2Ob159/25h – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte MMag. Sloboda, Dr. Thunhart, Dr. Kikinger und die Hofrätin Mag. Fitz als weitere Richterin und weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. E*, 2. M*, und 3. S*, alle vertreten durch Bechtold und Wichtl Rechtsanwälte GmbH in Dornbirn, gegen die beklagte Partei H*, vertreten durch Achammer Mennel Rechtsanwälte OG in Feldkirch, wegen jeweils 20.000 EUR sA, über den (richtig:) Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 6. Juni 2025, GZ 1 R 45/25i-19, mit dem das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 17. Jänner 2025, GZ 7 Cg 60/24d-13, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit jeweils 1.036,10 EUR (darin enthalten 172,70 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
[1] Die Klägerinnen sind die Töchter des 2022 verstorbenen Erblassers, der zwar österreichischer Staatsbürger war, seinen Lebensmittelpunkt aber in Thailand hatte. In einem 2009 dort errichteten Testament verfügte er, dass der Beklagte sein gesamtes thailändisches Vermögen erhalten solle. Das thailändische Recht sieht – nach insoweit übereinstimmender Ansicht der Parteien – keinen Pflichtteilsanspruch der Klägerinnen vor.
[2] Das Berufungsgericht hob das die Pflichtteilsklage abweisende Urteil des Erstgerichts, das aufgrund des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers in Thailand von der Maßgeblichkeit thailändischen Erbrechts ausgegangen war, auf und trug diesem eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Der Sachverhalt falle in den zeitlichen Anwendungsbereich der EuErbVO (Art 83 Abs 1 EuErbVO). Zwar richte sich das anzuwendende Recht grundsätzlich nach dem gewöhnlichen Aufenthalt im Todeszeitpunkt (Art 21 Abs 1 EuErbVO) oder nach jenem Ort, zu dem ausnahmsweise eine engere Verbindung bestanden habe (Art 21 Abs 2 EuErbVO). Allerdings könne der Erblasser gemäß Art 22 EuErbVO auch das Recht jenes Staats ausdrücklich oder konkludent wählen, dem er im Todeszeitpunkt angehöre. Eine Rechtswahl enthalte die letztwillige Verfügung nicht. Zudem wäre die Wahl thailändischen Erbrechts gemäß Art 83 Abs 2 EuErbVO ohnehin nicht wirksam, weil weder die Voraussetzungen des Kapitels III der EuErbVO (erste Alternative; Wahl des Staatsangehörigkeitsrechts) vorlägen noch die Rechtswahl nach den zum Zeitpunkt der Rechtswahl in Österreich (dritte Alternative) geltenden Vorschriften des Internationalen Privatrechts wirksam gewesen wäre, ein Vorbringen, dass sie nach thailändischem Recht (zweite Alternative) wirksam gewesen wäre, habe der Beklagte nicht erstattet. Allerdings habe der Erblasser die letztwillige Verfügung nach dem nach der EuErbVO einzig wählbaren österreichischen Recht wirksam errichtet, sodass gemäß Art 83 Abs 4 EuErbVO eine Rechtswahl zu Gunsten österreichischen Erbrechts zu fingieren und daher das Bestehen der geltend gemachten Pflichtteilsansprüche zu prüfen sei. Den Rekurs ließ das Berufungsgericht zur Frage zu, ob die Rechtswahlfiktion des Art 83 Abs 4 EuErbVO entgegen der herrschenden Meinung zusätzlich ein subjektives „Rechtswahlbewusstsein“ erfordere.
Rechtliche Beurteilung
[3]Der gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts gemäß § 519 Abs 1 Z 2 ZPO gerichtete, irrig als „Revisionsrekurs“ bezeichnete Rekursdes Beklagten ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 526 Abs 2 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig, weil nur solche Gründe geltend gemacht werden, deren Erledigung nicht von der Lösung erheblicher Rechtsfragen abhängt (RS0102059). Auch die Zurückweisung solcher Rekurse kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 528a iVm § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO;RS0043691 ).
[4]1. Mit der vom Berufungsgericht vertretenen Rechtsauffassung, die Rechtswahlfiktion nach Art 83 Abs 4 EuErbVO erfordere neben der wirksamen Errichtung der letztwilligen Verfügung nach dem nach der Verordnung aufgrund der österreichischen Staatsbürgerschaft des Erblassers allein wählbaren Heimatrecht nicht auch ein „Rechtswahlbewusstsein“, setzt sich der Rekurs nicht auseinander. Mangels insoweit gesetzmäßig ausgeführter Rechtsrüge (RS0043605; RS0043312 [T13]) ist es dem Obersten Gerichtshof verwehrt auf diese Rechtsfrage einzugehen (RS0043605 [T1]).
[5] 2. Gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, eine – auch fingierte (Art 83 Abs 4 EuErbVO) – Rechtswahl verdränge die Anknüpfung am letzten gewöhnlichen Aufenthalt, wendet sich der Rekurs ebenfalls nicht. Er zielt vielmehr im Wesentlichen allein darauf ab, aus dem Lebensmittelpunkt des Erblassers in Thailand und einzelnen Formulierungen im Testament eine konkludente Rechtswahl zu Gunsten thailändischen Erbrechts abzuleiten.
[6] Abgesehen davon, dass die Frage, ob aus einer letztwilligen Verfügung eine konkludente Rechtswahl abgeleitet werden kann, die Auslegung des Testaments betrifft, die nur bei – hier jedenfalls nicht vorliegender – krasser Fehlbeurteilung eine erhebliche Rechtsfrage aufwerfen könnte (2 Ob 229/22y[Rz 6 mwN]), hat das Berufungsgericht unter Hinweis auf Art 83 Abs 2 EuErbVO dargelegt, dass die Wahl thailändischen Erbrechts ohnehin nicht wirksam wäre. Auch mit dieser selbstständig tragfähigen Hilfsbegründung setzt sich der Rekurs des Beklagten, der insbesondere kein Vorbringen zu Rechtswahlmöglichkeiten nach thailändischem Kollisionsrecht (Art 83 Abs 2, zweite Alternative, EuErbVO) enthält, nicht auseinander, sodass insgesamt keine Rechtsfragen der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt werden (RS0118709 [T12]).
[7]3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerinnen haben auf die Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen. Ihnen gebührt aufgrund der gemeinsamen Prozessführung und ihres gleichen Anteils am Gesamtstreitwert (§ 12 Abs 1 RATG) jeweils – auf volle zehn Cent zu rundender (§ 1 Abs 1 letzter Satz RATG) – Ersatz der Rekursbeantwortungskosten nach Kopfteilen (2 Ob 30/25p [Rz 65 mwN]).