JudikaturOLG Graz

8Bs73/25h – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
Immaterieller Schaden
20. Mai 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat durch den Senatspräsidenten Mag. Ohrnhofer (Vorsitz) und die Richter Mag. Koller und Mag. Petzner, Bakk. in der Strafsache gegen A* B*wegen der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 27. September 2024, GZ **-45, nach der am 20. Mai 2025 in Gegenwart des Oberstaatsanwalts Mag. Liensberger, LL.M., des Angeklagten und seines Verteidigers Rechtsanwalt Mag. Lehofer sowie der Privatbeteiligtenvertreterin Rechtsanwältin Mag a . Weidinger durchgeführten öffentlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.

gründe:

Text

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen (Teil-)Freispruch enthält, wurde A* B* jeweils mehrerer Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (1.), des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (2.) sowie mehrerer Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB (3.) schuldig erkannt.

Nach dem infolge Zurückweisung seiner Nichtigkeitsbeschwerde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 25. Februar 2025 (AZ 14 Os 134/24y [ON 51.1]) rechtskräftigen Schuldspruch hat er von September 2022 bis Juni 2024 in **

1. an der am ** geborenen, somit unmündigen, C*-D* B* mehrfach außer dem Fall des § 206 Abs 1 StGB geschlechtliche Handlungen vorgenommen, indem er unterhalb ihrer Kleidung ihre Vagina nicht bloß flüchtig berührte und streichelte, bei anderen Gelegenheiten an ihrer Vagina leckte sowie geschlechtliche Handlungen von ihr an sich selbst vornehmen lassen, indem er das Opfer Masturbationsbewegungen an seinem Penis ausführen ließ;

2. mit C*-D* B* mehrfach dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen, indem er sie mit einem Finger vaginal penetrierte und mit diesem Finger in ihrer Vagina mehrmals ein- und ausführende Bewegungen machte;

3. die zu den Punkten 1. und 2. beschriebenen geschlechtlichen Handlungen an seinem Stiefkind C*-D* B* vorgenommen.

Hiefür wurde A* B* unter Bedachtnahme auf § 28 Abs 1 StGB nach § 206 Abs 1 StGB zur Freiheitsstrafe von fünf Jahren, auf die gemäß § 38 Abs 1 (zu ergänzen:) Z 1 StGB die Vorhaft von 20. Juni 2024, 17.27 Uhr bis 27. September 2024, 13.36 Uhr, angerechnet wurde, verurteilt sowie gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verpflichtet. Gemäß § 369 Abs 1 StPO wurde er ferner schuldig erkannt, der Privatbeteiligten C*-D* B* „einen Schadenersatzbetrag“ von EUR 5.000,00 binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung der Freiheitsstrafe und deren „zumindest“ teilbedingte Nachsicht an. Ferner bekämpft er auch das Adhäsionserkenntnis im Umfang des über sein Anerkenntnis (vgl ON 44, PS 2) hinausgehenden Zuspruchs an C* D* B* (ON 46).

Rechtliche Beurteilung

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Zur Strafe:

Strafbestimmend ist – in Anwendung des § 28 Abs 1 StGB§ 206 Abs 1 StGB mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren. Erschwerend ist das Zusammentreffen einer Vielzahl von Verbrechen und Vergehen über einen längeren (nämlich rund 21-monatigen) Deliktszeitraum (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB). Im Rahmen allgemeiner Strafbemessungserwägungen erhöhen die durch die Tathandlungen verursachten und nach wie vor andauernden psychischen Folgeschäden beim Tatopfer (US 5 bzw ON 37 und in der Berufungsverhandlung vorgelegte Bestätigung der Kinderschutzeinrichtung „E*“) sowie angesichts des Schutzalters von 14 Jahren bei § 206 und § 207 StGB und von 18 Jahren bei § 212 StGB der Umstand, dass das Opfer bei den Übergriffen erst zwischen sechs und acht Jahre alt war, den Schuldgehalt (RIS-Justiz RS0090958 [T4, T5]).

Mildernd ist, dass der Angeklagte bis zum 64. Lebensjahr (RIS-Justiz RS0091502) einen ordentlichen Lebenswandel geführt hat und die Taten mit seinem sonstigen Verhalten in auffallendem Widerspruch stehen (§ 34 Abs 1 Z 2 StGB). Wenngleich in der Verantwortung des Angeklagten, der nur bei einem Übergriff ein drei- oder viermaliges Lecken mit seiner Zunge über die Scheide des Opfers zugestand und dies als „Aufklärung“ bezeichnete (ON 44, 5), streicheln an der Scheide des Opfers mit medizinischen Problemen des Kindes rechtfertigte (ON 44, 6) und für Berührungen an seinem Penis das Opfer verantwortlich machte (ON 44, 7), ein wesentlicher Beitrag zur Wahrheitsfindung nicht zu erblicken ist, hat er in der Berufungsverhandlung erstmals erkennbar Reue für sein Verhalten gezeigt, was ihm unter dem Aspekt des § 34 Abs 1 Z 17 erster Fall StGB – wenn auch in seinem Gewicht gemindert – mildernd anzurechnen ist.

Maß nehmend am Gewicht der Taten, an den besonderen Strafbemessungsgründen und an der außergewöhnlich hohen persönlichen Schuld des Angeklagten (§ 32 Abs 1 StGB), die sich in der Vielzahl der Übergriffe gegenüber seiner zu den Tatzeitpunkten erst zwischen sechs und acht Jahre alten Stieftochter über einen 21-monatigen Zeitraum manifestiert (§ 32 Abs 2 und 3 StGB), ist die bereits vom Erstgericht ausgemessene Freiheitsstrafe von fünf Jahren adäquat. Eine auch nur teilweise bedingte Nachsicht der Sanktion (§§ 43, 43a StGB) ist bei diesem Strafmaß ausgeschlossen.

2. Zu den privatrechtlichen Ansprüchen:

Wer jemanden durch eine strafbare Handlung zu geschlechtlichen Handlungen missbraucht, hat ihm den erlittenen Schaden und den entgangenen Gewinn zu ersetzen sowie eine angemessene Entschädigung für die erlittene Beeinträchtigung zu leisten (§ 1328 ABGB). Dieser Ersatzanspruch soll einen Ausgleich für die Beeinträchtigung der sexuellen Selbstbestimmung und für die mit dem Eingriff unmittelbar verbundenen oder in weiterer Folge daraus resultierenden negativen Gefühle (psychische Folgeschäden, Unlustgefühle durch soziale Ausgrenzung oder etwa Belastung durch juristische Aufarbeitung des Delikts) bieten ( Hinteregger in Kletečka/Schauer , ABGB-ON 1.06§ 1328 Rz 7, 8). Damit bedarf es für einen auf § 1328 ABGB gestützten Zuspruch von immateriellen Schadenersatz nicht jedenfalls der Feststellung von behandlungsbedürftigen Krankheiten, erlittenen Schmerzen oder Schmerzperioden oder gar der Einholung eines Sachverständigengutachtens zu diesen Fragen. Bei der Ermittlung der Höhe des Ersatzanspruches kann nach herrschender Rechtsprechung im Sinne des § 273 ZPO auf eine Schätzung zurückgegriffen werden (RISJustiz RS0031614). Berücksichtigt man, dass das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz bereits für verhältnismäßig geringfügige in die geschlechtliche Sphäre durch sexuelle Belästigung Erwachsener Schadenersatz von mindestens EUR 1.000,00 vorsieht (§ 19 Abs 3 B-GIBG), ist angesichts der Vielzahl der Übergriffe auf das bei Begehung der Taten erst zwischen sechs und acht Jahre alte Opfer über einen 21-monatigen Zeitraum und der bereits eingetretenen und nach wie vor andauernden psychischen Folgeschäden (US 5 bzw ON 37 und in der Berufungsverhandlung vorgelegte Bestätigung der Kinderschutzeinrichtung „E*“) der Zuspruch von über das Anerkenntnis des Angeklagten in Höhe von EUR 500,00 (ON 46, PS 2) hinausgehenden weiteren EUR 4.500,00 an G*-D* B* jedenfalls gerechtfertigt.

Der Kostenausspruch ist eine Folge der Sachentscheidung und gründet auf § 390a Abs 1 StPO.