn der objektive Aussagewert zweifelhaft ist, muss der Gehalt der Erklärung durch Auslegung ermittelt werden, wobei ausgehend vom Wortsinn und dem Willen der Parteien letztlich die Übung des redlichen Verkehrs maßgebend ist, wozu die Umstände der Erklärung heranzuziehen sind (RS0014160).
Im Unterschied zur Meinung des Erstgerichts lässt sich schon nach der Auslegung nach dem reinen Wortsinn das Geschriebene nicht so verstehen, dass der Beklagten ein Recht eingeräumt worden wäre, im Haus dauerhaft bleiben zu dürfen. Die Beklagte stützt ihr behauptetes unentgeltliches Wohnrecht ausschließlich auf die handschriftlichen Anmerkungen des Klägers auf der Email der Beklagten Beilage 2. Es kann dabei nicht bloß isoliert der einzelne Satz „ich kann auch aus dem Haus ausziehen!!! Kannst dort bleiben – für immer!“betrachtet werden. Er muss im Kontext gelesen werden. Das Erstgericht hat den Inhalt teilweise festgestellt, darüber hinaus kann auf den gesamten Inhalt auch ohne Durchführung einer Beweiswiederholung Rücksicht genommen werden (Beilage 2 – RS0121557).
4. Die strittige Passage des Klägers findet sich auf einer Nachricht, die die Beklagte dem Kläger – wie sich eindeutig aus demselben ergibt – zu einer Zeit schrieb, als es in der Lebensgemeinschaft der Streitteile Probleme gab. Die Beklagte machte sich in der E Mail „ein paar Gedanken zu den letzten 16 Jahren“ . Zu schreiben falle ihr emotional leichter. Sie fasst aus ihrer Sicht die Beziehung ab dem Kennenlernen zusammen und erinnerte an Episoden aus der gemeinsamen Zeit. Sie sprach diverse Probleme an, die sich für sie in der Lebensgemeinschaft ergeben hätten. Sie brachte zum Ausdruck, dass sie sich vorgestellt habe, irgendwann gemeinsam mit dem Kläger wegzuziehen, wofür er nicht offen gewesen sei, dies zumindest für ihn noch lange kein Thema sei, offensichtlich aufgrund des vom Kläger geführten Unternehmens, in welchem auch die Beklagte damals noch tätig war. Für die Beklagte sei manches auf der Strecke geblieben und sie strebe eine Veränderung an. Diese etwa eineinhalb DIN-A4-Seiten lange E Mail kommentierte der Kläger handschriftlich, wobei er zu jedem Absatz Anmerkungen in unterschiedlicher Länge hinzufügte und auf einem Beiblatt weitere Überlegungen ergänzte. Dabei bekräftigte er die gemeinsamen positiven Erlebnisse, kommentierte Vorwürfe und hinterfragte Positionen der Beklagten. Aus den Anmerkungen des Klägers leuchtet eine Gesprächsbereitschaft über die weitere Gestaltung der Lebensgemeinschaft oder auch allenfalls deren Beendigung hervor. Er schrieb unter anderem, dass die Beklagte ein Lebensziel verfolge, nämlich mit 50 nicht mehr zu arbeiten, und dass er selbst aber noch nicht gewillt sei, aufzuhören. Er kommentierte nicht nur die von der Beklagten angesprochenen Probleme, sondern zählte auch Probleme und Verletzlichkeiten auf seiner Seite auf. Die Anmerkung, er könne auch aus dem Haus ausziehen und die Beklagte könne dort bleiben, schrieb er im Zusammenhang mit den Äußerungen der Beklagten, dass sie gespürt habe, dass es für den Kläger noch lange nicht Thema sei, aus dem Arbeitsleben auszusteigen und sie selbst einen gewissen Zeitraum brauche, um vieles zu regeln und sie „die neue Herausforderung“ annehme. Sie wisse noch nicht, wie lange sie noch im Betrieb verbringen werde. Dies kommentierte der Kläger, dass er noch nicht bereit sei, aus dem Arbeitsleben auszuscheiden, dass er aber der „größte Helfer“ der Beklagten sein werde und sie noch Jahre auf der Lohnliste stehen könne.
5. Schon bei der Auslegung nach dem Wortsinn im Gesamtkontext ergibt sich nicht, dass der Beklagten bedingungslos ein Wohnrecht eingeräumt werden sollte. Vielmehr handelte es sich offensichtlich um Anregungen und Vorschläge des Klägers, wie man das weitere Zusammenleben oder auch die Auflösung der Lebensgemeinschaft gestalten könnte. So formulierte der Kläger „ich kann auch aus dem Haus ausziehen!!! Kannst dort bleiben – für immer!“. Er schrieb gerade nicht, dass er jedenfalls aus dem Haus ausziehen werde und die Beklagte in jedem Fall im Haus bleiben könne, sondern zeigte nur die Möglichkeit auf. Allein schon aus der Formulierung ergibt sich, dass der Kläger hier lediglich eine noch zu diskutierende Option in den Raum stellte. Zu einem solchen Gespräch kam es aber in weiterer Folge nicht.
6. Der Kläger kommentierte die Bemerkungen der Beklagten zur sehr guten Beziehung zwischen dem Kläger und ihren Kindern mit „für mich immer noch!!“ und korrigierte den von der Beklagten verfassten Satz „wir waren eine kleine Familie“ zu „wir sind eine kleine Familie“. Nach dem äußeren Erscheinungsbild und dem objektiven Erklärungswert vermittelt das Schriftstück keineswegs den Eindruck eines rechtlich verbindlichen Angebots über die Einräumung eines lebenslangen und unentgeltlichen Wohnrechts. Vielmehr formulierte der Kläger Überlegungen und Ideen, teils in emotionaler und kursorischer Form, wie die Lebensverhältnisse für den Fall der endgültigen Aufhebung der Lebensgemeinschaft geordnet werden könnten. Die handschriftlichen Notizen sind als bloße Vorschläge oder Anregungen zu sehen, wie die Lebensverhältnisse eventuell auch im Falle der endgültigen Aufhebung der Lebensgemeinschaft geregelt werden könnten, wobei sich schon aus dem Geschriebenen klar ergibt, dass die Bedingungen auszudiskutieren wären. Die Erklärungen des Klägers in Beilage 2 sind nicht als Angebot in rechtsgeschäftlichem Sinne, sondern bestenfalls als Einladung zum Gespräch (oder bei formellerer Sichtweise: zu Verhandlungen) zu verstehen (vgl auch Landesgericht Innsbruck zu 5 R 43/24w). Aus dem Gesamterscheinungsbild der E Mail mit den Anmerkungen des Klägers kann nicht unterstellt werden, dass die Streitteile mit diesem Schriftstück einen Vertrag zur endgültigen Regelung von Rechtsverhältnissen aufsetzen wollten, sondern ergibt sich aus dem Inhalt unzweifelhaft, dass die Streitteile gegenseitig Gedanken zum Verlauf und Zustand ihrer Beziehung austauschten, ohne dem irgendeine Rechtsverbindlichkeit beimessen zu wollen bzw überhaupt nur einen Gedanken daran zu haben.
7. Dieses Auslegungsergebnis wird von den weiteren Umstände, unter denen diese Erklärung zustande kam, bestätigt. Die Lebensgemeinschaft der Streitteile befand sich in einer Krise, in welcher die Beklagte die E Mail verfasste. Bei einer wenige Tage später stattgefundenen Aussprache wurden die handschriftlichen Anmerkungen des Klägers nicht näher besprochen, insbesondere nicht das Thema Wohnen. Die Lebensgemeinschaft endete erst einige Zeit später endgültig im Jahr 2020. Im September 2020 zog der Kläger aus dem Einfamilienhaus aus. Der Kläger hatte nie den Willen, der Beklagten durch die handschriftliche Anmerkung ein lebenslanges, kostenloses Wohnrecht in seinem Haus einzuräumen, hatte aber nichts dagegen, dass die Beklagte vorerst – bis eine gemeinsame Lösung gefunden wird – kostenlos im Haus bleibt. Ob die Beklagte ihrerseits schon damals davon ausging, dass der Kläger ihr mit diesem handschriftlichen Zusatz ein lebenslanges Wohnrecht habe einräumen wollen oder ob sie sich auf diesen Standpunkt erst später stellte, ergibt sich aus den erstgerichtlichen Feststellungen nicht. Lediglich aufgrund dieses handschriftlichen Zusatzes konnte sie objektiv betrachtet nicht zu dieser Schlussfolgerung gelangen. Auf ihre subjektive Auslegung kommt es nicht an. Für einen objektiven Erklärungsempfänger zeigt sich deutlich, dass dem Kläger bei Formulierung seiner Anmerkungen ein Rechtsfolgewillen fehlte.
8. Aber selbst wenn man die Anmerkungen des Klägers als rechtsgeschäftlich verbindliches Angebot ansehen würde, ergäbe sich keine andere Beurteilung, da es sowohl nach den Feststellungen als auch nach den Behauptungen nie zu einer Annahme des Angebots durch die Beklagte kam. Die Streitteile haben über die handschriftlichen Anmerkungen des Klägers nicht gesprochen, insbesondere nicht über das Thema Wohnen. Auch nach dem Auszug des Klägers führten die Streitteile kein Gespräch über das Thema Wohnen der Beklagten im Haus. Erst als der Kläger im März 2021 an die Beklagte mit dem Ansinnen herantrat, entweder das Haus zu verkaufen, wenn sie ausziehe, oder andernfalls Miete zu verlangen, bezog sie sich auf die Anmerkungen des Klägers in ihrem E Mail vom Mai 2019. Zu diesem Zeitpunkt konnte sie aber nicht mehr davon ausgehen, dass ein solches Angebot noch aufrecht wäre, sodass sie es auch nicht mehr annehmen konnte. Der Kläger hatte bereits eine Mietzinsforderung erhoben und klargestellt, mit einer weiterhin kostenlosen Benützung des Hauses durch die Beklagten nicht länger einverstanden zu sein.
9. Die Beklagte führt in der Berufung aus, auch sekundäre Feststellungsmängel geltend zu machen. Für das Berufungsgericht erschließt sich aus den Berufungsausführungen jedoch nicht, welcher konkrete Sachverhalt, der für die rechtliche Beurteilung relevant sein soll, von der Berufungswerberin vermisst wird. Es kann darauf nicht weiter eingegangen werden.
10. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 50, 41 ZPO. Die Streitwerte der Klage und des vom Kläger oder vom Beklagten gestellten Zwischenantrags auf Feststellung sind zusammenzurechnen (RS0039661). Die vom Kläger verzeichneten Kosten für die Berufungsbeantwortung waren geringfügig zu kürzen, da sich ausgehend vom Streitwert (unter Hinzurechnung des Zweifelsstreitwerts für die Zwischenfeststellungsanträge von jeweils EUR 2.000, insgesamt sohin EUR 51.289,24) die Kosten für das Berufungsverfahren mit EUR 3.718,62 errechnen.
11. Die ordentliche Revision ist gemäß § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig, weil sich das Berufungsgericht an höchstgerichtlicher Rechtsprechung orientieren konnte und die Entscheidung keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat.
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