Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Brenn als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und die Hofräte Dr. Stefula und Mag. Schober als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. M*, vertreten durch die preslmayr.legal Rechtsanwälte GmbH in Perchtoldsdorf, gegen die beklagte Partei P*, vertreten durch die Dr. Helene Klaar Dr. Norbert Marschall Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Ehescheidung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau als Berufungsgericht vom 29. Juli 2025, GZ 2 R 18/25x 50, den
Beschluss
gefasst:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Vorinstanzen schieden die Ehe der Streitteile aus dem gleichteiligen Verschulden beider Ehegatten. Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig.
[2] In ihrer außerordentlichen Revision gelingt es der Beklagten nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen.
[3] 1.Welchem Ehepartner Eheverfehlungen zur Last fallen und wen das überwiegende Verschulden an der Zerrüttung der Ehe trifft, ist typisch von den Umständen des Einzelfalls abhängig und begründet daher – von Fällen krasser Fehlbeurteilung abgesehen – keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RS0118125; RS0119414). Da das überwiegende Verschulden nach § 66 EheG dem Alleinverschulden gleichsteht, ist ein Ausspruch des überwiegenden Verschuldens nur gerechtfertigt, wenn das mindere Verschulden des einen Teils fast völlig in den Hintergrund tritt (RS0057325 [T4]; RS0057821 [T5, T6, T7]). Der Ausspruch, dass die Schuld eines Gatten überwiegt, ist damit nur zulässig, wenn dessen Verschulden erheblich schwerer ist als das des anderen (RS0057057; RS0057251; RS0057858).
[4]2. Bei der Beurteilung des überwiegenden Verschuldens sind alle Umstände zu berücksichtigen und in ihrer Gesamtheit gegenüberzustellen (RS0057303). Es kommt dabei nicht nur auf die Verwerflichkeit der einzelnen Ehewidrigkeiten an, sondern auch darauf, wieweit sie einander bedingten und welchen ursächlichen Anteil sie am Scheitern der Ehe hatten (RS0056597; RS0057223; RS0057241). Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sind auch verjährte und verziehene Eheverfehlungen in die Verschuldensabwägung einzubeziehen, wenn dies der Billigkeit entspricht (RS0043434 [T8]; RS0057247).
[5] 3. Dass die Vorinstanzen von einem gleichteiligen Verschulden der Ehegatten ausgingen, begründet hier schon deshalb keine erhebliche Rechtsfrage, weil nach den Feststellungen beide Parteien unter anderem jeweils die Pflicht zur anständigen Begegnung und zur umfassenden Lebensgemeinschaft verletzten und die Beklagte auch gegen die während der Mediation getroffene Vereinbarung verstieß, das eheliche Wohnhaus in getrennte Bereiche aufzuteilen, indem sie den Kläger zum gänzlichen Verlassen des Wohnhauses aufforderte, was zur objektiven und auf Seite des Klägers auch subjektiven Zerrüttung der Ehe führte. Das Verschulden der Beklagten tritt auch unter Berücksichtigung der vom Kläger begangenen Unterhaltsverletzung nicht völlig in den Hintergrund. Auf die von der Beklagten als erheblich relevierte Rechtsfrage, ob die ihr von den Vorinstanzen überdies angelastete Verletzung der Pflicht zur Geschlechtsgemeinschaft aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls tatsächlich zu berücksichtigen sei, kommt es nicht entscheidend an.
[6] 4.Gemäß § 57 Abs 1 EheG erlischt das Recht auf Scheidung wegen Verschuldens, wenn der Ehegatte nicht binnen sechs Monaten die Klage erhebt. Im Zweifel gelten Eheverfehlungen allerdings nicht als durch Zeitablauf verwirkt, der Kläger braucht die Einhaltung der Frist des § 57 Abs1 EheG deshalb nicht zu beweisen (RS0057279). Unklarheiten gehen damit zu Lasten der Beklagten (3 Ob 158/07t = RS0057279 [T1]).
Rückverweise
Keine Verweise gefunden