2R39/25k – OLG Graz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Graz hat als Rekursgericht durch den Richter Dr. Kirsch (Vorsitz), die Richterin Mag. a Schiller und den Richter Mag. Scheuerer in der Rechtssache des Klägers A* , geboren am **, Selbständiger, **, vertreten durch die Glawischnig Tschernitz Rechtsanwälte OG in Gröbming, gegen die Beklagten 1. B* B.V. , **, Niederlande, und 2. C* B.V. , **, Niederlande, beide vertreten durch die BMA Brandstätter Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Vertragsaufhebung und Zahlung von EUR 40.976,50 samt Anhang , über den Rekurs des Klägers gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben vom 5. Februar 2025, **-66, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger ist schuldig, den Beklagten die mit EUR 2.429,81 (darin enthalten EUR 404,97 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig .
Text
BEGRÜNDUNG:
Die Zweitbeklagte betreibt eine Online-Versteigerungsplattform, auf der die Erstbeklagte das Fahrzeug ** anbot. Der Kläger registrierte sich auf dieser Plattform am 21. Februar 2018 mit seinem Namen und seiner Anschrift in **. Am 31. Mai 2019 erwarb er über die Plattform Stahlkonstruktionsteile, wobei er gleichzeitig seine Registrierung bei der Zweitbeklagten von seiner (natürlichen) Person auf die D* GmbH mit Sitz in Deutschland änderte, an der er zu 50% beteiligt und einer der beiden Geschäftsführer ist. In der Folge erwarb er als Geschäftsführer der D* GmbH in deren Namen mehrfach Waren auf der Versteigerungsplattform der Zweitbeklagten. Die Rechnungen wurden dabei stets auf die D* GmbH ausgestellt. In all diesen Rechnungen sowie auch bei der jeweiligen Online-Auktion erfolgten Hinweise auf die online einsehbaren allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Zweitbeklagten.
[F1:] Dem Kläger waren diese AGB bei Abschluss der jeweiligen Rechtsgeschäfte, also auch bei der hier zu beurteilenden Ersteigerung, bekannt. Er hatte bei allen Ersteigerungs- und Kaufvorgängen die Möglichkeit, sich diese AGB anzusehen und durchzulesen. Bei jedem Angebotsvorgang muss der Bieter den AGB zustimmen, bevor er ein Angebot abgeben kann.
[F2:] Am 26. April 2022 kam es zum gegenständlichen Rechtsgeschäft, der Ersteigerung eines Pkw **. Dabei trat der Kläger wieder im Namen der D* GmbH auf, nämlich mit seinem Account/Benutzerprofil „E* GmbH“. Da er den Zuschlag für das Fahrzeug erhalten hatte, stellte die Zweitbeklagte eine Rechnung auf die E* GmbH aus, zu Handen des Geschäftsführers A*, Anschrift in Deutschland. Der Gesamtpreis wurde mit EUR 39.385,00 ausgewiesen (EUR 35.000,00 Nettopreis, EUR 4.235,00 Aufgeld, EUR 150,00 Kosten), ohne Steuer.
Nach Durchführung der Versteigerung und Erhalt der Rechnung meldete sich der Kläger unter dem Nutzernamen „E* GmbH A*“ bei der Zweitbeklagten, um seine Rechnungsadresse auf A*, ** zu ändern. Entsprechend diesem Wunsch stellte die Zweitbeklagte – nachdem die Zahlung durch den Kläger mittels Überweisung von einem österreichischen Bankkonto erfolgt war – eine neue Rechnung aus.
[F3:]Es kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger das in Rede stehende Rechtsgeschäft als natürliche Person (Verbraucher iSd § 1 Abs 1 Z 2 KSchG) geschlossen hätte. Es kann nicht festgestellt werden, dass das Rechtsgeschäft nicht zum Betrieb seines Unternehmens (der D* GmbH) gehörte. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Vertrag zu einem Zweck geschlossen wurde, der nicht der beruflichen/gewerblichen Tätigkeit des Klägers zugerechnet werden kann.
Das Fahrzeug wurde im Anschluss an die Versteigerung zur D* GmbH nach Deutschland transportiert und die Rechnung dafür an diese ausgestellt. Die schriftliche Korrespondenz erfolgte auch dazu unter Verwendung des Accounts/Namens „E* GmbH A*“.
[F4:] Dass der Kläger bei der Zweitbeklagten zwei Benutzerkonten gehabt hätte, nämlich neben jenem lautend auf die „E* GmbH A*“ auch ein solches für ihn als natürliche Person, kann nicht festgestellt werden.
Im Verfahren begehrt der Kläger von beiden Beklagtenunter Berufung auf das (österreichische) Irrtums- und Gewährleistungsrecht, sowie weiters auf laesio enormis und verbraucherschutzrechtliche Rücktrittsrechte des KSchG und des FAGG die Aufhebung des im Rahmen der Online-Versteigerung am 26. April 2022 zustande gekommenen Kaufvertrages. Überdies nimmt er sie solidarisch für die Rückzahlung des Kaufpreises zuzüglich frustrierter Kosten in Anspruch. Er habe das Fahrzeug als Verbraucher ersteigert, weshalb ihm der Verbrauchergerichtsstand des Art 17 EuGVVO offen stehe. Die Behauptung der Beklagten, nicht er, sondern die D* GmbH habe das Fahrzeug erworben, sei falsch.
Die Beklagten wendeten ua die „mangelnde inländische Gerichtsbarkeit und örtliche Unzuständigkeit“ ein, da nicht der Kläger, sondern die deutsche D* GmbH das Fahrzeug erworben habe. Daher liege auch kein Verbrauchergeschäft vor.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht die Klage auf Basis der eingangs wiedergegebenen Feststellungen wegen „mangelnder Zuständigkeit der österreichischen Gerichte“ zurück. Die Verbrauchereigenschaft des Klägers ergebe sich weder „ganz klar“ aus den Umständen, noch aus den getroffenen Negativfeststellungen. Damit könne sich der dafür beweispflichtige Kläger nicht auf den Verbrauchergerichtsstand des Art 17 EuGVVO berufen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der eine Tatsachen- und eine Rechtsrüge ausführende Rekurs des Klägers, mit der er die Abänderung des Beschlusses in eine Verwerfung der Unzuständigkeitseinrede anstrebt. Hilfsweise stellt er einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag.
Die Beklagten beantragen, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
I. Zur Tatsachenrüge:
1. Das Erstgericht legte seiner Entscheidung den in F1ersichtlichen Sachverhalt zur Kenntnis des Klägers von den AGB der Zweitbeklagten als von ihm gemäß §§ 266, 267 ZPO schlüssig zugestanden zugrunde (siehe Seite 8 des Beschlusses, erster Absatz). Die Frage, ob § 267 ZPO zutreffend angewendet wurde oder nicht, nämlich ob ein schlüssiges Tatsachengeständnis vorlag oder nicht, ist aber eine Verfahrensfrage und der Tatsachenrüge nicht zugänglich (RS0040078). Soweit der Rekurswerber daher den aus Sicht des Erstgerichts schlüssig zugestandenen Sachverhalt in seiner Tatsachenrüge bekämpft, braucht darauf nicht eingegangen zu werden.
2. Den weiters bekämpften Feststellungen F2 bis F4hat das Erstgericht nicht nur Urkunden oder mittelbar aufgenommene Beweise sondern auch die Einvernahme des Klägers zugrunde gelegt, worauf es zu Beginn seiner Feststellungen ausdrücklich verwies (siehe Seite 4 des Beschlusses, 7. Absatz), auch wenn es seinen Angaben keinen Glauben schenkte. Dabei ist hervorzuheben, dass die Einvernahme des Klägers auch konkret zu den die Feststellungen F2 bis F4 betreffenden Beweisthemen erfolgte, nämlich zu den Fragen, mit wessen Account und in wessen Namen der Kläger das Fahrzeug ersteigerte und auf wen die (erste) Rechnung ausgestellt war, weiters ob der Kläger nur über einen oder zwei Accounts verfügte und schließlich inwiefern das Geschäft zum Betrieb der D* GmbH gehörte und zu welchem Zweck es geschlossen wurde. Damit ist die erstgerichtliche Beweiswürdigung vom Rekursgericht nicht überprüfbar (RS0044018).
Zu den bekämpften Negativfeststellungen F3 ist der Vollständigkeit halber klarzustellen, dass die Frage, inwieweit das Kaufgeschäft mit dem Kläger selbst oder mit der seiner GmbH abgeschlossen wurde bzw ob der Kläger als Verbraucher anzusehen war, Rechtsfragen darstellen und nicht dem Tatsachenbereich zuzuordnen sind. Zu welchem Zweck das Geschäft aus Sicht des Klägers abgeschlossen wurde – für private Zwecke oder für den Betrieb seines Unternehmens – kommt schließlich keine rechtliche Relevanz zu, was schon an dieser Stelle vorweg zu nehmen ist.
II. Zur Rechtsrüge:
1. Im vorliegenden Fall ist die Frage der „internationalen Zuständigkeit“ des Erstgerichts zu klären. Der Kläger berief sich auf den Verbrauchergerichtsstand des Art 17 EuGVVO, sodass der Frage der Verbrauchereigenschaft des Klägers entscheidende Bedeutung zukommt.
2.Maßgeblich für die Beurteilung der internationalen Zuständigkeit sind die Klagsangaben (RS0115860; RS0050455). Sind die schlüssigen (RS0116404), die Zuständigkeit begründenden Tatsachenbehauptungen zugleich auch Anspruchsvoraussetzungen („doppelrelevante Tatsachen“), so ist deren Richtigkeit zu unterstellen (RS0115860 [T4]). Diese sind selbst dann der Zuständigkeitsentscheidung zugrunde zu legen, wenn sie von der Beklagten bestritten werden (vgl RS0050455 [T1]), soweit sie nicht durch das bereits durchgeführte Beweisverfahren und die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen eine Änderung erfahren haben (vgl 8 Ob 23/19v; 8 Ob 45/19d). Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH, wonach das angerufene nationale Gericht im Fall des Bestreitens der Behauptungen des Klägers durch den Beklagten zwar nicht verpflichtet ist, im Stadium der Ermittlung der Zuständigkeit ein Beweisverfahren durchzuführen, aber alle vorliegenden Informationen zu würdigen hat, wozu gegebenenfalls auch die Einwände des Beklagten gehören (C12/15, Universal Music, Rn 44 f; vgl RS0050455 [T9]; 4 Ob 36/22f).
3. Umgelegt auf den vorliegenden Fall bedeuten diese Rechtsgrundsätze, dass das Erstgericht für die Beantwortung der Zuständigkeitsfrage von den Klagsangaben ausgehen konnte, ist doch die behauptete Verbrauchereigenschaft des Klägers nicht bloß für die Begründung des Verbrauchergerichtsstandes entscheidend, sondern stellt auch eine Anspruchsvoraussetzung für das behauptete Widerrufsrecht dar. Insoweit ist der Sachverhalt zur Verbrauchereigenschaft des Klägers „doppelrelevant“ im Sinne der dargestellten Rechtsprechung.
Der Rechtsfrage, ob der Kläger das Fahrzeug als Verbraucher ersteigerte, sind daher die Klagsangaben, also die vom Kläger behaupteten Tatsachen, soweit zugrunde zu legen, als diese nicht durch die dennoch vom Erstgericht getroffenen Feststellungen eine Änderung erfahren haben. Genau dies trifft hier auf die Behauptung des Klägers, er habe mit einem auf seinen Namen registrierten Account, also in seinem eigenen Namen, an der Versteigerung teilgenommen und das Fahrzeug ersteigert, zu. Nach den (gegenteiligen) Feststellungen des Erstgerichts nahm der Kläger mit dem seit 2019 auf die D* GmbH registrierten Account an der Versteigerung teil und nicht mit einem solchen, der auf seinen eigenen Namen lautete. Aus Sicht der Verkäuferin gab die D* GmbH die zum Abschluss des Kaufvertrages führenden Gebote ab, und nicht der Kläger persönlich. Ausgehend davon ist die Rechtsansicht des Erstgerichts, wonach der Kaufvertrag mit der nach außen auftretenden GmbH und nicht mit dem Kläger persönlich zu Stande kam, schon nach den allgemeinen vertragsrechtlichen Grundsätzen, insbesondere dass Willenserklärungen am Empfängerhorizont zu messen sind, nicht zu beanstanden.
Dagegen führt der Kläger in seinem Rekurs kein stichhaltiges Argument ins Treffen. Der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass auf Fragen im Zusammenhang mit dem Vertragsabschluss gemäß Art 4 Abs 1 lit a und g Rom I-VO Niederländischen Recht zur Anwendung gelangt (vgl Musger in KBB 7, zu Art 4 Rom I-VO Rz 7). Nach der Rechtsprechung liegt es aber am Rechtsmittelwerber zumindest ansatzweise darzulegen, warum nach der anzuwendenden Rechtsordnung ein günstigeres als das von der ersten Instanz erzielte Ergebnis zu erwarten ist (vgl RS0040189 [T5]). Dem kam der Kläger hier nicht nach, stützt er seine Ansprüche doch selbst ausschließlich auf „inländische“ Rechtsgrundlagen.
4. Zumal der Vertrag nicht mit dem Kläger zustande kam, fehlt ihm im Rechtsverhältnis zu den Beklagten naturgemäß auch die Verbraucherstellung, womit ihm der Verbrauchergerichtsstand des Art 17 EuGVVO nicht offen steht. Die Zurückweisung der Klage durch das Erstgericht erfolgte daher zu Recht.
5. Soweit der Rekurswerber in seiner Rechtsrüge zusätzliche Feststellungen zur Bezahlung des Fahrzeuges begehrt – diese sei mittels Überweisung von seinem Privatkonto erfolgt – zeigt er nicht auf, welchen Einfluss die nach Vertragsabschluss erfolgte Zahlung auf den Inhalt oder die Parteien des Vertrages haben könnte. Sein simpler Schluss, daraus ergebe sich, dass er als natürliche Person den Vertrag geschlossen hätte, lässt eine schlüssige Begründung vermissen.
Mit seiner erstmals im Rekurs aufgestellten Behauptung, durch die Umschreibung der Rechnung sei es zu einer konkludenten Vertragsänderung auf ihn gekommen, verstößt der Kläger gegen das auch im Rekursverfahren geltende Neuerungsverbot (RS0042091). Eine solche schlüssige Willenserklärung der Zweitbeklagten behauptete er in erster Instanz zu keinem Zeitpunkt, vielmehr bestritt er bis zuletzt die Existenz der ersten Rechnung Beilage ./7 und vertrat stets den Standpunkt, es habe lediglich die auf seinen Namen ausgestellte Rechnung Beilage ./C gegeben.
Der Rekurs bleibt daher erfolglos.
Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.
In einem Verfahren über einen Rechtsgestaltungsanspruch auf Aufhebung eines Kaufvertrags und über das damit verbundene Leistungsbegehren auf Rückzahlung des Kaufpreises bestimmt sich der Streitwert nur nach dem Leistungsbegehen (RS0018806 [T2]). Ein Bewertungsausspruch des Aufhebungsbegehrens hat daher zu unterbleiben.
Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO waren nicht zu lösen, sodass kein Anlass bestand, den ordentlichen Revisionsrekurs zuzulassen.