JudikaturOGH

11Os102/25x – OGH Entscheidung

Entscheidung
Strafrecht
09. September 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. September 2025 durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz, Dr. Oberressl, Dr. Brenner und Mag. Riffel in Gegenwart der Rechtspraktikantin Schurich LL.M., LL.M. als Schriftführerin im Verfahren zur strafrechtlichen Unterbringung des * Q* in einem forensischtherapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom 26. Mai 2025, GZ 39 Hv 44/25b 50, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde die strafrechtliche Unterbringung des * Q* in einem forensischtherapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 1 StGB angeordnet.

[2] Danach hat er unter dem maßgeblichen Einfluss einer schwerwiegenden und nachhaltigen psychischen Störung, nämlich einer paranoiden Schizophrenie „(mit aktuell floriden psychotischen Symptomen sowie einem manifesten Drogenabhängigkeitssyndrom)“ am 13. März 2025 in V* und andernorts

I/ anderen fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei er bei Betretung auf frischer Tat nachgenannte Personen mit einer gegenwärtige n Gefahr für Leib oder Leben bedroht hat, um sich die weggenommenen Sachen zu erhalten, und zwar

1/ in der Westbahn kurz vor V* Mag. * M* eine Ladestation für Airpods, wobei er ihn sinngemäß mit den Worten: „Bleib sitzen, ich hab ein Militärmesser“ bedrohte, sowie

2/ im Lokal B* eine Spendenbox mit etwa 170 Euro Inhalt, wobei er nach dem Abstellen der Spendenbox vor dem Lokal ein Messer zog und dieses gegen seine Verfolger * E* und * R* richtete;

II/ Verfügungsberechtigten der Jet Tankstelle fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben mit dem Vorsatz abzunötigen versucht, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er die Angestellte * S* unter Vorhalt eines Messers aufforderte, ihm das ganze Geld aus der Kassa zu geben;

undhiedurch Taten begangen, die zu I/ als „die“ Verbrechen des räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 erster Fall StGB und zu II/ als einVerbrechen des schweren Raubes nach §§ 15 Abs 1, 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB mit einer (jeweils) ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht sind.

Rechtliche Beurteilung

[3]Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5a und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen.

[4] Mit dem Hinweis auf isoliert hervorgehobene Passagen aus in der Hauptverhandlung getätigten Angaben der Zeugen E* und R* (zu I/2/) sowie S* (zu II/) gelingt es der Tatsachenrüge (Z 5a) nicht, beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen hervorzurufen (zum Anfechtungsgegenstand vgl RISJustiz RS0118780) .

[5]Ebenso wenig wird mit der Berufung auf den Zweifelsgrundsatz (§ 14 zweiter Halbsatz StPO) Nichtigkeit aus Z 5a des § 281 Abs 1 StPO aufgezeigt (RISJustiz RS0102162), sondern – wie auch mit eigenständigen Beweiswerterwägungen zum Bedeutungsinhalt der jeweiligen Äußerungen und Gesten des Betroffenen (zu I/1/, I/2/ und II/), zur Ernstlichkeit der Drohungen und zum Vorsatz des Genannten – bloß in unzulässiger Weise die dem Schöffensenat vorbehaltene (§ 258 Abs 2 StPO) Beweiswürdigung bekämpft.

[6]Bleibt mit Blick auf das Vorbringen zum Zeitpunkt der Wahrnehmung des Messers durch S* darauf hinzuweisen, dass bei einem Raubversuch durch Drohung mit einer Waffe (II/) unerheblich ist, ob die geplante Verwendung der Waffe schon bis zur Wahrnehmung dieses Drohungsmittels durch das ausersehene Opfer fortgeschritten ist (RIS-Justiz RS0094179).

[7] Die Sanktionsrüge (Z 11) fordert eine Auseinandersetzung damit ein, „ob tatsächlich nur die psychische Störung einen maßgeblichen Einfluss auf die Gefährlichkeitsprognose hat, oder aber der Drogenkonsum des Betroffenen eine maßgeblichen Einfluss“ auf dessen Handlungen hatte, weil der Betroffene dem psychiatrischen Sachverständigengutachten zufolge „auch eine Drogenhistorie hat, welche Einfluss auf die psychische Erkrankung haben könnte“.

[8] Soweit damit eine Unvollständigkeit der Feststellungen zum maßgeblichen Einflussder schizophrenen Erkrankung des Betroffenen auf die Tathandlungen (US 3) angesprochen sein soll (Z 11 erster Fall iVm Z 5 zweiter Fall; RIS-Justiz RS0118581 [T2]), lässt die Beschwerde nicht erkennen, weshalb die (im Sachverständigengutachten erwähnte) „Drogenhistorie“ des Betroffenen die Eignung haben sollte, die Feststellungen über Vorliegen oder Nichtvorliegen der für die Sanktionsbefugnis entscheidenden Tatsachen maßgebend zu beeinflussen und damit einer Erörterung bedurft hätte. Denn zur Tatzeit aktueller (also die konkreten Anlasstaten allenfalls beeinflussender) Drogenkonsum (insbesondere Cannabiskonsum) oder Konsumbedarf des Betroffenen stand hier gar nicht in Rede (vgl ON 7 S 6 und ON 33 S 12 sowie ON 49 S 3 f; vgl auch RISJustiz RS0118316 [T8]).

[9]Soweit sich das erwähnte Vorbringen gegen die Prognoseentscheidung wendet (Z 11 zweiter Fall), verkennt der Beschwerdeführer den Bezugspunkt der Anfechtung. Denn er behauptet weder Willkür noch das Übergehen einer der in § 21 Abs 1 StGB genannten Erkenntnisquellen (Person, Zustand des Rechtsbrechers und Art der Tat; vgl dazu US 3 f). Solcherart macht er einen Berufungsgrund geltend (RISJustiz RS0113980 [T7, T11]; RS0090341). Eine Bekämpfung aus Z 5 oder 5a des § 281 Abs 1 StPO steht in Verbindung mit dem zweiten Fall des § 281 Abs 1 Z 11 StPO jedenfalls nicht offen (RISJustiz RS0118581).

[10]Der weiteren, sich auf 14 Os 37/24h berufenden Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) zuwider ist die rechtliche Einordnung der vom Erstgericht ua mit Blick auf die Art der Anlasstaten prognostizierte Art von künftig zu befürchtenden Taten (US 4: „gefährliche Drohungen, Raub und Körperverletzungen [auch schwere, unter Verwendung von Waffen]“) als solche mit schweren Folgen fallkonkret ohne Weiteres möglich (ua jedenfalls schwerer Raub unter Verwendung von Waffen).

[11]Bleibt unter dem Gesichtspunkt des § 290 StPO anzumerken, dass zufolge des für den Bereich gleichartiger Realkonkurrenz wert- oder schadensqualifizierter Delikte geltenden Zusammenrechnungsprinzips nach § 29 StGB die zu I/1/ und I/2/ angeführten Anlasstaten im Fall der Schuldfähigkeit des Betroffenen in rechtlicher Hinsicht nur als ein einziges (anstatt zwei) Verbrechen des räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 erster Fall StGB zu beurteilen wären (vgl RISJustiz RS0114927, RS0090615, RS0090575). Die insoweit rechtsirrige Subsumtion dieser Anlasstaten bietet keinen Anlass für eine amtswegige Maßnahme, weil sich daraus – auch mit Blick auf die aus § 21 Abs 1 und Abs 3 letzter Satz StGB abgeleitete Sanktionsbefugnis – kein Nachteil für den Betroffenen ergibt (vgl etwa 15 Os 99/20b; 13 Os 97/23y [Rz 17 f]).

[12]Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 iVm § 429 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).