21Bs227/25y – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten Mag. Hahn als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. Maruna und Mag. Frigo als weitere Senatsmitglieder in der Strafvollzugssache des A*wegen vorläufigen Absehens vom Strafvollzug wegen Aufenthaltsverbots gemäß § 133a StVG über die Beschwerde des Genannten gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg vom 17. Juni 2025, GZ ** 11, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird dahingehend Folgegegeben, dass vom weiteren Strafvollzug gemäß § 133a StVG ab 11. September 2025 vorläufig abgesehen wird.
Text
Begründung:
Der am ** in **, ** geborene rumänische Staatsangehörige A* verbüßt derzeit in der Justizanstalt ** die mit Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 7. Mai 2025, rechtskräftig seit 13. Mai 2025, AZ **, über ihn wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127, 129 Abs 1 Z 1 und Abs 2 Z 1 StGB verhängte Freiheitsstrafe von neun Monaten.
Das urteilsmäßige Strafende fällt auf den 11. Dezember 2025, die Hälfte der Strafzeit wird der Strafgefangene am 26. Juli 2025, zwei Drittel am 11. September 2025 verbüßt haben.
Die bedingte Entlassung zu beiden Terminen wurde vom Landesgericht Korneuburg mit Beschluss vom 13. Juni 2025 zu AZ ** rechtskräftig abgelehnt (siehe Anhang in der VJ).
Mit dem angefochtenen Beschluss lehnte das Landesgericht Korneuburg als zuständiges Vollzugsgericht den Antrag des Strafgefangenen auf vorläufiges Absehen vom Strafvollzug (ON 3) sowohl zu § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 1 StVG (Halbzeit zum 26. Juli 2025) als auch zu § 46 Abs 2 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 2 StVG (2/3 der Strafzeit zum 11. September 2025) aus generalpräventiven Erwägungen im Hinblick auf die Schwere der Tat, aufgrund derer es deren konsequenter Vollziehung bedürfe, in Übereinstimmung mit der Staatsanwaltschaft Korneuburg ab (ON 1.2).
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die rechtzeitig erhobene, nicht ausgeführte Beschwerde des Strafgefangenen (ON 13), der teilweise Berechtigung zukommt.
Gegen A* besteht ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot für die Dauer von vier Jahren (ON 5). Einer Ausreise im Sinne des § 133a StVG stehen laut Äußerung des Leiters der Justizanstalt ** keine Hindernisse entgegen (ON 4). Dem Akteninhalt sind auch keine konkreten Anhaltspunkte zu entnehmen, wonach anzunehmen wäre, der Verurteilte würde seiner Ausreiseverpflichtung, zu der er sich bereit erklärte (ON 3, 2), nicht nachkommen.
Gemäß § 133a Abs 1 StVG ist vom weiteren Vollzug der Strafe vorläufig abzusehen, wenn ein Verurteilter die Hälfte der Strafzeit, mindestens aber drei Monate verbüßt hat, gegen ihn ein Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot besteht (Z 1), er sich bereit erklärt, seiner Ausreiseverpflichtung in den Herkunftsstaat (§ 2 Abs 1 Z 17 AsylG) unverzüglich nachzukommen und zu erwarten ist, dass er dieser Verpflichtung auch nachkommen wird (Z 2), und der Ausreise keine rechtlichen oder tatsächlichen Hindernisse entgegenstehen (Z 3). Hat ein Verurteilter die Hälfte, aber noch nicht zwei Drittel einer Freiheitsstrafe verbüßt, so ist trotz Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs 1 solange nicht vorläufig vom weiteren Vollzug der Strafe abzusehen, als es im Hinblick auf die Schwere der Tat ausnahmsweise des weiteren Vollzuges bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken (§ 133a Abs 2 StVG; zur Berücksichtigung generalpräventiver Aspekte bei Straftaten von Jugendlichen oder jungen Erwachsenen siehe RISJustiz RS0134103).
Die zeitlichen Voraussetzungen nach § 133a StVG sind erfüllt. Auch liegen mit dem (rechtskräftigen) Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 15. Mai 2025, IFAZahl/Verfahrenszahl: **, mit dem wider A* ein für die Dauer von vier Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen wurde (ON 5), der Erklärung des Strafgefangenen, seiner Ausreiseverpflichtung nach Rumänien unverzüglich nachzukommen (ON 3, 2), und dem Fehlen von der Ausreise entgegenstehenden rechtlichen oder tatsächlichen Hindernissen die weiteren Voraussetzungen des § 133a Abs 1 Z 2 und Z 3 StVG vor.
Allerdings ist wie das Erstgericht zutreffend darlegt seine Tat von solcher Schwere, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für ein vorläufiges Absehen vom Strafvollzug wegen Aufenhaltsverbot vor Verbüßung von zwei Drittelnder Freiheitsstrafe (§ 133a Abs 2 StVG) aus generalpräventiven Gründen nicht vorliegen.
Die Wortfolge „Schwere der Tat“ (§ 133a Abs 2 StVG) stellt auf den sozialen Störwert (die kriminelle Bedeutung [OGH RIS-Justiz RS0091863]) einer Tat ab, der durch Handlungs- und Erfolgsunwert determiniert wird. Für die Annahme einer Tatschwere nach § 133a Abs 2 StVG müssen – als Ausnahmesatz – somit gewichtige Umstände vorliegen, die sich aus Sicht der Allgemeinheit von den regelmäßig auftretenden Begleiterscheinungen strafbaren Verhaltens auffallend abheben, wobei nicht nur der Abschreckungseffekt bei potenziellen Tätern, sondern auch das Interesse an der Festigung genereller Normentreue in der Bevölkerung zu beachten ist ( Jerabek/Ropper, WK 2StGB § 46 Rz 16; Pieber, WK 2StVG § 133a Rz 18).
Das dem Strafgefangenen zur Last liegende Verbrechen des Diebstahls durch Einbruch gemäß § 15, 127, 129 Abs 1 Z 1, Abs 2 Z 1 StGB ist mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bedroht.
Hierin liegt eine gesetzliche Vorbewertung, die zum Ausdruck bringt, dass es sich bei einem Einbruch in eine Wohnstätte um ein Delikt handelt, dem ein hoher sozialer Störwert innewohnt. Der von A* konkret verübte Einbruchsdiebstahl zeichnet sich durch einen erheblichen Handlungs- und Erfolgsunwert aus, der den von § 133a Abs 2 StVG geforderten Schweregrad bedingt.
Denn zusammengefasst beging er am 4. Jänner 2025 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit zwei weiteren Mitättern einen Einbruch in eine Wohnstätte mit dem Vorsatz, sich durch die Wegnahme und Zueignung fremder beweglicher Sachen unrechtmäßig zu bereichern, indem sie erst das Kellerfenster des Wohnhauses und danach die Verbindungstüre zwischen Keller und Wohnbereich mit einem Werkzeug aufbrachen, sich dadurch Zutritt zum Wohnhaus verschafften und anschließend das Haus durchsuchten, wobei es nur deshalb beim Versuch blieb, weil sie von Nachbarn bemerkt wurden und das Vorhaben daraufhin über Anruf des im Auto verbliebenen und aufpassenden Mittäters abbrachen.
Unter Berücksichtigung der Umstände, dass der Strafgefangene zur Zeit der Tatbegehung keiner Beschäftigung nachging und einkommenslos war, mehrere einschlägige Vorstrafen wegen Einbruchsdelikten in Frankreich aufweist (vgl ON 10) und eigens für die Tatbegehung nach Österreich einreiste, lässt sich zwanglos eine Schwere dieser hochgradig professionellen und organisierten Tat ableiten. Vor allem aber die Auswirkungen einer solchen Tat in der gesellschaftlichen Wirklichkeit stellen eine schwere Tathandlung dar, die den Rechtsfrieden empfindlich und nachhaltig beeinträchtigt und als solche konkreten Tatumstände zu werten sind, die einem Absehen vom Strafvollzug nach § 133a Abs 1 StVG nach Verbüßung der Hälfte der Strafzeit, jedoch noch vor Verbüßung von zwei Drittel der Strafzeit aus generalpräventiven Erwägungen entgegenstehen (§ 133a Abs 2 StVG). Die in der heutigen Zeit zunehmende massive Delinquenz von aus weniger wohlhabenden Ländern einreisenden Tätern hat einen hohen sozialen Störwert inne, dem mit entsprechender Abschreckung begegnet werden muss. Nur dadurch und sohin durch die Fortsetzung des Vollzugs der verhängten Freiheitsstrafe bis zu zwei Drittel der Strafzeit besteht einigermaßen realistisch die Möglichkeit, potenzielle Straftäter davon abzuhalten, gleichartige strafbare Handlungen zu setzen und dieser sozial schädlichen Kriminalitätsform angemessen entgegenzutreten. Ein vorläufiges Absehen vom Strafvollzug vor diesem Zeitpunkt müsste von Nachahmungstätern im Milieu und Lebenskreis des Beschwerdeführers als Bagatellisierung verstanden werden und würde auch dem Gebot der Festigung der allgemeinen Normtreue zuwiderlaufen (vgl Pieber , WK 2StVG § 133a Rz 18; Jerabek/Ropper, aaO § 46 Rz 16 und § 43 Rz 8, vgl auch RISJustiz RS0120234, insbesondere [T2]).
Da nach Verbüßung von zwei Dritteln der Freiheitsstrafe auch generalpräventive Überlegungen nicht mehr anzustellen sind und die Voraussetzungen der Z 1 bis Z 3 des Abs 1 vorliegen, war spruchgemäß zu entscheiden (vgl Pieber, WK 2StVG § 133a Rz 20).