Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Mag. Malesich als Vorsitzende sowie die Hofräte MMag. Matzka, Dr. Stefula, Dr. Thunhart und Mag. Dr. Sengstschmid als weitere Richter in der Konkurssache der Schuldnerin P* Gesellschaft m.b.H., FN * (gelöscht), *, Masseverwalter Dr. Stephan Riel, Rechtsanwalt in Wien, über den Revisionsrekurs der Konkursgläubigerin Republik Österreich, Finanzamt Österreich, *, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 5. Juni 2025, GZ 6 R 29/25s 38, womit der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 13. Jänner 2025, GZ 38 S 13/04w 35, aufgehoben wurde, den
Beschluss
gefasst:
Der Revisionsrekurs und die Revisionsrekursbeantwortung werden zurückgewiesen .
Begründung:
[1] Über das Vermögen der Schuldnerin wurde am 18. 3. 2004 der (geringfügige) Konkurs eröffnet und Dr. Stephan Riel wurde zum Masseverwalter bestellt (in der Folge: Masseverwalter). Dieser zeigte am 13. 9. 2004 die Masseunzulänglichkeit nach § 124a KO an, was am 15. 9. 2004 in der Ediktsdatei bekanntgemacht wurde; in der Folge erstattete der Masseverwalter am 17. 8. 2005 Abschlussbericht und legte einen Masseverteilungsentwurf nach §§ 47, 124a KO vor, wonach eine Verteilungsmasse von restlichen 1.543,92 EUR an die Massegläubiger der sechsten Gruppe mit einer Quote von 16,75 % ihrer aushaftenden Forderungen zu verteilen wäre.
[2] Schlussrechnung und Masseverteilungsentwurf wurden vom Erstgericht am 12. 9. 2005 gemäß §§ 122, 130 KO ausdrücklich genehmigt und die Massegläubiger wurden schließlich im Umfang von 1.574,40 EUR gemäß §§ 166 , 124a KO mit einer Quote von 17,75 % teilbefriedigt; die Konkursgläubiger gingen leer aus. Das Konkursverfahren wurde daraufhin mit Beschluss des Erstgerichts vom 5. 10. 20 05 aufgehoben und der Masseverwalter wurde seines Amtes enthoben.
[3] Am 9. 1. 20 25 gab der Masseverwalter bekannt, aufgrund einer Quotenausschüttung aus dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des früheren Geschäftsführers der damaligen Gemeinschuldnerin verfüge die Masse nunmehr über liquide Mittel von 8.513,41 EUR, sodass – entgegen älterer, überholter Auffassung trotz des Umstands, dass keine Schlussverteilung stattgefunden habe – nunmehr eine Nachtragsverteilung vorzunehmen sei. Es seien die offenen Masseforderungen von 7.218,26 EUR zur Gänze abzudecken; für die Insolvenzgläubiger verbleibe eine Restmasse von 1.295,15 EUR, sodass – unter Nichtberücksichtigung jener Forderungen, die weniger als 10 EUR erhalten würden – die festgestellten Insolvenzforderungen von insgesamt 437.123,34 EUR mit einer Quote von 0,31 % zu befriedigen seien. Der Masseverwalter beantragte, die Nachtragsverteilung zuzulassen, den Verteilungsentwurf für diese mit einer Quote von 0,31 % zu genehmigen und ihm eine Frist zum Nachweis des Vollzugs zu setzen.
[4] Das Erstgericht fasste am 13. 1. 2025 einen (am selben Tag in der Insolvenzdatei bekanntgemachten) Beschluss, mit dem es 1. das Nachtragsverteilungsverfahren einleitete, 2. den Masseverwalter neuerlich zur Amtsausübung einberief und ihm auftrug, den vereinnahmten Betrag „zugunsten der Gläubiger zu verwahren“, und 3. den Antrag auf Genehmigung des Nachtragsverteilungsentwurfs mit einer Quote von 0,31 % abwies. Die Abweisung zu Spruchpunkt 3. begründete es damit, dass keine Nachtragsverteilung stattzufinden habe, weil eine Nachtragsverteilung nach § 138 Abs 1 IO „aufgrund des Schlussverteilungsentwurfes“ durchzuführen wäre, eine Schlussverteilung nach § 136 IO aber unterblieben sei.
[5] Über Rekurs des Masseverwalters, der sich ausdrücklich nur gegen Spruchpunkt 3. des erstgerichtlichen Beschlusses wandte und dessen Abänderung im Sinne einer Genehmigung seines Nachtragsverteilungsentwurfs (hilfsweise Aufhebung) beantragte, hob das Rekursgericht Spruchpunkt 3. des erstgerichtlichen Beschlusses auf und trug dem Erstgericht insoweit eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf (in der Insolvenzdatei am 25. 6. 2025 bekanntgemacht).
[6] Das Rekursgericht bewertete seinen Entscheidungsgegenstand mit 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigend, was es damit begründete, dass es den nach der Konkursaufhebung vereinnahmten und nun zu verteilenden Betrag zugrundelege. Es ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil es zur Frage, ob nach Aufhebung des Konkurses infolge Masseunzulänglichkeit eine Nachtragsverteilung zulässig sei, von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu 8 Ob 132/12p abgewichen sei.
[7] Der Revisionsrekurs der Konkursgläubigerin Republik Österreich beantragt die Abänderung dahin, dass der Antrag auf Genehmigung des Nachtragsverteilungsentwurfs zurück-, in eventu abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[8] Der Masseverwalter erstattete eine Revisionsrekursbeantwortung, mit welcher er beantragte, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
[9] Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig .
[10] 1.1.Gemäß § 252 IO sind auf das Insolvenzverfahren, soweit in der Insolvenzordnung nichts anderes angeordnet ist, die Jurisdiktionsnorm, die Zivilprozessordnung und ihre Einführungsgesetze sinngemäß anzuwenden. Übersteigt der Entscheidungsgegenstand des Rekursgerichts an Geld oder Geldeswert insgesamt nicht 5.000 EUR, so ist der Revisionsrekurs gemäß § 527 Abs 2, § 528 Abs 2 Z 1 ZPO – es sei denn, es handelt sich um (hier nicht vorliegende) Streitigkeiten nach § 502 Abs 4 oder 5 ZPO – jedenfalls unzulässig.
[11] 1.2.Gemäß § 526 Abs 3 ZPO sind auf Rekursentscheidungen die §§ 500 und 500a ZPO sinngemäß anzuwenden. Nach § 500 Abs 2 Z 1 lit a ZPO hat das Gericht zweiter Instanz in seinem Urteil (bzw Beschluss) auszusprechen, wenn der Entscheidungsgegenstand nicht ausschließlich in einem Geldbetrag besteht, ob sein Wert insgesamt 5.000 EUR übersteigt oder nicht; dies gilt auch in Insolvenzsachen (RS0065182).
[12] Der Bewertungsausspruch des Gerichts zweiter Instanz ist unanfechtbar und für den Obersten Gerichtshof grundsätzlich bindend (vgl RS0042515 ; RS0042410 ), es sei denn, es wurden zwingende Bewertungsvorschriften verletzt, es liegt eine offenkundige Unterbewertung oder Überbewertung vor oder eine Bewertung hätte überhaupt unterbleiben müssen (vgl RS0042410 [T28]).
[13] 2.1. Hier sprach das Rekursgericht aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands den Betrag von 5.000 EUR, nicht aber den von 30.000 EUR übersteige.
[14] 2.2.Der vom Rekursgericht seiner Bewertung zugrundegelegte, nach der Konkursaufhebung vereinnahmte und nun zu verteilende Betrag machte zwar insgesamt 8.513,41 EUR aus, wovon jedoch 7.218,26 EUR vom Masseverwalter zur gänzlichen Abdeckung der offen gebliebenen Masseforderungen aufzuwenden sind. Nach § 124a Abs 4 IO hat er nämlich dem Insolvenzgericht unverzüglich anzuzeigen, wenn – wie hier – Masseforderungen aufgrund geänderter Umstände wieder erfüllt werden können. Ab der vom Insolvenzgericht zu veranlassenden – bislang unterbliebenen – öffentlichen Bekanntmachung der nunmehrigen Massezulänglichkeit wird der Insolvenzverwalter wieder nach § 124 Abs 1 IO vorzugehen haben.
[15] 2.3. Gegenstand des Rekursverfahrens war nur Spruchpunkt 3. des erstgerichtlichen Beschlusses, der ausschließlich die für die Insolvenzgläubiger verbleibende Restmasse von 1.295,15 EUR und deren Verteilung mit einer Quote von 0,31 % betrifft.
[16] 3.1. Bei der Frage des Entscheidungsgegenstands im Insolvenzverfahren ist – soweit es nicht um das Insolvenzverfahren insgesamt geht – nicht auf den Betrag aller Insolvenzforderungen (vgl 8 Ob 5/22aRz 7) oder generell auf die Höhe der von einem eine Zurückweisung anfechtenden Gläubiger angemeldeten Forderung (RS0126284) abzustellen, sondern auf den vom angefochtenen Beschluss jeweils betroffenen Betrag ( Konecny , Die Zulässigkeit des Rekurses gegen Beschlüsse der Insolvenzgerichte, ÖJZ 2012/118 , 1035 [1038]; vgl 8 Ob 130/23k Rz 12).
[17] 3.2. Einer Bewertung des Entscheidungsgegenstands durch das Rekursgericht hätte es daher nicht bedurft. Der dennoch vorgenommene Ausspruch ist unbeachtlich ( RS0042294 ; RS0042410 [T22, T28]; vgl 8 Ob 130/23k Rz 13). Der hier betroffene den Gegenstand des Rekursverfahrens bildende Betrag entspricht der für die Insolvenzgläubiger verbleibenden und an diese zu verteilenden Restmasse von 1.295,15 EUR.
[18] 3.3.Da der Entscheidungsgegenstand des Rekursverfahrens 5.000 EUR nicht übersteigt, ist der Revisionsrekurs gemäß § 528 Abs 2 Z 1 ZPO iVm § 527 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig und deshalb zurückzuweisen.
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