Das Oberlandesgericht Graz hat durch den Richter Mag. Redtenbacher als Vorsitzenden und die Richterin Mag. a Schwingenschuh und den Richter Mag. Wieland in der Strafvollzugssache des A*wegen vorläufigen Absehens vom Strafvollzug wegen eines Einreiseverbots oder Aufenthaltsverbots nach § 133a StVG über die Beschwerde des Strafgefangenen gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Vollzugsgericht vom 24. September 2025, GZ **-7, in nichtöffentlicher Sitzung den
BESCHLUSS
gefasst:
Der Beschwerde wird Folgegegeben und frühestens ab 24. November 2025 vom weiteren Vollzug der über A* verhängten Freiheitsstrafe gemäß § 133a StVG abgesehen.
BEGRÜNDUNG:
Der am ** in ** (Rumänien) geborene, rumänische Staatsangehörige, A* verbüßt derzeit in der Justizanstalt Graz-Jakomini die wegen des Vergehens der Entwendung nach § 146 Abs 1 StGB und der Vergehen des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 Abs 1 erster Fall StGB verhängten Freiheitsstrafen von insgesamt (§ 46 Abs 5 StGB) 16 Monaten, 2 Tagen, 20 Stunden und 4 Minuten (ON 2.2).
Zu den Verurteilungen (siehe auch ON 2.2,2) und den diesen zugrundeliegenden Sachverhalten wird auf die im Akt erliegenden Urteilsausfertigungen (siehe Ordner „Beilagen“) und die aktenkonforme Darstellung (BS 2) im angefochtenem Beschluss verwiesen (zur Zulässigkeit vgl. RIS-Justiz RS0119090 [T3]).
Das errechnete Strafende ist der 25. Juli 2026. Die Hälfte der verhängten Freiheitsstrafen (§ 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 1 StVG) wird am 24. November 2025 vollzogen sein. Die bedingte Entlassung zu diesem Stichtag wurde mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 28. August 2025, AZ **, rechtskräftig abgelehnt (siehe Ordner „Beilagen“).
Gegen den Strafgefangenen besteht ein rechtskräftiges für die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot (ON 2.5). Er verfügt über ein gültiges Ausreisedokument (ON 2.6) und erklärte sich bereit, seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen (ON 2.7). Der Strafgefangene verfügt über ausreichend Geldmittel für die Kosten der Heimreise (ON 2.3,1). Das Bundesamt für Fremdenwesen- und Asyl (ON 2.4) erklärte in seiner Stellungnahme, dass einer freiwilligen Ausreise nicht zugestimmt werde. Begründend wird ausgeführt (ON 6), dass der Strafgefangene in Österreich bereits mehrfach wegen einschlägiger (siehe ON 4) Delinquenz verurteilt und gegen ihn am 13. April 2019 schon einmal ein Aufenthaltsverbot erlassen wurde. Die Justizanstalt schloss sich der Stellungnahme des Bundesamts für Fremdenwesen- und Asyl an (ON 2.3).
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das zuständige Vollzugsgericht, entsprechend der negativen Stellungnahme der Staatsanwaltschaft (ON 1.2), den Antrag des Strafgefangenen auf vorläufiges Absehen vom Strafvollzug wegen Einreiseverbots oder Aufenthaltsverbots ab (ON 7).
Dagegen richtet sich die rechtzeitige Beschwerde (ON 9) des Strafgefangenen.
Die Oberstaatsanwaltschaft äußerte sich inhaltlich nicht.
Die vom Strafgefangenen erhobene Beschwerde ist erfolgreich.
Gemäß § 133a Abs 1 StVG ist, wenn ein Verurteilter die Hälfte der Strafzeit, mindestens aber drei Monate verbüßt hat, vom weiteren Vollzug der Strafe vorläufig abzusehen, wenn gegen ihn ein Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot besteht (Z 1), er sich bereit erklärt, seiner Ausreiseverpflichtung in den Herkunftsstaat (§ 2 Abs 1 Z 17 AsylG) unverzüglich nachzukommen und zu erwarten ist, dass er dieser Verpflichtung auch nachkommen wird (Z 2), und der Ausreise keine tatsächlichen oder rechtlichen Hindernisse entgegenstehen (Z 3).
Hat ein Verurteilter die Hälfte, aber noch nicht zwei Drittel einer Freiheitsstrafe verbüßt, so ist trotz Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs 1 solange nicht vorläufig vom weiteren Vollzug der Strafe abzusehen, als es im Hinblick auf die Schwere der Tat ausnahmsweise des weiteren Vollzuges bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken (Abs 2 leg cit).
Gegen den Strafgefangenen wurde mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, GZ: ** vom 19. März 2025, rechtskräftig am 20. März 2025, unter anderem ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (ON 2.5). Rechtliche oder tatsächliche Hindernisse, die einer Ausreise entgegenstünden, sind dem Akt nicht zu entnehmen, zumal es sich bei dem anhängigen Verfahren bei der Staatsanwaltschaft Graz, AZ **, um kein Übergabeverfahren nach dem EU-JZG handelt (siehe dazu auch Pieber in WK 2StVG § 133a Rz 14). Der Verurteilte hat sich bereit erklärt, seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen (ON 2.7). Das vorangegangene Aufenthaltsverbot wurde – soweit überblickbar – eingehalten. Die in § 133a Abs 1 Z 1 StVG genannten Voraussetzungen liegen somit vor.
Die Verweigerung des vorläufigen Absehens vom Strafvollzug aus generalpräventiven Gründen gemäß § 133a Abs 2 StVG setzt im Hinblick darauf, dass sich die Formulierung bewusst an jener des § 46 Abs 2 StGB orientiert (vgl Pieberin WK² StVG § 133a Rz 18), gewichtige Umstände voraus, die sich aus Sicht der Allgemeinheit von den regelmäßig vorkommenden Begleiterscheinungen strafbaren Verhaltens auffallend abheben. Dabei ist nicht nur der bloße Abschreckungseffekt bei potenziellen Tätern, sondern auch das Interesse der Festigung genereller Normentreue in der Bevölkerung zu beachten. Diese Aspekte generalpräventiver Natur müssen aus der Schwere der Tat ableitbar sein (vgl. Jerabek/Ropperin WK² StGB § 46 Rz 16).
Wenngleich die aktuell zunehmende Delinquenz von ausschließlich zur Ausführung von Straftaten gegen fremdes Vermögen einreisenden Tätern eine wachsende gesellschaftliche Belastung darstellt (siehe in diesem Sinn auch OLG Wien, AZ 21 Bs 227/25y) und zur Vermeidung eines Bagatellisierungseffekts generalpräventiven Sanktionserfordernissen besondere Bedeutung beizumessen ist, wird weder durch die gesetzliche Vorbewertung des bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe reichenden Strafrahmens des strafnormierenden § 130 Abs 1 StGB noch durch die Anlasstaten bei einem Gesamtschaden von rund EUR 3.707,40, auch unter Berücksichtigung der teilweisen Tatbegehung in Gesellschaft und der Überschreitung der für die Begründung der Gewerbsmäßigkeit iS von § 70 Abs 1 Z 3 StGB notwendigen Vortaten, die Schwelle einer Tatschwere erreicht, die zum Ausschluss der Maßnahme nach § 133a StVG aus generalpräventiven Aspekten ermächtigt (so auch OLG Graz, AZ 8 Bs 410/17f und 10 Bs 97/20w). Die im angefochtenen Beschluss angesprochene (massive) Vorstrafenbelastung ist zwar zutreffend (ON 4 und ON 5), geht aber am Kern der Sache vorbei, weil § 133a Abs 2 StVG ausschließlich auf die Schwere der der vollzugsgegenständlichen Verurteilung zu Grunde liegenden Taten – also der Anlasstaten - abstellt, eine Verweigerung der Maßnahme nach § 133a StVG aufgrund von Vorstrafen, also letztlich aus rein spezialpräventiven Gründen, im Gesetz jedoch keine Deckung findet (vgl Pieber, aaO Rz 19 mwN; OLG Wien 23 Bs 19/24y). Da somit in den Taten kein derart erheblicher Störwert erkannt werden kann, welcher ausnahmsweise den weiteren Vollzug verlangen würde, um das Vertrauen der Bevölkerung auf Durchsetzung des Rechts aufrecht zu erhalten und andere potentielle Täter abzuschrecken, ist der Beschwerde des Strafgefangenen Folge zu geben und das vorläufige Absehen vom Strafvollzug wegen Aufenthaltsverbots nach Verbüßung der Hälfte der Freiheitsstrafe § 133a Abs 1 StVG auszusprechen (zur meritorische Entscheidung vor Erreichen des Häfte-Stichtags siehe
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 17 Abs 1 Z 3 StVG iVm § 89 Abs 6 StPO).
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