7Rs16/25i – OLG Graz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Graz hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin Dr. Kraschowetz-Kandolf (Vorsitz), die Richter Mag. Russegger und Mag. Reautschnig sowie die fachkundigen Laienrichter:innen Färber (aus dem Kreis der Arbeitgeber:innen) und Allmannsdorfer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer:innen) als weitere Senatsmitglieder in der Sozialrechtssache der klagenden Partei A*, **, vertreten durch die Rohregger Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Versicherungsanstalt öffentlicher Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau , **, vertreten durch ihren Angestellten Mag. B*, ebendort, wegen Korridorpension , über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 10.9.2024, GZ **-9, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihrer erfolglosen Berufung selbst zu tragen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
Text
Der Kläger vollendete am 16.02.2024 das 62. Lebensjahr und erfüllte zum 01.03.2024 die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 4 Abs 2 Z 1 APG für die Korridorpension, die er rechtzeitig zum 01.03.2024 beantragt hatte.
Der Kläger war bis 29.02.2024 aufgrund einer Erwerbstätigkeit pflichtversichert. Das Dienstverhältnis endete durch einvernehmliche Auflösung. Der Kläger war im Jahr 2024 nicht arbeitslos gemeldet.
Die Beklagte anerkannte mit Bescheid vom 29.04.2024den Anspruch des Klägers auf Korridorpension ab 1.3.2024 in Höhe von EUR 2.588,07, darin enthalten der Frühstarterbonus von EUR 48,15. Die Beklagte berücksichtigte bei der Pensionsberechnung den Erhöhungsbetrag nach § 34 APG nicht. § 34 APG lautet:
„Erhöhung von Pensionen mit Stichtag im Jahr 2024
§ 34 (1) Das Ausmaß folgender Pensionsleistungen ist - im Anschluss an ihre Feststellung nach den §§ 5 und 6 - zu erhöhen (Abs 2), wenn ihr Stichtag [...] in das Kalenderjahr 2024 fällt:
1. Alterspensionen nach § 4 Abs 1 [...], Schwerarbeitspensionen nach § 4 Abs 3 und vorzeitige Alterspensionen nach § 25 Abs 4 und 5;
2. Korridorpensionen nach § 4 Abs 2, für die am 31. Dezember 2023 bereits die Anspruchsvoraussetzungen - mit Ausnahme der Voraussetzung des Fehlens einer die Pflichtversicherung begründenden Erwerbstätigkeit oder eines die Geringfügigkeitsgrenze nach § 5 Abs 2 ASVG übersteigenden Erwerbseinkommens am Stichtag - vorgelegen sind;
3. Korridorpensionen nach § 4 Abs 2, dieinfolge der Beendigung des Arbeitslosengeld- oder des Notstandshilfeanspruchs nach §§ 22 und 38 AlVG im Kalenderjahr 2024 angetreten werden;
4. Pensionen aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit (Erwerbsunfähigkeit).
(2) Der Erhöhungsbetrag nach Abs 1 beläuft sich auf 6,2% der Gesamtgutschrift 2022, geteilt durch 14 und vermindert oder erhöht im gleichen prozentuellen Ausmaß wie die Leistung nach § 5 Abs 1 in Verbindung mit § 5 Abs 2 oder 4 und § 6 Abs 1 und 2 bzw. nach § 25 Abs 4 und 5.
(3) Der Erhöhungsbetrag ist ab Zuerkennung der Pension Bestandteil der Pensionsleistung.“
Der Klägerbegehrt die Korridorpension ab 1.3.2024 - im verfassungskonformen Ausmaß - mit dem Erhöhungsbetrag nach § 34 Abs 2 APG. Der in § 34 Abs 1 Z 3 APG enthaltene, oben kursivhervorgehobenen Satzteil sei verfassungswidrig. Nur bei der Korridorpension werde differenziert und nur ein Teil der Korridorpensionist:innen enthalte keinen Erhöhungsbetrag, sodass § 34 Abs 1 APG gegen das Legalitätsgebot (Art 18 B-VG), den Gleichheitssatz, das allgemeine Sachlichkeitsgebot (Art 7 B-VG) und das Grundrecht auf Eigentum (Art 5 StGG und Art1 1.ZP EMRK) verstoße. Nach der Rechtsprechung des EGMR fielen Pensionsansprüche in den Schutzbereich des Art 1 1. ZPEMRK. § 34 Abs 1 Z 3 APG greife in das grundrechtlich geschützte Eigentum ein. Bei verfassungskonformer Interpretation würde der Kläger den Erhöhungsbetrag von 6,2 % erhalten.
Die Beklagte beantragt, das Klagebegehren abzuweisen.
Der Kläger erfülle die Anspruchsvoraussetzungen der Korridorpension erst zum Stichtag 01.03.2024. § 34 Abs 1 Z 2 APG sei daher nicht anwendbar. Er trete die Korridorpension nicht infolge der Beendigung eines Arbeitslosengeld- oder des Notstandshilfeanspruchs an. Damit sei § 34 Abs 1 Z 3 APG nicht anwendbar. Der Erhöhungsbetrag gebühre daher nicht.
Das Erstgericht weist das Klagebegehren basierend auf dem unstrittigen Sachverhalt ab. Es folgert rechtlich, der Gesetzgeber habe einen weiten rechtspolitischen Gestaltungsspielraum bei der Beurteilung sozialer Bedarfslagen und Maßnahmen. Regelungen über eine Pensionserhöhung würden nicht in das Grundrecht auf Eigentum eingreifen. Art 1 1. ZPEMRK garantiere kein Recht, Sozialleistungen oder Pensionszahlungen zu erhalten, solange das im innerstaatlichen Recht nicht vorgesehen sei. Die rechtspolitischen Bedenken des Klägers begründeten keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Andere Argumente zeige er nicht auf.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Er beantragt, das Urteil abzuändern, der Klage stattzugeben, und stellt hilfsweise einen Aufhebungsantrag.
Die Beklagte beantragt in der Berufungsbeantwortung , der Berufung nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung , über die in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden konnte, ist nicht berechtigt.
Das Berufungsgericht hält die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts für zutreffend, die Rechtsmittelausführungen hingegen für nicht stichhältig (§ 500a ZPO):
1.Soweit der Kläger den in § 34 Abs 1 Z 3 APG enthaltenen, oben kursiv hervorgehobenen Satzteil für verfassungswidrig hält, genügt der Hinweis, dass der Verfassungsgerichtshof seine Bedenken nicht teilt und die Behandlung seines Parteiantrags gemäß Art 140 Abs 1 Z 1 lit d B VG mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg abgelehnt hat (Beschluss vom 25.2.2025, G 167/2024-11).
2.Die Rechtsrüge macht weiter nur geltend, das Erstgericht hätte bei richtiger Auslegung des § 34 APG die Klage nicht abweisen dürfen, sondern die Beklagte zur Leistung des Erhöhungsbetrages im verfassungskonformen Ausmaß verpflichten müssen.
Das Berufungsgericht hat dazu erwogen:
2.1.Nach § 34 Abs 1 Z 3 APG erhalten den Erhöhungsbetrag Korridorpensionen, "die infolge der Beendigung des Arbeitslosengeld- oder des Notstandshilfeanspruchs nach §§ 22 und 38 AlVG im Kalenderjahr 2024 angetreten werden". Nach den Erläuterungen sollen damit jene nicht erfasst werden, bei denen der Zeitpunkt ihres Pensionsantritts ihrer Disposition unterliegt (vgl ErläutRV 1077 BlgNR 24. GP 18). Die Parlamentshomepage spricht von jenen, die "(...) gezwungenermaßen - aus der Arbeitslosigkeit in die Korridorpension wechseln". Es sollen damit Anreize für einen längeren Verbleib im Erwerbsleben gesetzt werden (Pasz/Zhang, Wen schützt die Schutzklausel? Hintergrund und Wirkung des neuen § 34 APG, DRdA-infas 2024, 63 mwN). Der Kläger löste sein Dienstverhältnis aber einvernehmlich.
2.2. Gesetze sind im Zweifel verfassungskonform auszulegen ( RS0008793 ). Auch eine "verfassungskonforme Auslegung" eines Gesetzes muss aber ihre Grundlage im Gesetz selbst haben. Die Auslegung kann daher eine fehlende gesetzliche Grundlage nicht ersetzen ( RS0008798). Das verfassungskonforme Ergebnis muss im Rahmen des mit Hilfe der Auslegungsgrundsätze der §§ 6 und 7 ABGB erschließbaren Normsinns liegen ( RS0008798 ). Das wäre aber bei der geforderten Interpretation nicht der Fall.
Die Berufung bleibt daher erfolglos.
3.Die Kostenentscheidung folgt aus § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Der Kläger hat die Kosten für die Berufung und den Antrag auf Normenkontrolle selbst zu tragen (vgl 10 ObS 153/15w ). Gründe für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit wurden nicht behauptet und ergeben sich auch nicht aus dem Akt.
4.Die Voraussetzungen für die Zulassung der ordentlichen Revision nach § 502 Abs 1 ZPO liegen nicht vor. Der Verfassungsgerichtshof verneinte die Verfassungswidrigkeit. Der Anwendungsbereich und die Voraussetzungen des Erhöhungsbetrages sind im Gesetz klar und eindeutig geregelt ( RS0042656 ).