JudikaturOGH

8Ob114/25k – OGH Entscheidung

Entscheidung
Unternehmensrecht
21. Oktober 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Mag. Malesich als Vorsitzende sowie die Hofräte MMag. Matzka, Dr. Stefula, Dr. Thunhart und Mag. Dr. Sengstschmid als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S* GmbH, *, vertreten durch Dr. Martin Brenner und andere Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. L* GmbH Co KG, *, und 2. H* GmbH, *, beide vertreten durch die Mag. Herta Bauer Rechtsanwalts-GmbH in Wien, wegen 67.680 EUR sA (Revisionsinteresse 46.845 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 26. Juni 2025, GZ 1 R 87/25h 30.1, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung wird gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO abgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Die Klägerin nahm die Beklagten auf Provisionszahlung nach zwei Immobilienankäufen der Erstbeklagten in Anspruch. Die Erstbeklagte habe sie, eine Immobilienmaklerin, jeweils mit der Vermittlung beauftragt und mit ihr eine Provisionsvereinbarung getroffen.

[2]Die Erstbeklagte, eine Kommanditgesellschaft, wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 4. 7. 2022 errichtet, am 13. 7. 2022 ins Firmenbuch eingetragen und dort (richtig) vermerkt, dass die HG* GmbH sie als deren unbeschränkt haftende Gesellschafterin seit 13. 7. 2022 vertritt. An die Stelle der HG* GmbH trat ab 16. 8. 2022 als unbeschränkt haftende Gesellschafterin der Erstbeklagten die Zweitbeklagte.

Rechtliche Beurteilung

[3] Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nunmehr die geltend gemachte Provision für den Kauf des „Straßentrakts“. Das diesen Anspruch abweisende Berufungsurteil bedarf keiner höchstgerichtlichen Korrektur.

[4]1. Nach den Feststellungen legten Mag. Gu* und Mag. Ga* – sie waren damals Geschäftsführer der HG* GmbH – für den (von der Erstbeklagten mit Kaufvertrag vom 30. 8. 2022 erworbenen) „Straßentrakt“ ein Kaufangebot, woraufhin der Geschäftsführer der Klägerin mit ihnen im Mai oder Juni 2022 besprach, dass beim Kauf eine Maklerprovision anfallen würde, womit beide einverstanden waren. Ebenso im Mai oder Juni 2022 trat Mag. Gu* an C* W*, den Geschäftsführer der Zweitbeklagten (die sodann seit 16. 8. 2022 die Erstbeklagte an Stelle der HG* GmbH selbständig als unbeschränkt haftende Gesellschafterin vertrat) heran und teilte ihm mit, dass man die Immobilie erwerben könne, er bereits ein Kaufangebot an die Klägerin gelegt habe und C* W* in dieses einsteigen könne. Dabei besprachen Mag. Gu* und C* W*, dass für den Erwerb eine neue Gesellschaft errichtet werde, C* W* in weiterer Folge die Anteile an dieser Gesellschaft übernehme und bei einem Kauf eine Maklerprovision von 3 % anfalle. Mit diesem Vorgehen war C* W* einverstanden.

[5]1.1. Gemäß § 123 Abs 1 UGB entsteht d ie offene Gesellschaft mit der Eintragung in das Firmenbuch. Gemäß § 123 Abs 2 Satz 1 UGB werden, wenn Gesellschafter oder zur Vertretung der Gesellschaft bestellte Personen nach Errichtung, aber vor Entstehung der Gesellschaft in deren Namen handeln, alle Gesellschafter daraus berechtigt und verpflichtet. Gemäß § 123 Abs 2 Satz 3 UGB tritt die Gesellschaft mit Eintragung in das Firmenbuch in die Rechtsverhältnisse ein.

[6]Die Bestimmung des § 123 UGB über die Entstehung der (Offenen) Gesellschaft findet nach allgemeiner Ansicht zufolge§ 161 Abs 2 UGB auch auf die Kommanditgesellschaft Anwendung ( statt vieler Schörghofer in Kalss/Nowotny/Schauer , Österreichisches Gesellschaftsrecht 2 [2017] Rz 2/884; Feltl, UGB 2[2024] § 123 UGB Anm 1; zur Rechtslage vor dem HaRÄG: 6 Ob 276/08v [Pkt 3.1.]).

[7]1.2. Als die beteiligten Personen sich im Mai oder Juni 2022 über die Provision einigten, war die Erstbeklagte noch nicht im Firmenbuch eingetragen. Die Firmenbucheintragung einer Personengesellschaft ist gemäß § 123 Abs 1 (iVm § 161 Abs 2) UGB aber notwendige Bedingung für ihr Entstehen und somit für ihrevolle Existenz als Rechtsträgerin (6 Ob 191/21p [Rz 13]). Selbst als „Vorgesellschaft“ war die Erstbeklagte damals noch nicht vorhanden, setzte dies doch den Abschluss des Gesellschaftervertrags – die „ Errichtung“(Gründung) der Gesellschaft – voraus (2 Ob 65/08k; S.-F. Kraus in U. Torggler, UGB 3 [2019] § 105 Rz 19), die erst am 4. 7. 2022 erfolgte. Das Handeln von Mag. Gu* und Mag. Ga* wardemnach der Erstbeklagten nicht im Wege des § 123 (iVm § 161 Abs 2) UGB zuzurechnen, ebenso wenig jenes von C* W*, weil er als Geschäftsführer der Zweitbeklagten erst ab 16. 8. 2022 die Erstbeklagte vertreten konnte.

[8] Zumal nicht ersichtlich ist, dass Mag. Gu* und Mag. Ga*, als sie sich im Mai oder Juni 2022 mit dem Provisionsverlangen der Klägerin einverstanden erklärten, im fremden Namen handelten, ist im Zweifel von einem Eigengeschäft auszugehen (RS0088884 [T4]; RS0019516 [T1]), also von einer von Mag. Gu* und Mag. Ga* im eigenen Namen abgeschlossenen Provisionsvereinbarung. Es hätte damit eines Schuldbeitritts oder einer Vertragsübernahme der Erstbeklagten bedurft. Wenn das Berufungsgericht die Ansicht vertritt, die Klägerin habe in erster Instanz nur vorgebracht, dass die Erstbeklagte sie beauftragt und mit ihr eine Provisionsvereinbarung abgeschlossen habe, nicht aber, dass sie eine (von wem auch immer eingegangene) Provisionsvereinbarung (auf welche Weise auch immer) übernommen habe, so überschreitet dies nicht den ihm notwendigerweise zukommenden Beurteilungsspielraum. Ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, ist eine Frage des Einzelfalls, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung keine erhebliche Bedeutung zukommt (RS0042828 [T1]).

[9]1.3. Die richterliche Prozessleitungspflicht nach § 182a ZPO geht nicht so weit, einen Kläger etwa auf Rechtsgründe, die sich nicht einmal andeutungsweise aus den vorgetragenen Tatsachen ergeben, sondern ein anderes Tatsachenvorbringen erfordern, hinweisen zu müssen (RS0120057 [T2]). Eine Partei kann nämlich nicht davon überrascht sein, wenn ein von ihr nicht erstattetes Vorbringen nicht berücksichtigt wird (4 Ob 190/13i [Pkt 5.1.]). Umso mehr wäre es hier angesichts des Bestreitungsvorbringens der Beklagten, der Klägerin weder einen Vermittlungsauftrag erteilt noch mit ihr eine Provisionsvereinbarung abgeschlossen zu haben, Sache der Klägerin gewesen, die Übernahme einer Provisionsvereinbarung durch die Erstbeklagte oder deren Schuldbeitritt zu einer solchen als weiteren, Rechtsgrund ins Treffen zu führen.

[10]2. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).