2Ob96/25v – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte MMag. Sloboda, Dr. Thunhart und Dr. Kikinger und die Hofrätin Mag. Fitz als weitere Richterin und Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. * N* und 2. H*, beide vertreten durch Mag. Bernd Trappmaier, Rechtsanwalt in Korneuburg, gegen die beklagte Partei P*, vertreten durch DDr. Wolfgang Doppelbauer, Rechtsanwalt in Wels, wegen 126.040,36 EUR sA, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 20. Februar 2025, GZ 19 R 89/24k 93, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Mödling vom 26. Juli 2024, GZ 18 C 8/20p 83, teilweise abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit 3.007,38 EUR (darin 501,23 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
[1] Der Erstkläger ist, die Zweitklägerin war bis Dezember 2022 Eigentümer von Liegenschaftsanteilen rund um einen See, auf dem sie Badeparzellen langfristig vermietet haben. Der Beklagte nutzte zwei dieser Parzellen ab dem 31. 12. 2015 bis zu einer Räumungsexekution am 24. 8. 2022 titellos. Auf den beiden Parzellen befinden sich jeweils im Eigentum des Beklagten stehende Superädifikate, für deren Rückübertragung an die Kläger – soweit hier relevant – eine Ablöse in Höhe eines von einem Sachverständigen festzusetzenden Schätzwerts vertraglich vereinbart wurde.
[2] Die Kläger begehrten vom Beklagten das Benützungsentgelt für die beiden von ihm weiter genutzten Parzellen ab Jänner 2016 bis Februar 2023.
[3] Der Beklagte bestritt die Höhe des Benutzungsentgelts, einen nach Räumungsexekution weiterhin bestehenden Anspruch der Kläger auf ein solches und wendete – soweit im Revisionsverfahren noch relevant – 129.000 EUR an Ablöse für die Superädifikate als Gegenforderung ein.
[4] Das Erstgericht erkannte die Klagsforderung als mit 84.913,44 EUR, die Gegenforderung als mit 54.600 EUR zu Recht bestehend und erkannte den Beklagten daher für schuldig, den Klägern 30.313,44 EUR sA zu zahlen. Das Mehrbegehren von 95.726,92 EUR sA wies es ab.
[5] Das von beiden Seiten angerufene Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger , die auf die Zuerkennung eines höheren Benutzungsentgelts und die Zuerkennung eines solchen auch für die Zeit nach der zwangsweisen Räumung abzielte, keine Folge. Der Berufung des Beklagten , die auf die Zuerkennung eines niedrigeren Benützungsentgelts und einer höheren Gegenforderung abzielte, gab das Berufungsgericht teilweise Folge. Es bestätigte das vom Erstgericht zuerkannte Benützungsentgelt sowohl hinsichtlich dessen Höhe als auch dessen Enddatum. Es erkannte die Gegenforderung allerdings bis zur Höhe der Klagsforderung als zu Recht bestehend. Die vertraglich geregelte Preisfestsetzung durch den sich aus den entsprechenden Vertragsbestimmungen ergebenden Sachverständigen sei als grob unbillig anzusehen und deshalb einer Korrektur zu unterziehen.
[6] Die ordentliche Revisionließ das Berufungsgericht zur Frage zu, ob bei derart groben Abweichungen eines vom Schiedsgutachter festgesetzten Preises wie im vorliegenden Fall von grober Unbilligkeit – allenfalls auch unter analoger Anwendung von § 934 ABGB – auszugehen sei.
[7] Dagegen richtet sich die Revision der Kläger , die die Zuerkennung eines höheren Benutzungsentgelts für einen längeren Zeitraum anstreben und sich weiters gegen die Zuerkennung der Gegenforderung wenden, soweit sie den Betrag von 54.600 EUR übersteigt.
Rechtliche Beurteilung
[8] Die Revisionist – entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruch des Berufungsgerichts – mangels Aufzeigens einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig .
1. Zur Höhe der Ablöse/Gegenforderung:
[9] 1.1. Die Kläger kommen erstmals in ihrer Revision darauf zurück, dass die Unterinstanzen keinen Ausspruch über die Übertragung des Eigentums an den Superädifikaten in ihre jeweiligen Entscheidungen aufgenommen haben. Ein solches – einem Zug um Zug Einwand vergleichbares – Vorbringen wurde im erstinstanzlichen Verfahren nicht erhoben, weshalb die Vorinstanzen darauf auch nicht Bedacht nehmen mussten (vglRS0020997 ).
[10] 1.2. Das Ergebnis eines Schiedsgutachtens ist grundsätzlich für die Parteien und das Gericht materiell-rechtlich bindend. Diese Rechtsfolge entspricht dem Zweck des Schiedsgutachtens, einem zeitaufwendigen und kostenspieligen Rechtsstreit vorzubeugen. Daher soll das Schiedsgutachten einerseits auch nicht jeder beliebigen Anfechtung ausgesetzt sein, andererseits aber auch keine absolute Gültigkeit haben (RS0106359 ). Nicht jede objektive, sondern nur eine qualifizierte Unrichtigkeit beraubt das Schiedsgutachten seiner bindenden Wirkung (RS0106360 ). Es unterliegt dann einer nachprüfenden richterlichen Kontrolle, wenn es offenbar der Billigkeit widerstreitet. Offenbar unbillig ist ein Schiedsgutachten dann, wenn es die Maßstäbe von Treu und Glauben in gröbster Weise verletzt und seine Unrichtigkeit für einen sachkundigen und unbefangenen Beurteiler sofort erkennbar wird (RS0081234 ; vgl auchRS0016769 [T2 ]).
[11] 1.3. Wenn das Berufungsgericht angesichts des dieser Rechtsprechung innewohnenden Wertungs- und Ermessensspielraums eine grobe Unbilligkeit des Ergebnisses des Schiedsgutachters angenommen hat, weil die von einem Gerichtssachverständigen ermittelten Werte der beiden Superädifikate um 50 % bzw 142 % über den vom Schiedsgutachter ermittelten Werten lagen, handelt es sich jedenfalls um eine vertretbare Rechtsansicht, die keiner Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedarf.
[12]2. Zur Frage, ob ein Benützungsentgelt mangels erfolgter Eigentumsübertragung an den Superädifikaten über das Datum der Räumung hinaus geschuldet wird, hat der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung 2 Ob 173/24s (in einem einen anderen Mieter betreffenden Rechtsstreit über Parzellen der Kläger am selben See) die Rechtsansicht des dortigen Berufungsgerichts, das für die Zeit nach Räumung der Liegenschaft einen Anspruch nach § 1041 ABGB mangels rechtswidriger Nutzung der Liegenschaft der Kläger verneint hat, als nicht korrekturbedürftig angesehen. Dass sich die Parteien (noch) nicht auf die Höhe der Ablösezahlung einigen hätten können und daher keine Eigentumsübertragung stattgefunden habe, ändere nichts daran, dass es an einer rechtswidrigen Nutzung der Liegenschaft durch die (dort) Beklagte fehle. Diese Überlegungen werden vom Senat für die hier zu beurteilende – vergleichbare – Konstellation geteilt.
[13]3. Zur Frage der Höhe des Benutzungsentgelts, die ausschließlich von den Umständen des Einzelfalls abhängt (2 Ob 173/24s Rz 21), zeigt das Rechtsmittel der Kläger keine erhebliche Rechtsfrage auf. Die Bemessung des Benutzungsentgelts nach Durchschnittssätzen ist im vorliegenden Einzelfall vertretbar, weil für die Bestimmung der Ablöse für das Superädifikat ein Verfahren vorgesehen war und eine Vermietung der konkreten Parzelle für die Kläger bis zur Klärung dieser Frage mangels Berechtigung zur Nutzung des Superädifikats nur eingeschränkt möglich gewesen wäre.
[14]4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Da der Beklagte in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat, diente sein Schriftsatz der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung.