10Ob45/18t – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ. Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Stefula als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj J*, geboren * 2016, vertreten durch das Land Wien als Kinder und Jugendhilfeträger (Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie, Rechtsvertretung Bezirke 12, 23, 1230 Wien, Rößlergasse 15), wegen Unterhaltsvorschuss, infolge des Revisionsrekurses des Bundes gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 24. Jänner 2018, GZ 42 R 11/18f 26, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Liesing vom 15. November 2017, GZ 4 Pu 171/17m 15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Akten werden dem Rekursgericht mit dem Auftrag zurückgestellt, jeweils eine Gleichschrift des Revisionsrekurses des Bundes dem Land Wien als Träger der Kinder und Jugendhilfe, der Mutter B* und dem Vater M* zur allfälligen Erstattung einer Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zuzustellen. Nach Erstattung der Revisionsrekursbeantwortungen bzw fruchtlosem Verstreichen der Frist sind die Akten erneut dem Obersten Gerichtshof vorzulegen.
Text
Begründung:
Das Erstgericht gewährte dem Kind vom 1. 11. 2017 bis 31. 10. 2022 Unterhaltsvorschüsse gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG in Höhe von monatlich 111,80 EUR.
Das Rekursgericht gab dem gegen diese Entscheidung gerichteten Rekurs des Bundes nicht Folge und ließ den Revisionsrekurs nicht zu.
Der Bund erhob gegen diese Entscheidung eine Zulassungsvorstellung an das Rekursgericht und verband diese mit dem Revisionsrekurs.
Mit einer am 21. 3. 2018 beim Erstgericht eingelangten Eingabe gab der Träger der Kinder und Jugendhilfe als Vertreter des Kindes eine „Stellungnahme zur Zulassungsvorstellung“ des Bundes ab.
Mit Beschluss vom 18. 4. 2018 änderte das Rekursgericht den Zulassungsausspruch ab und ließ den Revisionsrekurs zu. Es führte im Spruch dieses Beschlusses aus: „Die Akten werden – im Hinblick auf die bereits erstattete Revisionsrekursbeantwortung – unverzüglich dem Obersten Gerichtshof vorgelegt“ . Begründend führte das Rekursgericht aus, dass der Vertreter des Revisionsrekursgegners bereits eine Stellungnahme zur Zulassungsvorstellung erstattet habe. Diese stelle inhaltlich betrachtet eine Revisionsrekursbeantwortung dar, sodass von einer Freistellung zur Beantwortung im Sinn des § 63 Abs 5 AußStrG Abstand genommen werde. Verfügt wurde allein die Zustellung dieses Beschlusses an alle Verfahrensbeteiligten.
Rechtliche Beurteilung
Die Aktenvorlage ist verfrüht.
1. Über die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen hat das Pflegschaftsgericht im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden (§ 10 UVG). Wird ein Revisionsrekurs gegen einen Beschluss erhoben, bei dem über die Sache entschieden worden ist, und findet das Gericht erster Instanz keinen Grund zur Zurückweisung, so ist jeder anderen aktenkundigen Partei eine Gleichschrift zuzustellen (§ 68 Abs 1 AußStrG). Unter einem Beschluss „über die Sache“ wird jede Entscheidung über den Verfahrensgegenstand verstanden (RIS Justiz RS0120860 ua). Den anderen Parteien steht es frei, eine Revisionsrekursbeantwortung (§ 68 AußStrG) einzubringen.
2. In diesem Sinn sind nicht nur das Kind (vertreten vom Träger der Kinder und Jugendhilfe, § 9 Abs 2 UVG), sondern auch die Mutter als Zahlungsempfängerin (10 Ob 1/11m; RIS Justiz RS0120860 [T12]), und der Vater als Geldunterhaltsschuldner Parteien im Sinn des § 2 Abs 1 AußStrG, denen es frei steht, gemäß § 68 Abs 1 und Abs 3 Z 2 AußStrG eine Beantwortung des Revisionsrekurses des Bundes einzubringen (10 Ob 16/10s mwN).
3. Hier hat – aufgrund einer mit einem Revisionsrekurs verbundenen – Zulassungsvorstellung das Rekursgericht den Revisionsrekurs nachträglich für zulässig erklärt. Diesen Beschluss hatte es (nicht nur) den genannten Parteien zuzustellen, sondern diesen auch die Beantwortung des Revisionsrekurses freizustellen (§ 63 Abs 5 AußStrG). Die Frist für die Revisionsrekursbeantwortung beginnt in diesem Fall mit der Mitteilung des Rekursgerichts, dass „den anderen aktenkundigen Parteien“ die Beantwortung des Revisionsrekurses freigestellt werde (§ 68 Abs 3 Z 2 AußStrG); die Revisionsrekursbeantwortung ist beim Rekursgericht einzubringen (§ 68 Abs 4 Z 1 AußStrG; 10 Ob 17/14v; 10 Ob 19/17t; 10 Ob 62/17s).
4.1 Das Rekursgericht hat zwar die Zustellung des Revisionsrekurses an die Verfahrensparteien angeordnet, es hat jedoch entgegen § 63 Abs 5 AußStrG den Parteien nicht (insbesondere auch nicht in der Begründung des Zulassungsbeschlusses) die nach dieser Bestimmung vorgesehene Freistellung der Revisionsrekursbeantwortung mitgeteilt.
4.2 Dies gilt im konkreten Fall auch für den Träger der Kinder und Jugendhilfe. Einer allfälligen Umdeutung der (noch vor der Entscheidung des Rekursgerichts über die Zulassungsvorstellung) als „Stellungnahme zur Zulassungsvorstellung“ bezeichneten und am 21. 3. 2018 beim Erstgericht eingelangten Eingabe vom 16. 3. 2018 in eine „verfrühte“ Revisionsrekursbeantwortung steht im konkreten Fall entgegen, dass sie inhaltlich nicht auf das Revisionsrekursvorbringen eingeht; nach ihrer Bezeichnung und ihrem Inhalt richtet sich die Eingabe gegen eine mögliche Zulassung des Revisionsrekurses.
4.3 Das Rekursgericht wird daher jeweils eine Gleichschrift des Beschlusses vom 18. 4. 2018 an den Träger der Kinder und Jugendhilfe, den Vater und die Mutter des Kindes mit dem Beisatz zuzustellen haben, dass ihnen die allfällige Beantwortung des (nachträglich doch zugelassenen) Rechtsmittels frei steht.
Es ist daher die aus dem Spruch ersichtliche Rückleitungsanordnung zu treffen.