JudikaturOGH

11Os93/25y – OGH Entscheidung

Entscheidung
Strafrecht
07. Oktober 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. Oktober 2025 durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz, Dr. Oberressl, Dr. Brenner und Mag. Riffel in Gegenwart der Kontr. Tastekin als Schriftführerin in der Strafsache gegen * P* und einen Angeklagten wegen des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten * P* und * Y* gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 25. März 2025, GZ 33 Hv 130/24h 86, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten * P* wird das angefochtene Urteil, das sonst unberührt bleibt, in dem die Genannte betreffenden Verfallserkenntnis aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Innsbruck verwiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten * P* im Übrigen wird ebenso zurückgewiesen wie jene des Angeklagten * Y*.

Mit ihrer Berufung gegen das sie betreffende Verfallserkenntnis wird die Angeklagte * P* auf dessen Aufhebung verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen im Übrigen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Den Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1]Mit dem angefochtenen Urteil wurden * P* und * Y* je des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB (die Erstgenannte als Beteiligte nach § 12 dritter Fall StGB) schuldig erkannt.

[2] Danach haben vom 29. Dezember 2022 bis zum 10. Jänner 2023 in I* jeweils mit dem Vorsatz, sich oder Dritte durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern und einen 3 00.000 Euro übersteigenden Schaden herbeizuführen ,

A) * Y* Verfügungsberechtigte der J* GmbH und der H*-AG durch die wahrheitswidrige Vorgabe, die Arzneispezialität „Paxlovid 150 mg + 100 mg Filmtabletten“ zur Abgabe an aktuell an COVID 19 erkrankte Patienten mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in Österreich nach ärztlicher Verordnung zu benötigen, zur Abgabe von im Eigentum des Bundes stehenden Medikamenten aus dem Bundeskontingent und zur Lieferung an die „D* P* KG“ verleitet, indem er über das Medikamentenbestellsystem der genannten Apotheke oder telefonisch insgesamt zumindest 2.500 Handelspackungen „Paxlovid 150 mg + 100 mg Film tabletten“ im Wert von je 731,50 Euro bestellte, wodurch die Republik Österreich mit 1.828.750 Euro an ihrem Vermögen geschädigt wurde,

B) * P* zu der zu A genannten strafbaren Handlung des * Y* beigetragen, indem sie mit diesem die von ihm ohne Vorliegen der Voraussetzungen beabsichtigte Bestellung besprach und ihm die dafür notwendige Infrastruktur der von ihr betriebenen „D*“ zur Verfügung stellte.

[3]Gemäß § 20 Abs 3 StGB wurde bei beiden Angeklagten je ein Betrag von 499.858 Euro für verfallen erklärt.

Rechtliche Beurteilung

[4]Dagegen richten sich die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten, die * P* auf Z 4, 5, 9 lit a und 11, * Y* auf Z 4, 5 und 9 lit a je des § 281 Abs 1 StPO stützen.

Zum berechtigten Teil der Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten * P*:

[5] Zutreffend zeigt die Sanktionsrüge(Z 11 erster Fall iVm Z 5 vierter Fall) auf, dass die die rechtliche Beurteilung, wonach die Beschwerdeführerin Vermögenswerte durch die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung erlangte (§ 20 Abs 1 StGB), tragenden Feststellungen, dass sämtliche, nach der Anlieferung in den von der „D* P* KG“ angemieteten Räumlichkeiten, deren Eigentümerin die Beschwerdeführerin war (US 4), gelagerten Medikamentenpackungen „in der faktischen und wirtschaftlichen Verfügungsmacht“ (auch) der Beschwerdeführerin standen (US 6 f), unbegründet blieb.

[6]Dies führte – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – zur Aufhebung des angefochtenen Urteils wie aus dem Spruch ersichtlich bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285e StPO, zur Zuständigkeit des Vorsitzenden des Schöffengerichts als Einzelrichter siehe § 445 Abs 2 letzter Satz StPO sowie RISJustiz RS0117920 [T3] und RS0100271 [T13]).

[7] Mit ihrer Berufung gegen den sie betreffenden Verfallsausspruch war die Beschwerdeführerin auf d essen Kassation zu verweisen.

Zu dem in den getrennt ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden der beiden Angeklagten inhaltsgleich erstatteten Vorbringen:

[8] Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung (ON 85.1 S 56 ) des Antrags (ON 85.1 S 5 0 ff [iVm S 53] ) auf „Erstattung von Befund und Gutachten aus dem Fachbereich der Pharmazie mit Kenntnissen über Preisregelungen, Gesundheitsökonomie sowie pharmazeutische Betriebswirtschaft zum Beweis dafür, dass

die Preisbildungsparamter der tatverfangenen Chargen Paxlovid 150 mg und 100 mg Filmtabletten einen Verkehrswert zum Tatzeitpunkt von maximal 15 Euro netto pro Packung ergeben,

der Staat Österreich als Eigentümer der tatverfangenen Chargen Paxlovid 150 mg und 100 mg Filmtabletten für die Abgabe des Medikaments maximal ein Distributionsentgelt in Höhe von 15 Euro einhob,

der Hersteller keine Rücknahmepflicht betreffend die tatverfangenen Chargen Paxlovid 150 mg und 100 mg Filmtabletten hatte und

Medikamente mit kurzer Haltbarkeit einen niedrigeren Verkehrswert aufweisen als Medikamente mit längerer Haltbarkeit“

Verteidigungsrechte nicht verletzt.

[9] Denn der Antrag ließ – unter Außerachtlassung des aus den Unterlagen des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz ersichtlichen, von der Republik Österreich geleisteten Kaufpreises von 731,50 Euro pro Packung (ON 27.3 bis 27.5) und ausgehend davon, dass sich die Bewertung im Einzelfall an der Situation und den individuellen Bedürfnissen des Vermögensträgers zu orientieren hat (RISJustiz RS00 94 308 [T3]) – nicht erkennen, inwieweit er einen für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage erheblichen Umstand betraf (vgl Ratz , WKStPO § 281 Rz 321).

[10] Die von der Mängelrüge vermisste Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellungen zur Täuschungshandlung und zur darauf beruhenden Vermögensverschiebung (US 5 f) findet sich auf US 14 f, jene zur jeweils subjektiven Tatseite der * P* (US 7 f) auf US 17 und des * Y* (US 7) auf US 16 f.

[11] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) vermisst Feststellungen dazu, dass die Verfügungsberechtigten der J* GmbH und der H*-AG über die Voraussetzungen zur Abgabe der Arzneispezialität „Paxlovid“ durch die Apotheken informiert waren sowie dazu, unter welchen Voraussetzungen diese Verfügungsberechtigten die Arzneispezialität „Paxlovid“ an österreichische Apotheken liefern durften.

[12] Sie leitet nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (RISJustiz RS0116565), weshalb die geforderten Feststellungen über die Urteilskonstatierungen, wonach * Y* die Verfügungsberechtigten der J* GmbH und der H*-AG durch wahrheitswidrige Angaben zur Abgabe an aktuell an COVID 19 erkrankte Patienten nach Maßgabe der hiezu erforderlichen Voraussetzungen, nämlich dem Vorliegen einer ärztlichen Verordnung für Patienten mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in Österreich zur Lieferung der Medikamente an die D* mit Täuschungsvorsatz verleitete (US 5 f und 7) und wonach die Beschwerdeführerin mit der erforderlichen subjektiven Tatseite zu dessen strafbarer Handlung beitrug(US 7 f), hinaus für die rechtsrichtige Subsumtion nach § 146 StGB erforderlich sein sollten.

Zur weiteren Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten * P*:

[13] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) leitet ihre bloße Behauptung, die Urteilsfeststellungen, wonach die Beschwerdeführerin mit * Y* die von ihm ohne Vorliegen der Voraussetzungen beabsichtigte Bestellung des Medikaments „Paxlovid“ besprach und ihm die dafür notwendige Infrastruktur der von ihr betriebenen D* zur Verfügung stellte (US 7), seienweder für die rechtliche Annahme eines Beitrags im Sinne des § 12 dritter Fall StGB „durch aktives Tun“ noch „durch Unterlassen“ ausreichend, nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (erneut RISJustiz RS0116565).

[14] Das Vorbringen, es sei „völlig sozialadäquat, einem Mitarbeiter einer Apotheke den Zugang zum digitalen Bestellsystem und zum Telefon der Apotheke zur Verfügung zu stellen“, lässt die Urteilsfeststellungen zur subjektiven Tatseite der Beschwerdeführerin (US 7 f) außer Betracht und verfehlt solcherart die prozessordnungsgemäße Darstellung der geltend gemachten materiellen Nichtigkeit (RISJustiz RS0099810).

Zur weiteren Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten * Y*:

[15] Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurde der Antrag auf „Erstattung von Befund und Gutachten aus dem Fachbereich der Informationstechnik (Kassensoftware, Bestellsoftware Großhandel), dies zum Beweis dafür, dass im zur Tatzeit vom Zweitangeklagten benutzten Medikamentenbestellsystem sowie im Kassensystem der Software a* des Herstellers S* die tatverfangenen Chargen Paxlovid 150 mg + 100 mg Filmtabletten nicht als rezept- sowie chefarztpflichtig gekennzeichnet waren und nicht mit einem Hinweis auf einen Eigentumsvorbehalt des Bundes versehen waren, sowie bei der Abgabe der tatverfangenen Chargen 150 mg + 100 mg Filmtabletten kein Warnhinweis in einem POP-UP-Fenster mit einem Warnhinweis 'Rezeptzeichen: Mittel zur Applikation - Kassenzeichen: chefarztpflichtig - Warenverzeichnis: -Tax-Kennzeichen: Arzneimittel (Tax 1)' aufschien“ (ON 85.1 S 54 f), schon deshalb zu Recht abgewiesen, weil der Schöffensenat den durch die Beweisaufnahme angestrebten Nachweis ohnehin als erwiesen ansah (§ 55 Abs 2 Z 3 StPO, ON 85.1 S 56).

[16] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a, nominell Z 5 vierter Fall) leitet nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (RISJustiz RS0116565), weshalb für die rechtsrichtige Subsumtion nach § 147 Abs 3 StGB – über den festgestellten bedingten Vorsatz (§ 5 Abs 1 zweiter Halbsatz StGB, US 7) hinaus – Feststellungen zum Wissen vom Wert einer Packung „Paxlovid“ erforderlich sein sollten.

[17] Soweit sie Feststellungen dazu vermisst, dass der Beschwerdeführer „keine Kenntnis von Vorgaben und Bedingungen der Abgabe“ von „Paxlovid“ hatte, übergeht sie prozessordnungwidrig (RIS Justiz RS0999810) die gerade gegenteiligen Urteilsannahmen (US 7).

[18] Die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten * P* im Übrigen ebenso wie jene des Angeklagten * Y* (zur Gänze) waren daher – erneutin Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

[19]Die Entscheidung über die Berufungen – mit Ausnahme der Berufung der Angeklagten * P* gegen das sie betreffende Verfallserkenntnis – kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

[20]Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

[21] Die vom Angeklagten * Y* angemeldete Beschwerde (ON 79 S 2) ist mangels Bezugspunkts gegenstandslos.