Der Oberste Gerichtshof hat am 11. November 2025 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. und Dr. Farkas in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Rathmayr in der Maßnahmenvollzugssache des * T*, AZ 28 Hv 45/23y des Landesgerichts Eisenstadt, über die von der Generalprokuratur gegen einen Vorgang ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Staatsanwalt Mag. Lang B.A., zu Recht erkannt:
In der Maßnahmenvollzugssache AZ 28 Hv 45/23y des Landesgerichts Eisenstadt verletzt der Vorgang des Unterlassens, das Ergebnis vom Gericht durchgeführter Erhebungen dem Betroffenen und seiner Erwachsenenvertreterin mitzuteilen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme dazu einzuräumen, § 6 Abs 2 erster Satz StPO iVm § 17 Abs 1 Z 3 und § 163 StVG.
Der Beschluss dieses Gerichts vom 24. Oktober 2024, GZ 28 Hv 45/23y 81, wird aufgehoben und es wird dem Landesgericht Eisenstadt aufgetragen, das Schreiben des Pflegeheims A* GmbHCo KG vom 18. Juni 2024 (ON 66) verbunden mit dem Hinweis, dass dieses einem Ersuchen um Vorlage weiterer Bescheinigungen (ON 73) nicht entsprochen habe, dem Betroffenen und seiner Erwachsenenvertreterin zur Äußerung binnen angemessener Frist zuzustellen und sodann neuerlich über die Übernahme der Kosten der psychiatrischen Behandlung und des Aufenthalts des * T* gemäß § 179a Abs 2 StVG zu entscheiden.
Gründe:
[1] Mit Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Geschworenengericht vom 6. Dezember 2023, GZ 28 Hv 45/23y33, wurde die strafrechtliche Unterbringung des * T* in einem forensisch-therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 1 StGB angeordnet. Vom Vollzug der strafrechtlichen Unterbringung gemäß § 157a StVG wurde vorläufig für eine Probezeit von fünf Jahren abgesehen. Mit zugleich gefasstem, verfehlt (RISJustiz RS0126528) gemeinsam ausgefertigtem Beschluss wurde Bewährungshilfe angeordnet und es wurden die Bedingungen für das Absehen vom Vollzug – soweit hier von Bedeutung die Wohnsitznahme des Betroffenen im Pflegeheim A* GmbHCo KG – festgelegt (§ 434g Abs 6 StPO; § 157a Abs 4, §§ 157b f StVG).
[2] Mit Beschluss vom 28. März 2024, GZ 28 Hv 45/23y54, bestimmte das Landesgericht Eisenstadt den vom Betroffenen selbst zu tragenden monatlichen Kostenbeitrag für den (weisungsgemäßen) Aufenthalt in diesem Pflegeheim mit 1.711,86 Euro monatlich (§ 157d iVm § 179a Abs 2 StVG).
[3]Aus Anlass der dagegen von der Erwachsenenvertreterin des Betroffenen eingebrachten Beschwerde hob das Oberlandesgericht Wien als Beschwerdegericht diesen Beschluss mit dem Auftrag zur Verfahrensergänzung auf. Beim genannten Pflegeheim handle es sich nämlich offenbar um keines, mit welchem der Bund einen Vertrag mit der Vereinbarung pauschaler Tagessätze gemäß § 179a Abs 3 StVG geschlossen habe. Um die Voraussetzungen einer subsidiären Kostenübernahme durch den Bund und damit den vom Betroffenen selbst zu tragenden Kostenbeitrag bestimmen zu können, sei zunächst zu klären, ob dieses Pflegeheim überhaupt die (im Beschluss näher bezeichneten) Voraussetzungen einer sozialtherapeutischen Wohneinrichtung im Sinn des § 179a Abs 2 StVG erfülle (ON 58 S 9 ff).
[4]Einem Ersuchen des Vollzugsgerichts, „Eigenschaft und Leistungserbringung als sozialtherapeutische Wohneinrichtung im Sinne des § 179a Abs 2 StVG“ zu bescheinigen, kam das Pflegeheim A* GmbH Co KG nur insoweit nach, als es die erste Seite eines Vertrags mit dem Land Niederösterreich über die „Betreuung und Pflege von … hilfsbedürftigen Menschen, welchen Hilfe bei stationärer Pflege … bescheidmäßig zuerkannt wurde“ (ON 66 S 3) vorlegte. Dem ergänzenden Ersuchen des Vollzugsgerichts, diesen Vertrag vollständig vorzulegen sowie eine „genaue Aufstellung bzw Bescheinigungen über die erbrachten Leistungen“ zu übermitteln (ON 73), kam das Pflegeheim nicht nach.
[5] Mit Beschluss vom 24. Oktober 2024, GZ 28 Hv 45/23y81, lehnte das Landesgericht Eisenstadt – ohne zuvor dem Betroffenen, dessen Erwachsenenvertreterin und der Staatsanwaltschaft Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Ergebnissen dieser Erhebungen zu geben – eine Kostenübernahme durch den Bund im Sinn des § 179a Abs 2 StVG ab.
[6] Die dagegen gerichtete Beschwerde des Pflegeheims wies das Oberlandesgericht Wien als verspätet zurück.
[7] Das Vorgehen des Landesgerichts Eisenstadt steht – wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt – mit dem Gesetz nicht im Einklang.
[8]Gemäß § 6 Abs 2 erster Satz StPO, der auch im (Maßnahmen)Vollzugsverfahren gilt (§ 17 Abs 1 Z 3 und § 163 StVG), hat jede am Verfahren beteiligte Person Recht auf angemessenes rechtliches Gehör. Dieses besteht im Recht, vor einer Entscheidung insbesondere über die betroffene eigene Rechtssphäre zu Wort zu kommen. Dies setzt die vollständige Information über die relevanten Umstände voraus und umfasst den Anspruch, Gelegenheit zur Stellungnahme zum Ergebnis vom Gericht durchgeführter Erhebungen zu erhalten ( Pieber in WK 2StVG § 17 Rz 4; allgemein Wiederin , WK-StPO § 6 Rz 6 f und 50; vgl [zu tatsächlichen Erhebungen im Beschwerdeverfahren] RISJustiz RS0123977).
[9] Mit Blick auf seine grundsätzliche Kostentragungspflicht (RISJustiz RS0132825) betrifft das Ergebnis der vom Landesgericht Eisenstadt durchgeführten Erhebungen T* unzweifelhaft in seiner Rechtssphäre. Zur effektiven Wahrnehmung seiner Rechte hätte das Vollzugsgericht daher nicht nur ihm sondern auch seiner – für diesen Wirkungsbereich (§ 269 Abs 1 Z 2 ABGB) bestellten (ON 48 S 5) – Erwachsenenvertreterin Gelegenheit zur Äußerung geben müssen. Indem es dies unterließ, verletzte es § 6 Abs 2 erster Satz StPO iVm § 17 Abs 1 Z 3 und § 163 StVG.
[10]Da eine für den Betroffenen nachteilige Wirkung dieses gesetzwidrigen Vorgangs nicht auszuschließen ist, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, die Feststellung der Gesetzesverletzung auf die im Spruch ersichtliche Weise mit konkreter Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO).
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