Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Korn, Dr. Stiefsohn, Mag. Böhm und Dr. Gusenleitner Helm in der Rechtssache der klagenden Partei W*, vertreten durch Dr. Helmut Fetz, Dr. Birgit Fetz, Mag. Dagmar Uschan Volker, Rechtsanwälte in Leoben, gegen die beklagten Parteien 1. I* Gesellschaft m.b.H. Co KG, *, und 2. I* Gesellschaft m.b.H., *, beide vertreten durch Dr. Andreas Fink, Dr. Christopher Fink, Rechtsanwälte in Imst, sowie die auf Seiten der beklagten Parteien dem Streit beigetretenen Nebenintervenienten, 1. Ing. Dr. W*, vertreten durch Dr. Günther Egger, Dr. Karl Heiss, Rechtsanwälte in Innsbruck, 2. DI H*, vertreten durch Dr. Andreas König, Dr. Andreas Ermacora, Dr. Christian Klotz ua, Rechtsanwälte in Innsbruck, und 3. Dr. M*, vertreten durch Dr. Walter Lenfeld, Dr. Wilfried Leys, Dr. Marco Sonderegger, Rechtsanwälte in Landeck, wegen 274.692,63 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 16. Jänner 2025, GZ 1 R 163/24s 81, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1]1. Nach § 14 Abs 1 BTVG kann der Erwerber alle Leistungen, die er oder der Treuhänder für ihn entgegen den Bestimmungen des BTVG erbracht hat, zurückfordern. Der Bauträger hat für Rückforderungsansprüche Zinsen ab dem Zahlungstag in einer den jeweiligen Basiszinssatz um acht Prozentpunkte übersteigenden Höhe zu zahlen.
[2] 2. Der Anspruch auf (Straf)Zinsen kann unabhängig vom Rückforderungsanspruch geltend gemacht werden. Die Verpflichtung des Bauträgers zur Verzinsung beginnt unabhängig von einer Einforderung durch den Erwerber, es ist vielmehr an das Entstehen des Rückforderungsanspruchs anzuknüpfen. Voraussetzung eines Anspruchs auf Zinsen nach § 14 Abs 1 BTVG ist daher, dass die Zahlungen zum Zeitpunkt der Weiterleitung in die Verfügungsmacht des beklagten Bauträgers nicht fällig waren (5 Ob 7/21x mwN). Eine gegen das BTVG verstoßende Zahlung liegt insbesondere dann vor, wenn sie ohne ausreichende Sicherheit (§ 7 Abs 4 BTVG) oder verfrüht entgegen dem Ratenplan geleistet wurde (RS0132450).
[3]Wenn die Fälligkeit zwischenzeitig eingetreten ist, kann der Erwerber zwar nicht mehr das Kapital zurückfordern, aber noch immer die bis zum Eintritt der Fälligkeit aufgelaufenen Zinsen verlangen (RS0129152).
[4]3. Entgegen der Revision kommt es dabei auf ein Verschulden nicht an. Bereits in den Materialien zu § 14 BTVG wird dargelegt, dass der zu erstattende Betrag „auch ohne Prüfung eines Verschuldens des Bauträgers [...] in einer den gesetzlichen Zinssatz deutlich übersteigenden Höhe zu verzinsen [ist]“ (ErläutRV 312 BlgNR 20. GP 26; vgl auch Prader/Pittl in Schwimann/Kodek, BTVG Praxiskommentar 2[2023] § 14 BTVG Rz 1; H. Böhm/Höllwerthin GeKo Wohnrecht III § 14 BTVG, Rz 12; Gartner , Bauträgerver-tragsgesetz 5 § 14, Rz 4).
[5] Im vorliegenden Fall ist aber ohnehin nicht ersichtlich und in der Revision auch nicht dargelegt, weshalb die Beklagten an der vorzeitigen Auszahlung kein Verschulden treffen soll. Die Bauausführung erfolgte wissentlich gravierend abweichend von der Baubewilligung und trotz entsprechender Warnung des Architekten, dass diesfalls eine Neueinreichung erforderlich sein werde, was einer Bauausführung ohne Baubewilligung gleichzuhalten ist. Eine solche war aber Voraussetzung für die Auszahlung des Treuhanderlags.
[6]4. Richtig ist, dass in beiderseits unternehmens-bezogenen Geschäften ein Verzicht auf „Strafzinsen“ nach § 14 BTVG vereinbart werden kann (5 Ob 151/06a). Ob nach den Umständen des Einzelfalls ein Verzicht anzunehmen ist oder nicht, stellt aber – außer im Fall einer groben Fehlbeurteilung – keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (RS0107199).
[7] Nach den Feststellungen haben die Parteien im Kaufvertrag ausdrücklich vereinbart, dass eine Weiterleitung des Treuhanderlags erst nach Vorliegen einer aufrechten, rechtskräftigen Baubewilligung erfolgen darf. Zwar war der Geschäftsführer der Klägerin bereits davor in Kenntnis, dass die Anzahl der Wohneinheiten bei der Bauausführung geändert werden sollte. Dazu war ihm aber mitgeteilt worden, dass „die Kubatur gleich bleibe“, weshalb eine „Tekturplanung erfolge“. Wenn das Berufungsgericht davon ausgeht, dass damit suggeriert wurde, dass aufgrund nur geringfügiger Abweichungen das Projekt keiner neuen formellen Baubewilligung bedürfe und dementsprechend auch nicht von einem Verzicht auf eine solche ausgegangen werden könne, ist dies nicht korrekturbedürftig. Dies gilt auch für die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Klägerin im Zusammenhang mit der Fälligkeit der letzten Raten vertröstet wurde, dass „in Kürze“ die Änderungsgenehmigung vorliege, weshalb die nachfolgende Zahlung insbesondere auch im Hinblick auf die Ankündigung der Beklagten, dass sonst keine Besichtigung mit Kaufinteressenten möglich sei, nicht als schlüssiger Verzicht auf die Geltendmachung von Ansprüchen aufgrund Zahlung vor Fälligkeit verstanden werden dürfe.
[8]5. Auch wenn der Kaufvertrag die Klausel enthält, dass nicht in das Übergabeprotokoll aufgenommene Mängel als genehmigt gelten, gehen selbst die Beklagten nicht davon aus, dass die Klägerin durch die Unterfertigung des Übergabeprotokolls einen Bau ohne aufrechte Baubewilligung, die ihr im Übrigen auch laufend zugesagt worden war, genehmigte. Warum daher das Übergabeprotokoll dahingehend verstanden werden soll, dass damit schlüssig auf einen Anspruch nach § 14 BTVG verzichtet wurde, ist nicht nachvollziehbar.
[9]6. Das Berufungsgericht hat auch auf die Rechtsprechung verwiesen, nach der der Rückforderungs-anspruch nach § 14 BTVG von der „Irrelevanz der Kenntnis des Erwerbers vom Nichtbestehen seiner Schuld gekennzeichnet sei“ (5 Ob 151/06a). Abgesehen davon, dass sich aus den Feststellungen – wie dargelegt – nicht ergibt, dass sich die Klägerin bewusst war, dass die Änderungen im Rahmen der Bauausführung eine neuerliche Antragstellung erfordern, ist schon aus diesem Grund ein Verstoß gegen Treu und Glauben vertretbar verneint worden.
[10]7. Die Sicherungspflicht des Bauträgers endet nach § 7 Abs 5 BTVG (erst) „mit der tatsächlichen Übergabe des fertiggestellten eigentlichen Vertragsgegenstandes und der Sicherung der Erlangung der vereinbarten Rechtsstellung“.
[11]Das Erlöschen der Sicherungspflicht des Bauträgers ist somit an drei Voraussetzungen geknüpft: Zum einen muss der eigentliche Vertragsgegenstand fertiggestellt und zum anderen dem Erwerber tatsächlich übergeben sein; weiters muss die Erlangung der vereinbarten Rechtsstellung „gesichert“ sein (10 Ob 29/24y).
[12]Der Begriff der Rechtsstellung wird im Gesetz nicht näher definiert, allerdings ist diese grundsätzlich iSd § 2 Abs 2 BTVG auf die jeweils vertraglich vorgesehene Rechtseinräumung zu beziehen (vgl 10 Ob 29/24y mwN). Richtig ist, dass nach der Entscheidung 8 Ob 113/04g unter Erlangung der vereinbarten Rechtsstellung nicht das Erlangen einer rechtskräftigen Baubewilligung zu verstehen ist.
[13]Damit ist aber für die Beklagten nichts zu gewinnen. In Folgeentscheidungen, 3 Ob 123/13d und 8 Ob 79/21g, wurde klargestellt, dass die Fertigstellung (von Wohnungen) auch die baubehördliche Benutzungserlaubnis umfasst. Bereits der Ratenplan sieht in § 10 Abs 2 BTVG die „Bezugsfertigstellung“ vor (jeweils lit e in § 10 Abs 2 Z 1 und 2 BTVG). Nach den ErlRV 312 BlgNR 20. GP 22 ist darunter die Fertigstellung des einzelnen Vertragsobjekts sowie jener allgemeinen Teile des Gebäudes und der Anlage zu verstehen, die für die Benutzbarkeit dieses Objekts erforderlich sind. Dies setzt nach herrschender Ansicht auch das Vorliegen der behördlichen Benutzungsbewilligung voraus ( Prader/Walzel von Wiesentreu , Die Bedeutung der Benützungsbewilligung beim Ratenplan, immolex 2014, 134 f).
[14] Nach § 45 TBO 2018 (wiederverlautbart mit Kundmachung LGBl Nr 2022/44 – TBO 2022) setzt die Benutzungsbewilligung aber eine Errichtung des Gebäudes im Wesentlichen entsprechend der Baubewilligung voraus. Dementsprechend ist vor Vorliegen der Baubewilligung in einem Fall wie dem vorliegenden nicht von einer Fertigstellung des Vertragsgegenstands und damit nicht von einem Ende der Sicherungspflicht auszugehen.
[15]8. Insgesamt gelingt es den Beklagten daher nicht, das Vorliegen einer Rechtsfrage von über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Die Revision der Beklagten ist daher zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
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