JudikaturOGH

10Ob48/25v – OGH Entscheidung

Entscheidung
Kindschaftsrecht
16. September 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hargassner als Vorsitzenden, den Vizepräsidenten Hon. Prof. PD Dr. Rassi, die Hofräte Dr. Annerl sowie Dr. Vollmaier und die Hofrätin Dr. Wallner Friedl als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj *, wohnhaft bei der Mutter *, vertreten durch das Land Niederösterreich als Kinder und Jugendhilfeträger (Bezirkshauptmannschaft St. Pölten, 3100 St. Pölten, Am Bischofteich 1), wegen Unterhaltsvorschuss, über den Revisionsrekurs des Bundes, vertreten durch die Präsidentin des Oberlandesgerichts Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 30. April 2025, GZ 23 R 143/25i 23, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts St. Pölten vom 4. März 2025, GZ 2 Pu 87/25t 11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Die Minderjährige lebt im Haushalt der Mutter. Der Vater wurde mit Beschluss vom 10. 10. 2024 rechtskräftig zu einem monatlichen Geldunterhaltsbetrag von 300 EUR an das Kind (zH des jeweiligen gesetzlichen Vertreters) verpflichtet.

[2] Am 25. 2. 2025 begehrte die durch den Kinder- und Jugendhilfeträger vertretene MinderjährigeUnterhaltsvorschuss in Titelhöhe nach § 3 UVG (beschränkt nach § 6 Abs 1 UVG). Im Pflegschaftsakt bescheinigte das Kind, dass der Vater seit Jahren Notstandshilfe bezieht und (unterbrochen von kurzfristigen Dienstverhältnissen) als arbeitssuchend gemeldet ist. Es verwies auf einen Exekutionsantrag „auf das Arbeitseinkommen“.

[3]Im dazu korrespondierenden Exekutionsantrag vom 25. 2. 2025 begehrte das Kind vor dem zuständigen Exekutionsgericht als betreibende Partei gegen den Vater als Verpflichteten die Bewilligung des Exekutionspakets nach § 19 EO zur Hereinbringung des rückständigen Unterhalts von 2.900 EUR und des laufenden Unterhalts ab März 2025 von monatlich 300 EUR. Gleichzeitig stellte es einen Antrag auf Exekution zur Sicherstellung nach § 372 EO. Zur zu pfändenden Forderung wurde „Arbeitseinkommen oder sonstige Bezüge nach § 290a EO“ ausgeführt.

[4]Das Exekutionsgericht erteilte der Minderjährigen einen Verbesserungsauftrag, in dem es darauf hinwies, dass die Voraussetzungen für die Sicherstellungsexekution nach § 372 EO nicht vorlägen, weil (auch) nach § 291c Abs 1 EO Exekution wegen laufendem Unterhalts beantragt werde.

[5] Ungeachtet des noch offenen Verbesserungsauftrags gewährte das Erstgericht dem Kind für die Zeit von 1. 2. 2025 bis 31. 1. 2030 monatliche Unterhaltsvorschüsse antragsgemäß. Es verwies darauf, dass der Unterhaltsschuldner zur Leistung monatlicher Unterhaltsbeiträge von 300 EUR verpflichtet worden sei, nach eingetretener Vollstreckbarkeit den laufenden Unterhaltsbeitrag nicht zur Gänze geleistet habe und beim Exekutionsgericht eine Exekution eingebracht worden sei.

[6] Das vom Bund angerufene Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung.

[7] Das Rekursgericht ließ den Revisionsrekurs zu, weil eine aktuelle Stellungnahme des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehle, ob auch ein „zu viel“ an Exekutionsanträgen der Vorschussgewährung entgegenstehe.

[8] Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs des Bundes , mit dem dieser die Abweisung der Vorschussanträge anstrebt. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[9] Die Minderjährige beantragt, das Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[10] Der Revisionsrekurs ist entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.

[11]1. Nach § 3 UVG sind Vorschüsse zu gewähren, wenn 1. für den gesetzlichen Unterhaltsanspruch ein im Inland vollstreckbarer Exekutionstitel besteht und 2. der Unterhaltsschuldner nach Eintritt der Vollstreckbarkeit den laufenden Unterhaltsbeitrag nicht zur Gänze leistet sowie das Kind glaubhaft macht, einen Exekutionsantrag nach § 294a EO (nunmehr: § 295 EO) oder, sofern der Unterhaltsschuldner offenbar keine Gehaltsforderung oder keine andere in fortlaufenden Bezügen bestehende Forderung hat, einen Exekutionsantrag auf bewegliche körperliche Sachen unter Berücksichtigung von § 372 EO eingebracht zu haben.

2. Dazu wurden von der Rechtsprechung folgende Grundsätze entwickelt:

[12]Die bloße Tatsache einer Exekutionsführung allein führt nicht zu einer dauerhaften Möglichkeit, in Zukunft Vorschüsse auf der Grundlage von § 3 Z 2 UVG zu beantragen (10 Ob 36/24b Rz 11). Um der Subsidiarität der Vorschussgewährung zum Durchbruch zu verhelfen, muss vielmehr die von § 3 Z 2 UVG geforderte Exekutionsführung bis zur Vorschussantragstellung grundsätzlich erfolgsversprechend (zielführend) sein und bleiben (10 Ob 4/22v Rz 13; RS0126246 [T1]), damit die Möglichkeit besteht, den Geldunterhaltsanspruch auch zu lukrieren (RS0126246 [T5]). Die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen nach § 3 UVG setzt daher voraus, dass das Kind zuvor gegen den Unterhaltsschuldner den nach § 3 Z 2 UVG „richtigen“ Schritt setzt (10 Ob 61/19x ErwGr 2.1.; 10 Ob 50/24m Rz 10) und es müssen in der Folge einfache Maßnahmen vorgenommen werden, um einen Erfolg der Exekution nicht von vornherein zu vereiteln (10 Ob 45/20w Rz 17; 10 Ob 4/22v Rz 13). Weiters muss auch noch im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung erster Instanz (über den Unterhaltsvorschussantrag) eine „taugliche“ Exekutionsführung vorliegen (10 Ob 61/19x ErwGr 2.2 mwN).

[13]An den Exekutionsantrag sind inhaltliche Anforderungen zu stellen, die ihn – ex ante aus Sicht des Antragstellers – zur sofortigen Geschäftsbehandlung geeignet erscheinen lassen (10 Ob 62/14m ErwGr 2.; 10 Ob 7/17b ErwGr 1. ua). Erhält der Unterhaltsschuldner laufende Bezüge im Sinn des § 290a EO, sind Unterhaltsvorschüsse dann zu gewähren, wenn das Kind vorher geeignete Schritte initiiert hat, um den gesamten laufenden Unterhalt durch eine – ex ante gesehen – zielführende Exekution auf die künftig fällig werdenden laufenden Bezüge des Unterhaltsschuldners hereinzubringen (10 Ob 61/19x ErwGr 2.3. mwN).

[14]3. Im Anlassfall wurde ein Antrag nach § 19 EO (einfaches Exekutionspaket) gestellt, was auch eine Forderungsexekution nach § 295 EO beinhaltet. Darauf bezieht sich § 3 Z 2 UVG ausdrücklich. Sowohl im Pflegschaftsals auch im Exekutionsverfahren verwies die Minderjährige auf Bezüge des Vaters nach § 290a EO (in casu: Notstandshilfe).

[15]4. Wenn die Vorinstanzen davon ausgingen, dass in einem solchen Fall eine Exekution nach § 19 EO (beeinhaltend eine Exekution nach § 295 EO) grundsätzlich erfolgsversprechend (zielführend) war, hält sich das jedenfalls im Rahmen der aufgezeigten Rechtsprechung und wirft keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung auf. Dass das Kind mit dem Antrag nach § 19 EO keinen „richtigen Schritt“ gesetzt haben soll, um die Titelforderung durchzusetzen, vermag der Revisionsrekurs damit nicht aufzuzeigen.

[16]5. Das Rechtsmittel erachtet die Exekutionsführung aber als untauglich, weil der Antrag nach § 19 EO mit einem unzulässigen Antrag nach § 372 EO verbunden gewesen sei. Damit seien zwei nach der EO einander widersprechende Exekutionsmittel unzulässigerweise beantragt worden.

[17]5.1 Selbst wenn man (zB iSv 3 Ob 1010/85 zur vergleichbaren damaligen Rechtslage; vgl auch 9 Ob 308/97b; RS0004863) die Unzulässigkeit des Sicherstellungsantrags bejaht, bedarf die angefochtene Entscheidung mangels erheblicher Rechtsfrage keiner Korrektur durch gegenteilige Sachentscheidung. Auch im Bereich der Exekutionsordnung gilt der allgemeine Grundsatz, dass ein berechtigtes Begehren als Minus im Wege der Teilstattgebung zuzusprechen ist, wenn dieses zu weit gefasst oder mit einem unberechtigten (oder unzulässigem) Begehren verbunden ist (zB 3 Ob 64/24v [zwangsweise Pfandrechtsbegründung]; 3 Ob 90/14b [Geld- bzw Räumungsexekution]; 3 Ob 218/11x [Liegenschaftsexekution]; 3 Ob 191/10z [§ 350 EO]; 4 Ob 93/10w [Provisorialverfahren]; 3 Ob 226/10x [§ 355 EO]; 3 Ob 76/07h [Naturalexekution] uvm).

[18]5.2 Der Bund argumentiert damit, dass im Exekutionsverfahren zum Zeitpunkt des erstgerichtlichen UVG-Beschlusses wegen des offenen Verbesserungsauftrags ein „Splitten“ in die Bewilligung des Exekutionspakets und die Abweisung des darüber hinausgehenden Exekutionsantrags wegen des offenen Verbesserungsantrags noch nicht möglich gewesen sei. Darauf kann die Zulässigkeit aber schon deshalb nicht gestützt werden, weil sich der Verbesserungsauftrag nicht auf das begehrte Exekutionspaket, sondern nur auf den zusätzlichen Antrag nach § 372 EO bezog.

[19]6.1 Aus den vom Bund erwähnten Entscheidungen des Senats 10 Ob 45/18t und 10 Ob 15/20h ergibt sich nicht, dass die Vorinstanzen von der Rechtsprechung abgewichen sind. Zu 10 Ob 45/18t verneinte der Senat eine taugliche Exekutionsführung schon deshalb, weil der Exekutionsantrag beim unzuständigen Gericht eingebracht wurde (ErwGr 3.1). Bei 10 Ob 15/20h lagen die Voraussetzungen für § 3 UVG schon deshalb nicht vor, weil dort der Unterhaltsschuldner im nach § 294a EO eingebrachten Exekutionsantrag falsch bezeichnet wurde.

[20]6.2 Von derartigen Fehlanträgen weicht der Anlassfall ab, dem vielmehr ein zielführender Antrag auf Bewilligung eines Exekutionspakets nach § 19 EO zugrundelag, der vom Exekutionsgericht – ungeachtet des damit verbundenen Antrags nach § 372 EO – im Einklang mit der oben aufgezeigten Rechtsprechung als Minus sofort hätte bewilligt werden können.

[21]7. Das Rekursgericht hat die Bestätigung auf 9 Ob 308/97b gestützt. Dort blieb unklar, ob der Unterhaltsschuldner Einkommen aus selbstständiger oder aus unselbständiger Arbeit bezog, sodass im UVGVerfahren offen blieb, welche der in § 3 Z 2 UVG vorgesehenen Varianten anzuwenden ist („die Art der Erwerbstätigkeit des Unterhaltsschuldners nicht ersichtlich ist, ...“). Dies führte zu einer Verfahrensergänzung. Im vorliegenden Fall war aber – wie bereits oben erwähnt – evident, dass im Wege der Exekution auf Bezüge des Vaters nach § 290a EO (in casu: Notstandshilfe) gegriffen werden sollte. Diesen Aspekt blendet das Rechtsmittel aus. Es bleibt damit auch unklar, was aus bei der vom Bund angestrebten „Neubeurteilung“ der Entscheidung 9 Ob 308/97b für den Anlassfall abzuleiten wäre.

[22]8. Damit zeigt der Revisionsrekurs keine Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG auf, sodass er zurückzuweisen ist.