12Os64/25s – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 5. August 2025 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als Vorsitzende sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Oshidari, Dr. Setz-Hummel LL.M., Dr. Haslwanter LL.M. und Dr. Sadoghi in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Artner in der Strafsache gegen *M* wegen des Verbrechens der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Jugendschöffengericht vom 3. April 2025, GZ 13 Hv 3/25s18.4, sowie über dessen Beschwerde gegen einen zugleich ergangenen Beschluss nach § 494 Abs 1 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde kommt dem Oberlandesgericht Wien zu.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte * M*jeweils eines Verbrechens der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB (A) und der kriminellen Organisation nach § 278a StGB (B) schuldig erkannt.
[2]Danach hat er sich vom 29. Juni 2024 bis September 2024 in W* als Mitglied (§ 278 Abs 3 StGB) an der seit Juni 2014 als „Islamischer Staat“ bezeichneten radikalislamistischen Terrormiliz beteiligt, wobei er mit dem Wissen (§ 5 Abs 3 StGB) handelte, dadurch die Vereinigung oder deren strafbare Handlungen zu fördern, indem er jeweils mit der Intention, die genannte Gruppierung zu propagieren, auf der Social-Media-Plattform „Instagram“ propagandistische Inhalte, insbesondere Bild- und Videodateien, die mit Kampfliedern des Islamischen Staats („Nasheeds“) unterlegt waren, und die er teilweise selbst erstellt hatte, in Form sogenannter „Stories“ verbreitete sowie vier abgesondert verfolgten Personen audiovisuelles Propagandamaterial des Islamischen Staats vorspielte und im Wege der Social-Media-/Chat-Plattform „Snapchat“ an sie übermittelte, sohin
(A) an einer terroristischen Vereinigung (§ 278b Abs 3 StGB), die als auf längere Zeit angelegter Zusammenschluss von mehr als zwei Personen darauf ausgerichtet ist, dass von mehreren Mitgliedern der Vereinigung terroristische Straftaten (§ 278c StGB), insbesondere Morde, Körperverletzungen und erpresserische Entführungen zum Nachteil von Personen, die nicht dieser Vereinigung angehören, begangen werden, und die das Ziel verfolgt, einen weite Gebiete des Nahen und Mittleren Ostens umfassenden radikal-islamischen „Gottesstaat“ auf Grundlage einer strikten Auslegung der Scharia zu errichten;
(B) an einer auf längere Zeit angelegten unternehmensähnlichen Verbindung einer größeren Zahl von Personen, und zwar an einer nach militärischem Vorbild gegliederten Gruppierung mit weiterhin zumindest mehreren hunderten Mitgliedern, die in mehreren Staaten des Nahen und Mittleren Ostens, darunter Syrien, Irak und Afghanistan, aktiv ist, die, wenn auch nicht ausschließlich, auf die wiederkehrende und geplante Begehung schwerwiegender strafbarer Handlungen, die das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit oder das Vermögen bedrohen, oder schwerwiegender strafbarer Handlungen im Bereich der sexuellen Ausbeutung von Menschen, der Schlepperei oder des unerlaubten Verkehrs mit Kampfmitteln ausgerichtet ist, die dadurch eine Bereicherung in großem Umfang durch Erzielung von Einnahmen sowie durch Ausstattung mit Waffen und Kampfmitteln anstrebt, und die andere, insbesondere politische Verantwortungsträger und sonstige ideologische Gegner, zu korrumpieren oder einzuschüchtern oder sich auf besondere Weise gegen Strafverfolgungsmaßnahmen abzuschirmen sucht.
Rechtliche Beurteilung
[3]Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.
[4] Nach dem Urteilssachverhalt handelt es sich beim „Islamischen Staat“ um einen auf Jahre angelegten Zusammenschluss von tausenden Personen, der darauf ausgerichtet ist, dass von einem oder mehreren Mitgliedern laufend Morde, schwere Körperverletzungen, erpresserische Entführungen, schwere Nötigungen, schwere Sachbeschädigungen mit der Gefahr für das Leben anderer oder fremden Eigentums in großem Ausmaß sowie vorsätzliche Gefährdungen durch Sprengmittel begangen werden (US 5), und zwar unter anderem durch Selbstmordanschläge, Attentate mit Autobomben, willkürliche Massenhinrichtungen, Entführungen samt „Lösegelderpressungen“ sowie Zerstörung von religiösem Eigentum (US 6). Diese Handlungen sind vom Ziel getragen, auf dem Gebiet der heutigen Staaten Syrien, Irak, Libanon und Jordanien einen „umfassenden, auf militant-fundamentalistischer Ausrichtung basierenden Gottesstaat“ zu errichten und Gegner dieses Gottesstaats als Feinde des Islams zu töten und durch sonstige Gewaltakte einzuschüchtern (US 6). Die Führung und Organisation der „Gruppe“ erfordert aufgrund ihrer Größe eine „entsprechende Struktur und Befehlskette“ sowie einen „erheblichen logistischen und finanziellen Aufwand“, um „eine solche Anzahl an Kämpfern unter Waffen zu halten, zu versorgen und auszustatten“ (US 13).
[5]Die – zufolge Anfechtung des gesamten Schuldspruchs nicht bloß auf Wegfall der rechtlichen Unterstellung der Tat unter § 278b Abs 2 StGB, sondern auf einen Freispruch abzielende – Rechtsrüge (Z 9 lit a) nimmt prozessordnungswidrig an diesen Festellungen mit dem (zu A des Schuldspruchs erhobenen) Einwand des Fehlens von Feststellungen zu einer „[E]in- oder [U]nterordnung“ der Mitglieder unter einen Gesamtwillen dergestalt, dass alle Mitglieder bei der Ausführung der „intendierten terroristischen Straftat oder Terrorismusfinanzierung nach dem Gesamtwillen der Vereinigung mit der Unterstützung der anderen Mitglieder rechnen können“, nicht Maß (vgl RISJustiz RS0099810; im Übrigen zum Erfordernis eines solchen „Gesamtwillens“ aber 14 Os 22/22z, 23/22x [Rz 9], 13 Os 47/21t [Rz 26], 15 Os 8/17s, 15 Os 86/07x).
[6] Entgegen der weiteren Beschwerde zu A des Schuldspruchs (der Sache nach Z 5 erster Fall, nominell Z 9 lit a) stellten die Tatrichter unzweifelhaft fest, dass es der Angeklagte für gewiss hielt, den „Islamischen Staat“ gerade durch dessen Propagierung und durch Bestärken von (im Urteil namentlich bezeichneten) Personen in ihrer „Zugehörigkeit“ zur Vereinigung (US 12 f) zu fördern (US 9 und 13; vgl RISJustiz RS0117995; Ratz , WKStPO § 281 Rz 419).
[7]Zu B des Schuldspruchs moniert die Rechtsrüge (Z 9 lit a) das Fehlen von Feststellungen zum Umfang der Bereicherung, vernachlässigt aber die gerade dazu getroffenen Urteilsannahmen, wonach (insbesondere) die Erpressung von Lösegeld „Millionen“ einbringt (US 6; vgl erneut RIS-Justiz RS0099810; im Übrigen 14 Os 94/24s [Rz 7]).
[8]Die Beschwerde geht weiters zutreffend davon aus, dass die Begehungsweisen des § 278a Z 3 StGB rechtlich gleichwertig sind (13 Os 44/02; RISJustiz RS0122049), leitet jedoch nicht aus dem Gesetz ab, aus welchem Grund es dennoch möglich sein soll, die Annahme einer von mehreren als verwirklicht angesehenen Alternativen (hier: des Bestrebens, sich von Strafverfolgungsmaßnahmen abzuschirmen) unter dem Aspekt der Subsumtion zu bekämpfen (vgl RISJustiz RS0116565, RS0116655).
[9]Der Einwand des Fehlens von Feststellungen zur Wissentlichkeit des Angeklagten iSd § 278a zweiter Fall iVm § 278 Abs 3 (hier nur) dritter Fall StGB vernachlässigt die Urteilskonstatierungen, wonach es der Angeklagte für gewiss hielt, den „Islamischen Staat“ gerade durch dessen Propagierung und durch Bestärken von (im Urteil namentlich bezeichneten) Personen in ihrer „Zugehörigkeit“ zur Organisation (US 12 f) zu fördern (US 10; vgl erneut RISJustiz RS0099810).
[10]Soweit sich die Rüge auch gegen die Begehungsweise nach § 278a zweiter Fall iVm § 278 Abs 3 erster Fall StGB richtet, bezieht sie sich auf eine vom Erstgericht (zu Recht) als gar nicht verwirklicht angesehene Alternative (US 15 f).
[11]Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die (implizierte) Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
[12]Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.