JudikaturOGH

7Ob114/25b – OGH Entscheidung

Entscheidung
Zivilrecht
22. Oktober 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und durch die Hofrätin sowie die Hofräte Dr. Weber, Mag. Fitz, Mag. Jelinek und MMag. Dr. Dobler als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Parteien 1. K* A*, 2. S* F*, und 3. M* A*, alle vertreten durch die Prutsch-Lang Damitner Rechtsanwälte OG in Graz, gegen die beklagte Partei Ö*, vertreten durch die hba Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen hinsichtlich der erstklagenden Partei 20.000 EUR sA (AZ 45 Cg 29/23t), hinsichtlich der zweitklagenden Partei 20.691,26 EUR sA (AZ 45 Cg 29/23t) sowie hinsichtlich der drittklagenden Partei 20.000 EUR sA (AZ 61 Cg 35/21i), über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 14. April 2025, GZ 7 R 62/24b-142, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 6. September 2024, GZ 45 Cg 29/23t 127, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen, die hinsichtlich der Abweisung der Zinsenmehrbegehren der klagenden Parteien in Rechtskraft erwachsen sind, werden im Übrigen aufgehoben und die Rechtssache wird insoweit zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

[1] Der Erstkläger ist Witwer, der Zweit- und Drittkläger sind Söhne von B* A* (nachfolgend als Patientin bezeichnet), die am 22. 3. 2020 an den Folgen eines Herzinfarkts verstorben ist . Sie war vor ihrer Pensionierung diplomierte Gesundheits und Krankenpflegerin im neurochirurgischen Bereich. Die Kläger machen gegenüber der Beklagten Ansprüche auf Trauerschmerzengeld und Begräbniskosten geltend.

[2] Am 21. 3. 2020 um 9:19 Uhr verständigte die Familie der Patientin den Rettungsdienst (Notruf). Die Rettungsleitstelle ent sandte daraufhin einen mit zwei geprüften Rettungssanitätern der Beklagten besetzten Rettungswagen, welchen als Einsatzgrund „Kollaps“ mitgeteilt wurde. Die se fuhren mit Blaulicht und Folgetonhorn zur Wohnadresse der Patientin und trafen nach wenigen Minuten dort ein.

[3] Die Rettungssanitäter fanden die Patientin bekleidet sitzend auf der Toilette vor. Sie war ansprechbar, konnte selbständig aus der Toilette herausgehen und nahm auf einem Sessel Platz. Es war möglich, mit ihr normal zu sprechen. Sie erschien den Rettungssanitätern zeitlich und örtlich orientiert. Als Beschwerden nannte sie Drehschwindel, Durchfall, Sodbrennen seit einer Woche und Übelkeit. Die Frage nach einem Kollaps verneinte sie . Ihre Hände waren sehr kalt. Der Puls wurde ertastet, aber die Herzfrequenzen nicht festgestellt.

[4] Die Rettungssanitäter wollten die Patientin zunächst mitnehmen und zum Zweck einer ärztlichen Abklärung ins Krankenhaus transportieren, was sie ihr auch anrieten. Die Patientin äußerte ihre Sorge um eine Covid 19 Ansteckung, wenn sie mit ins Krankenhaus fahren würde. Sie entschied sich deshalb gegen einen Transport und unterschrieb daraufhin einen ihr vorgelegten Revers, dessen grundsätzliche Bedeutung ihr bewusst war. Die Rettungssanitäter erklärten ihr davor, dass sie damit auf eigene Verantwortung zu Hause bleibe und sie bei Verschlechterung des Gesundheitszustands „144“ kontaktieren solle. Über die Beiziehung eines Notarztes wurde nicht gesprochen.

[5] Der Revers lautete wie folgt:

REVERS

Ich lehne eine Überführung in ein Krankenhaus bei voller Verantwortlichkeit für meinen Gesundheits- bzw. Krankheitszustand ausdrücklich ab, obwohl mich die Mitarbeiter des * umfassend aufgeklärt und dazu aufgefordert haben. Ich bin mir bewusst, dass ich die Folgen dieser Ablehnung selbst zu verantworten und zu tragen habe.

[6] Die Rettungssanitäter fuhren daraufhin, ohne die Patientin in ein Krankenhaus zu verbringen. Um etwa 14:00 Uhr wurde wegen des sich zunehmend verschlechternden Gesundheitszustands der Patientin erneut der Rettungsdienst verständigt, was schließlich zu ihrem Transport in ein Krankenhaus führte. Dort verstarb sie am darauffolgenden Tag.

[7] Die Kläger begehr en jeweils die Zahlung von 20.000 EUR sA an Trauerschmerzengeld, der Zweitkläger zusätzlich 691,26 EUR sA an Begräbniskosten, und brachten – soweit für das Revisionsverfahren relevant – vor, die Rettungssanitäter hätten die Patientin nicht ordnungsgemäß untersucht und ihren ernsten Gesundheitszustand nach erlittenem Herzinfarkt nicht erkannt. Aufgrund der massiven klinischen Symptomatik wären eine medizinische Abklärung in einem Krankenhaus und der Rettungstransport dringend notwendig gewesen, ein solcher sei von den Sanitätern jedoch pflichtwidrig unterlassen worden. Diese hätten jedenfalls unverzüglich einen Notarzt anfordern müssen. Die Patientin sei auch nicht über die Notwendigkeit einer raschen ärztlichen Abklärung bzw Behandlung aufgeklärt worden. Bei früherem Transport in ein Krankenhaus wäre sie nicht verstorben.

[8] Die Beklagte beantragt die Abweisung der Klage. Die Rettungssanitäter hätten die Patientin ordnungs und pflichtgemäß untersucht. Aufgrund ihres Allgemeinzustands und des Untersuchungsergebnisses seien weder ein Krankenhaustransport noch die Beiziehung eines Notarztes medizinisch indiziert gewesen. Die Patientin sei daraufhin umfassend aufgeklärt und darüber informiert worden, dass ein Krankenhaustransport trotzdem möglich, jedoch vor dem Hintergrund der durchgeführten Untersuchung und angesichts ihrer Vitalzeichen nicht medizinisch indiziert sei . Die Rettungssanitäter seien ungeachtet dessen im Weiteren übereingekommen, sie in ein Krankenhaus zu bringen. Die Patientin jedoch habe sich daraufhin und aus Furcht vor einer Covid 19 Ansteckung auf eigenen Wunsch und eigene Verantwortung dagegen entschieden. Nach Aufklärung über die Bedeutung eines Revers habe sie diesen unterschrieben und sei bei ihrer Entscheidung, von einem Transport abzusehen, verblieben. Sie habe aufgrund ihrer langjährigen Tätigkeit als Diplomkrankenschwester ihren eigenen Zustand und die Bedeutung eines Revers ohnehin am besten beurteilen können. Letztlich hätte ein früherer Transport der Patientin in ein Krankenhaus deren Tod nicht verhindert.

[9] Das Erstgericht gab de n Klagebegehren mit Ausnahme eines Zinsenmehrbegehrens statt. Die Rettungssanitäter hätten grob fahrlässig gehandelt. Ein durchschnittlicher Rettungssanitäter hätte angesichts des Zustands der Patientin die Notwendigkeit der raschen ärztlichen Abklärung erkannt, die Patientin auf diese Erforderlichkeit nachdrücklich hingewiesen und für den Fall, dass ein Krankenhaustransport nicht durchführbar sei , vor Ort ärztlichen Rat, etwa durch Kontaktierung eines Not oder Bereitschaftsarztes, eingeholt. Durch dieses von einem Rettungssanitäter zu erwartende Verhalten wäre der Patientin rasch die erforderliche medizinische Behandlung zu Teil geworden. Dies hätten die Rettungssanitäter im vorliegenden Fall jedoch unterlassen. Der unterfertigte Revers ändere daran nichts, weil die Notwendigkeit der ärztlichen Abklärung von den Rettungssanitätern nicht erkannt und die Patientin auch nicht nachdrücklich darauf aufmerksam gemacht worden sei.

[10] Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung der Beklagten Folge und änderte das Ersturteil im Sinn einer gänzlichen Klagsabweisung ab. Die Grundsätze der ärztlichen Aufklärungspflicht seien auf Rettungssanitäter nicht übertragbar. Eine Aufklärung über den tatsächlichen Gesundheitszustand sei von diesen nicht zu erwarten. Zwar sei im konkreten Fall medizinisch indiziert gewesen, die Patientin in ein Krankenhaus zu transportieren. Die Rettungssanitäter hätten aber ohnehin die Notwendigkeit einer ärztlichen Abklärung erkannt, der Patientin dazu geraten und sie deswegen ins Krankenhaus transportieren wollen. Der Transport sei nur unterblieben, weil die Patientin dies unter Übernahme der Verantwortung für die Folgen abgelehnt habe. Ein Behandlungs und Transportverzicht entscheidungsfähiger Patienten sei zu beachten, auch wenn damit offenkundig ein Nachteil für den Patienten droh e. Da eine für einen durchschnittlichen Rettungssanitäter erkennbare akute Lebensbedrohung nicht vorgelegen habe, sei die Beiziehung eines Notarztes nicht indiziert gewesen. Den Rettungssanitätern sei auch nicht vorzuwerfen, dass sie keine weitere ärztliche Abklärung angefordert hätten , weil sie den Transport in ein Krankenhaus ohnehin für angezeigt gehalten und die Patientin nur gegen Revers nicht dorthin gebracht hätten. Daher sei nicht darauf einzugehen, ob das Nichterkennen des kardialen Schockgeschehens überhaupt geeignet sei, ein schweres Verschulden zu begründen.

[11] D ie ordentliche Revision sei zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung dazu fehle, ob der Revers eine s Patient e n, aufgrund dessen Rettungssanitäter den aus ihrer Sicht medizinisch indizierten Transport in ein Krankenhaus zur ärztlichen Abklärung unterlassen hätten , die Rechtswidrigkeit dieser Unterlassung beseitige, wenn die Beteiligten den tatsächlichen Ernst der Lage nicht erkannt hätten.

[12] In ihrer dagegen erhobenen Revision beantrag en die Kläger die Abänderung des Berufungsurteils dahin, dass den Klagebegehren im Umfang des erstinstanzlichen Urteils stattgegeben werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Ein Rettungssanitäter habe zwar keine medizinische Diagnose zu stellen, ihn treffe aber dennoch eine Aufklärungspflicht gegenüber dem Patienten, welche zumindest Informationen über die Beurteilung des Gesundheitszustands, die Dringlichkeit einer ärztlichen Abklärung sowie die möglichen Folgen eines Unterbleibens enthalte. Nur in Kenntnis dieser Informationen könne der Patient eine selbstbestimmte und eigenverantwortliche Entscheidung über eine (Hilfs )Maßnahme treffen. D ie im vorliegenden Fall der Patientin erteilten Informationen hätten ihr eine solche Entscheidung über den Krankenhaustransport nicht ermöglicht. Vielmehr werde ein Patient durch die festgestellten Aussagen der Rettungssanitäter dazu verleitet, den Ernst der Lage zu verkennen und sich in Sicherheit zu wiegen. Die Rettungssanitäter hätten die Dringlichkeit der ärztlichen Abklärung erkennen, die Patientin dahingehend aufklären und auf eine ärztliche Behandlung hinwirken müssen. Der Revers sei damit nicht rechtswirksam.

[13] Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung , die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[14] Die Revision ist zulässig , sie ist im Sinn des Aufhebungsantrags auch berechtigt .

1. Tätigkeitsbereich des Rettungssanitäters

[15] 1.1. Der Sanitätsdienst umfasst den Tätigkeitsbereich des Rettungs- und des Notfallsanitäters entsprechend die eigenverantwortliche Anwendung von Maßnahmen der 1. qualifizierten Ersten Hilfe, 2. Sanitätshilfe und 3. Rettungstechnik, einschließlich diagnostischer und therapeutischer Verrichtungen (§ 8 SanG). Sanitäter haben gemäß § 4 SanG ihre Tätigkeit ohne Ansehen der Person gewissenhaft auszuüben. Sie haben das Wohl der Patienten und der betreuten Personen nach Maßgabe der fachlichen und wissenschaftlichen Erkenntnisse und Erfahrungen zu wahren. Nötigenfalls ist ein Notarzt oder, wenn ein solcher nicht zur Verfügung steht, ein sonstiger zur selbständigen Berufsausübung berechtigter Arzt anzufordern.

[16] 1 .2.Dem Rettungssanitäter obliegt die Beurteilung, ob eine Person überhaupt medizinisch indizierter Betreuung bedarf (vgl § 9 Abs 1 Z 1 SanG). Er hat damit eigenverantwortlich (§ 8 SanG) zu beurteilen, 1. ob eine medizinische Indikation für (weitere) (Hilfs-)Maßnahmen vorliegt sowie 2. wie dringlich diese sind, etwa ob ein Patient aufgrund seines Gesundheitszustands für eine ärztliche Abklärung bzw allfällige Behandlung in ein Krankenhaus zu transportieren oder – mangels Indikation zum Krankenhaustransfer – am Einsatzort zu belassen ist ( Halmich , Recht für Sanitäter und Notärzte² 164; Jochum , Kompetenzen österreichischer Rettungs- und Notfallsanitäter [2018] 107 ff). Im Übrigen bestehen die Aufgaben des Rettungssanitäters vorrangig in der selbständigen und eigenverantwortlichen Versorgung und Betreuung kranker, verletzter und sonstiger hilfsbedürftiger Personen, die medizinisch indizierter Betreuung bedürfen, vor und während eines Transports (§ 9 Abs 1 Z 1 SanG), reichen aber auch von der Hilfestellung bei auftretenden Akutsituationen bis hin zur qualifizierten Durchführung lebensrettender Sofortmaßnahmen (§ 9 Abs 1 Z 3 und 4 sowie Abs 2 SanG; vgl 10 ObS 199/21v).

[17] 1 .3. Die Intervention eines Rettungssanitäters bedarf dabei grundsätzlich der – ausdrücklichen oder stillschweigenden – Einwilligung des Patienten. Dies ergibt sich schon aus dem Recht auf Selbstbestimmung (vgl RS0118355 ). Sofern ein einsichts- und urteilsfähiger Patient ihm angebotene (Hilfs-)Maßnahmen ablehnt, obwohl aus Sicht des Rettungssanitäters die angebotenen Maßnahmen indiziert erscheinen, ist dieser Verzicht zu beachten ( Halmich , Recht für Sanitäter und Notärzte² 94 ff; ders in Neumayr/Resch/Wallner, GmundKomm² § 4 SanG Rz 2 ). Einem Patienten steht es demnach auch frei, eine eigentlich medizinisch indizierte Maßnahme abzulehnen.

2. Aufklärungspflicht

[18]2.1. Unbestritten trifft einen Rettungssanitäter keine ärztliche Aufklärungspflicht, übt er doch keine ärztliche Tätigkeit aus. Damit ist von ihm auch keine Aufklärung wie durch einen Arzt zu erwarten. Die Revision wendet sich auch nicht gegen die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts, dass einen Rettungssanitäter keine Aufklärungspflicht über medizinische Diagnosen oder eine ärztliche Heilbehandlung treffe. Ob Behandlungsbedarf vorliegt, kann nur von einem Arzt entschieden werden. Denn die dafür erforderliche Diagnose von (behaupteten) Krankheitszuständen fällt unter § 2 Abs 2 Z 1 ÄrzteG und ist daher Ärzten vorbehalten (4 Ob 36/10p mwN). Ein Rettungssanitäter hat somit keine medizinische Diagnose zu stellen oder den Patienten über eine solche aufzuklären.

[19]2.2. Den Rettungssanitäter kann in seinem Tätigkeitsbereich (§ 9 SanG) dennoch eine Aufklärungspflicht gegenüber dem Patienten treffen. Grundlage ist in erster Linie das Selbstbestimmungsrecht des Patienten (vgl RS0118355 ). Die Durchführung einer (Hilfs-)Maßnahme durch einen Rettungssanitäter kann einen Eingriff in die körperliche Integrität darstellen, die ohne Einwilligung des Patienten rechtswidrig ist (vgl RS0026473 ). Voraussetzung für eine wirksame Einwilligung ist eine entsprechende Aufklärung. Nur durch eine solche wird der Patient in die Lage versetzt, die Tragweite seiner Zustimmung zu überschauen und eine sachgerechte Entscheidung zu treffen, ob er der Maßnahme zustimmt oder sie ablehnt. Fehlt es daran, ist die konkrete Maßnahme als rechtswidriger Eingriff in die körperliche Integrität zu beurteilen. Diese Grundsätze gelten nicht nur für ärztliche Eingriffe ( 4 Ob 115/18t mwN). Insoweit trifft auch den Rettungssanitäter eine Aufklärungspflicht im Rahmen der Durchführung von Maßnahmen seines Tätigkeitsfeldes durch welche in die körperliche Integrität des Patienten eingegriffen wird (vgl Halmich , Recht für Sanitäter und Notärzte² 94 f; Koppensteiner , Die Aufklärungspflicht in der Notfallmedizin, in ÖGERN, Notfallmedizin: eine interdisziplinäre Herausforderung [2014] 49 [50, 55]).

[20]2.3. Neben dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten als Grundlage kann der Rettungssanitäter eine Aufklärung darüber hinaus im Rahmen der allgemeinen Pflicht des § 4 Abs 1 SanG, das Wohl des Patienten nach Maßgabe der fachlichen und wissenschaftlichen Erkenntnisse und Erfahrungen zu wahren, schulden (vgl RS0026362). Die Aufklärungspflicht des Rettungssanitäters hat an die in seinem Tätigkeitsbereich (§ 9 SanG) liegenden Aufgaben anzuknüpfen. Dies gilt auch für die ihm obliegende Beurteilung, ob eine medizinische Indikation für (weitere) (Hilfs-)Maßnahmen vorliegt sowie wie dringlich diese sind. Soweit aus seiner Sicht eine bestimmte Maßnahme – etwa die weitere Versorgung und der anschließende Transport in ein Krankenhaus – medizinisch indiziert erscheint, hat er den Patienten schon aufgrund der Pflicht, dessen Wohl zu wahren, grundsätzlich über diese Maßnahme zu informieren und auf deren Indikation hinzuweisen.

[21] Die Aufklärung dient insofern auch dazu, dem Patienten die aus fachlicher Sicht des Rettungssanitäters in der konkreten Situation erforderlichen Maßnahmen aufzuzeigen und ihm eine ausreichende Information über diese zu geben. Dadurch werden die dem Rettungssanitäter erforderlich erscheinenden (Hilfs-)Maßnahmen dem Patienten, soweit diesem nicht ohnehin bekannt oder offenkundig, überhaupt eröffnet und wird ihm eine sachgerechte Entscheidung ermöglicht, ob er eine bestimmte Maßnahme in Anspruch nehmen will oder nicht. Vor der (endgültigen) Ablehnung einer ihm empfohlenen (Hilfs-)Maßnahme ist der Patient damit in der Regel über die entsprechende Maßnahme durch den Rettungssanitäter zu informieren ( Aigner/Doppler/Willschke , Anwendbarkeit von Telemedizin im Rahmen der Tätigkeit von Sanitätern, RdM 2021, 182 [184]; Burkowski/Halmich, SanG § 9 Rz 8; Halmich , Recht für Sanitäter und Notärzte² 94, 164; vgl allgemein zur sog „Sicherungsaufklärung“ Neumayr in Neumayr/Resch/Wallner, GmundKomm² Einleitung ABGB Rz 59 ff mwN).

3. Umfang der Aufklärung

[22] 3.1. Der Umfang der Aufklärungspflicht ist eine anhand der zu den konkreten Umständen des Einzelfalls getroffenen Feststellungen zu beurteilende Rechtsfrage (vgl RS0026529 ; RS0026763 ). Dabei ist stets zu beachten, dass die dargestellten Sorgfaltsanforderungen nicht überspannt werden dürfen.

[23]3.2. Sofern der Patient eine aus fachlicher Sicht des Rettungssanitäters medizinisch indizierte Maßnahme – etwa den Transport in ein Krankenhaus zur ärztlichen Abklärung des Gesundheitszustands – ablehnt, hat der Rettungssanitäter in Erfüllung seiner Pflicht nach § 4 Abs 1 SanG dem Patienten diese Maßnahme darzulegen. Auch wenn er dem Patienten dabei keine medizinischen Einzelheiten mitteilen muss und seine Aufklärungspflicht nicht die – außerhalb seiner Befugnisse liegende – Aufklärung über medizinische Diagnosen, einen konkreten Behandlungsbedarf oder ärztliche Heilbehandlungen umfasst, wird der Rettungssanitäter dennoch allgemein darüber zu informieren haben, aufgrund welcher Umstände und Überlegungen er zu seiner Beurteilung gelangt, dass die angebotene (Hilfs-)Maßnahme medizinisch indiziert ist und im konkreten Fall erforderlich erscheint. Der Rettungssanitäter hat einem Patienten, der eine ihm angebotene bzw empfohlene (Hilfs-)Maßnahme ablehnt, also allgemein darzulegen, aus welchen Gründen die Durchführung der Maßnahme aus seiner fachlichen Sicht anzuraten ist. Erst dadurch wird dem Patienten die angebotene Maßnahme näher veranschaulicht und eine sachgerechte Entscheidung über diese ermöglicht.

[24] 3.3. Sofern nach dem Zustand des Patienten dringliche (Hilfs-)Maßnahmen, etwa eine kurzfristige medizinische Intervention, eine rasche ärztliche Abklärung des Gesundheitszustands oder ein umgehender Krankenhaustransport, indiziert erscheinen, hat der Rettungssanitäter darauf aufmerksam zu machen. Die Information hat umso ausführlicher und eindringlicher zu sein, je klarer für den Rettungssanitäter die möglichen schädlichen Folgen des Unterbleibens sind und je dringlicher die (Hilfs-)Maßnahme aus der Sicht eines vernünftigen und einsichtigen Patienten erscheinen muss (vgl 3 Ob 77/10k ). Der Rettungssanitäter wird dabei also bei diesbezüglicher medizinischer Indikation auch auf die Dringlichkeit eines Krankenhaustransports zur weiteren ärztlichen Abklärung sowie die Hintergründe seiner diesbezüglichen Beurteilung aufmerksam zu machen haben.

4. Beurteilung im konkreten Einzelfall

[25] 4.1. Im vorliegenden Fall vertreten die Kläger den Standpunkt, die Rettungssanitäter hätten die Notwendigkeit einer raschen ärztlichen Abklärung des Gesundheitszustands der Patientin nicht erkannt und sie nicht ausreichend darauf aufmerksam gemacht. Aus den Feststellungen, wonach die Rettungssanitäter die Patientin zunächst mitnehmen und zum Zweck einer ärztlichen Abklärung in ein Krankenhaus transportieren wollten, was sie ihr auch anrieten, folgt dazu, dass die Rettungssanitäter die Empfehlung geäußert haben, sich zur ärztlichen Abklärung in ein Krankenhaus transportieren zu lassen.

[26] Inwieweit die Rettungssanitäter tatsächlich auf eine Notwendigkeit und Dringlichkeit einer ärztlichen Abklärung bzw eines Krankenhaustransports aufmerksam gemacht haben, lässt sich dem Sachverhalt bislang jedoch nicht entnehmen. Ebenso wenig folgt aus den Feststellungen, ob die Rettungssanitäter die von ihnen geäußerte Empfehlung des Krankenhaustransports gegenüber der Patientin begründet und deren Hintergründe weiter dargelegt haben. Damit gibt es vorliegend keine gesicherte Sachverhaltsgrundlage, die die Beurteilung erlaubt, ob die Rettungssanitäter ihrer Aufklärungspflicht ausreichend nachgekommen sind. Es bedarf daher einer Erweiterung des Sachverhalts hinsichtlich des mit der Patientin geführten Gesprächs.

[27]4.2. Darüber hinaus sind die – der Tatsachenebene zuzuordnenden (vgl RS0026418) – erstgerichtlichen Feststellungen, ob die Rettungssanitäter den Regeln der medizinischen Wissenschaft und Sanitätshilfe entsprechend handelten sowie ob ein durchschnittlicher Rettungssanitäter die Notwendigkeit der raschen ärztlichen Abklärung erkannt hätte, ergänzungsbedürftig.

[28] Das Erstgericht ging davon aus, dass eine rasche ärztliche Abklärung des Gesundheitszustands der Patientin objektiv notwendig war, von den Rettungssanitätern jedoch nicht ausreichend erkannt wurde. Dass sie der Patientin den Krankenhaustransport zum Zweck einer ärztlichen Abklärung anrieten, würde hingegen darauf hindeuten, dass sie eine solche Abklärung selbst für medizinisch indiziert und notwendig erachteten. Insofern bedarf es einer Klarstellung, von welchen Umständen die Rettungssanitäter selbst ausgingen.

[29] Zudem wird das Erstgericht nähere Feststellungen dazu zu treffen haben, wie leicht oder schwer die allfällige Notwendigkeit eines Krankentransports und einer ärztlichen Abklärung des Gesundheitszustands der Patientin in der konkreten Situation sowie das Gesundheitsrisiko für die Patientin bei Unterbleiben weiterer (Hilfs-)Maßnahmen für einen Rettungssanitäter erkennbar war. Dazu wird neben den damaligen Ausbildungsinhalten für Rettungssanitäter hinsichtlich der Erkennung von und Reaktion auf kardiale Schockgeschehen speziell bei Frauen, den Äußerungen der Patientin über ihren Gesundheitszustand und dem konkret festgestellten Zustandsbild auch zu berücksichtigen sein, dass ein kardiales Schockgeschehen selbst Stunden später in der Notfallambulanz des Krankenhauses offenbar nicht sogleich erkannt wurde.

[30]4.3. Im fortgesetzten Verfahren wird auf Grundlage des solcherart erweiterten Sachverhalts zu beurteilen sein, ob den handelnden Rettungssanitätern aufgrund einer unzureichenden Aufklärung der Patientin oder der unterbliebenen Beiziehung eines (Not-)Arztes ein sorgfaltswidriges Verhalten vorzuwerfen ist und falls ja, ob ein solches – als weitere Voraussetzung für den Zuspruch von Trauerschmerzengeld (RS0115189) – tatsächlich als grob fahrlässig zu beurteilen wäre.

5. Ergebnis

[31] 5.1. Der Revision war daher Folge zu geben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen waren, soweit sie nicht hinsichtlich der erstgerichtlichen Abweisung der Zinsenmehrbegehren in Rechtskraft erwachsen sind, aufzuheben und die Rechtssache insoweit zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

[32]5.2. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.