JudikaturOGH

5Ob91/25f – OGH Entscheidung

Entscheidung
EU-Recht
23. September 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Mag. Wurzer als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Painsi, Dr. Weixelbraun Mohr, Dr. Steger und Dr. Pfurtscheller als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E*, vertreten durch Mag. Alexander Tupy, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei N*, Malta, vertreten durch die Mag. Simon Wallner Rechtsanwalt GmbH in Wien, wegen 39.381,40 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 11. Juli 2022, GZ 13 R 90/22h 18, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Der Antrag auf Unterbrechung des Revisionsverfahrens bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über die Vorabentscheidungsersuchen zu C 9/25 und C 440/23 wird abgewiesen.

II. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Die Beklagte ist eine Kapitalgesellschaft mit Sitz in Malta und bietet im Rahmen ihrer gewerblichen Tätigkeit auf ihrer deutschsprachigen Website Online Glücksspiele an. Sie verfügt über keine österreichische Glücksspiellizenz.

[2] Der Kläger ist Verbraucher und wohnt in Österreich. Er nahm über ein auf der Website der Beklagten eingerichtetes Spielerkonto an von dieser angebotenen Online Glücksspielen teil und erlitt dabei im Zeitraum von 2. September 2020 bis 15. April 2021 einen Spielverlust von 39.381,40 EUR.

[3] Die Vorinstanzen gaben der vom Kläger auf die Unwirksamkeit der Glücksspielverträge gestützten Klage auf Rückersatz statt.

Rechtliche Beurteilung

[4] Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich (nach Unterbrechung und Fortsetzung des Verfahrens) die außerordentliche Revision der Beklagten.

[5] I. Der von der Beklagten beantragten Unterbrechung des Revisionsverfahrens bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) über die zu C 9/25, Tipico , und C 440/23, European Lotto and Betting sowie Deutsche Lotto und Sportwetten , registrierten Vorabentscheidungsersuchen bedarf es nicht, weil die dort zu klärenden unionsrechtlichen Fragen – soweit sie nicht ohnehin die spezifisch deutsche Situation betreffen – im Hinblick auf die Entscheidungen des EuGH zu C 390/12, Pfleger ; C 79/17, Gmalieva ; C 545/18, DP/Finanzamt Linz ; C 920/19, Fluctus, bereits geklärt sind (8 Ob 80/25k mwN).

[6]II. Die außerordentliche Revision ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen:

[7]1. Welche Anforderungen an die Konkretisierung des Klagebegehrens zu stellen sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO ( RS0037874[T39]). Das Berufungsgericht hat unter Bezugnahme auf höchstgerichtliche Rechtsprechung hinreichend begründet, warum die vorliegende Zahlungsklage eines Spielers gegen die ohne österreichische Konzession tätige maltesische Online-Glücksspielanbieterin, mit der er den Ersatz seiner Spielverluste anstrebt, nicht am Bestimmtheitsgebot des § 226 ZPO scheitert. Dabei vertrat es die Ansicht, im Hinblick auf die Vielzahl der Transaktionen des Klägers überspannte es das Gebot der Präzisierung des Vorbringens, forderte man für jeden einzelnen der zahlreichen Glücksspielverträge ein gesondertes, detailliertes Vorbringen. Diese Beurteilung des Berufungsgerichts hält sich im Rahmen der Rechtsprechung ( 9 Ob 64/25i mwN; vgl auch 3 Ob 210/24i uva).

[8]2. Der Argumentation der Revisionswerberin, die Verweigerung eines Rückforderungsanspruchs würde dem Spielerschutz besser gerecht werden, weil ansonsten die Möglichkeit eines „risikolosen Spiels“ bestehe, ist der Oberste Gerichtshof bereits in mehreren Entscheidungen nicht gefolgt (8 Ob 54/25m; 1 Ob 22/25d uva). Sie lässt die mit dem Glücksspielgesetz verfolgten ordnungspolitischen und fiskalischen Zwecke außer Acht, die eine absolute Nichtigkeit und beiderseitige Rückforderbarkeit erfordern (vgl 8 Ob 21/24g). Den Rückforderungsanspruch zu verweigern, widerspräche im Übrigen dem Zweck der Glücksspielverbote (RS0025607 [T1]). Der Oberste Gerichtshof hat bereits wiederholt dargelegt, dass der Verbotszweck die Rückabwicklung erfordert, wenn sich das Verbot – wie hier – gegen den Leistungsaustausch an sich wendet und es den Schutz der Spieler bewirken soll (3 Ob 17/25h; 6 Ob 77/23a mwN). Es entspricht daher ständiger Rechtsprechung, dass Spieler ihre verlorenen Einsätze aus verbotenen Glücksspielen zurückverlangen können (RS0134152). Dies gilt im Hinblick auf die Zielsetzung des GSpG nach gefestigter Rechtsprechung auch dann, wenn der Leistende in Kenntnis der Nichtschuld ist und ihm die Ungültigkeit seiner Verpflichtung bekannt war (3 Ob 17/25h; 6 Ob 77/23a mwN), sodass das Argument der Revision, die Rückforderung erfolge wider Treu und Glauben, keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO begründet.

[9]3. Der Oberste Gerichtshof hat – im Einklang mit der Rechtsprechung der beiden anderen österreichischen Höchstgerichte – auf Basis der einschlägigen Judikatur des EuGH in mehreren aktuellen Entscheidungen neuerlich festgehalten, dass das österreichische System der Glücksspiel-Konzessionen einschließlich der Werbemaßnahmen der Konzessionäre im hier relevanten Zeitraum nach gesamthafter Würdigung aller tatsächlichen Auswirkungen auf den Glücksspielmarkt allen vom EuGH aufgezeigten Vorgaben entspricht und nicht gegen Unionsrecht verstößt (zuletzt etwa 8 Ob 54/25m). Die Beurteilung des Berufungsgerichts entspricht dieser Rechtsprechung.

[10] 4. Zu den Voraussetzungen der unionsrechtlichen Zulässigkeit eines Glücksspielmonopols sowie der dadurch bewirkten Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit liegt bereits umfangreiche Rechtsprechung des EuGH vor (vgl die Nachweise bei RS0129268 ). Entgegen der Darstellung der Revision ergibt sich aus der Entscheidung des EuGH C 920/19, Fluctus, kein Verbot für ein nationales Gericht, sich auf Vorentscheidungen „höherer“ (nationaler) Gerichte (hier auf in zahlreichen Parallelverfahren ergangene Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs) zu berufen. Vielmehr sprach der EuGH darin bloß aus, dass eine gegen Art 56 AEUV verstoßende Bestimmung des nationalen Rechts auch dann nicht angewendet werden dürfe, wenn ein „höheres“ nationales Gericht diese als mit dem Unionsrecht vereinbar ansah, dessen Erwägungen aber offensichtlich nicht dem Unionsrecht entsprachen (vgl insbesondere Rn 58 der genannten Entscheidung des EuGH). Dass und bei welcher nationalen Norm dies hier der Fall gewesen wäre, vermag die Revision nicht aufzuzeigen. Der von der Beklagten behauptete Feststellungsmangel und damit eine (sekundäre) Mangelhaftigkeit der Berufungsentscheidung, weil Feststellungen „zum Thema Unionsrechtswidrigkeit“ fehlten, ist damit nicht zu erkennen. Es besteht somit auch kein Anlass, das von der Beklagten angeregte Vorabentscheidungsersuchen zu stellen (zuletzt 7 Ob 112/25h mwN).