504Präs26/25w – OGH Entscheidung
Kopf
Über die Anzeige der Ausgeschlossenheit des Präsidenten des Oberlandesgerichts Linz (AZ 5 Ns 10/25x) zur Entscheidung über die Ausgeschlossenheit von Richtern des Oberlandesgerichts Linz zur Entscheidung über einen Einspruch gegen die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Wels vom 14. Mai 2025, AZ 13 St 350/23f, ergeht der
Beschluss:
Spruch
Der Präsident des Oberlandesgerichts Linz ist von der Entscheidung über die Ausgeschlossenheit von Richtern des Oberlandesgerichts Linz zur Entscheidung über den Einspruch gegen die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Wels vom 14. Mai 2025, AZ 13 St 350/23w, nicht ausgeschlossen.
Text
Gründe:
Der Senat 10 des Oberlandesgerichts Linz hat zu AZ 10 Bs 130/25a über einen Einspruch gegen die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Wels vom 14. Mai 2025, AZ 13 St 350/23w (GZ 38 Hv 40/25g 21 des Landesgerichts Wels) unter anderem wegen eines den Vergehen des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB (I) und der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (II) subsumierten Sachverhalts zu entscheiden. Dem liegt zugrunde, dass die beiden Angeklagten den mit * zum Richter des Oberlandesgerichts Linz ernannten * am 12. Juli 2023 betrügerisch zur Überlassung eines Geschäftslokals (Kaufpreis von 130.000 Euro) zu verleiten versucht (I) und diesem ab diesem Tag für mehrere Monate Originalbaupläne nach Scheitern des Kaufes nicht retourniert haben sollen (II).
Der Präsident des Oberlandesgerichts gründet seine Anzeige (§ 44 Abs 2 StPO) darauf, dass die Vorsitzende des Senats 10 aufgrund der kollegialen Verbundenheit zum Opfer den äußeren Anschein der Befangenheit der Mitglieder des Senats 10 gemäß § 43 Abs 3 StPO angezeigt habe. Diese kollegiale Verbundenheit und damit die Anscheinsthematik bestehe auch hinsichtlich aller anderen Richter:innen des Oberlandesgerichts und seiner Person. Gegenständlich dürfe nicht übersehen werden, dass * in jenem Richterkollegium beruflich integriert sei, das über die zugrunde liegende Tat zu entscheiden hat, und es in unterschiedlichen Konstellationen zu laufenden Kontakten und einem Austausch der Richterinnen des Oberlandesgerichts Linz komme.
Rechtliche Beurteilung
Hiezu war zu erwägen:
Die relevierten Umstände einer Zugehörigkeit zum selben Richterkollegium sowie laufender dienstlicher Kontakt sind für sich allein nicht geeignet, die volle Unbefangenheit des Präsidenten des Oberlandesgerichts Linz zur Entscheidung über die Ausgeschlossenheit von Berufsrichtern zur Entscheidung über den Einspruch gegen die Anklageschrift aus der Sicht eines objektiven Beurteilers in Zweifel zu setzen. Dies ergibt sich zweifelsfrei aus der Gesamtheit der den Regelungen über die Befangenheit bzw Ausgeschlossenheit von Richtern wegen ihres Verhältnisses zu anderen Richtern zugrundeliegenden Wertung. So ist nach § 9 AHG, wenn der Ersatzanspruch aus einer Verfügung des Präsidenten eines Gerichtshofes erster Instanz oder eines Oberlandesgerichts oder aus einem kollegialen Beschluss eines dieser Gerichtshöfe abgeleitet, die nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes unmittelbar oder im Instanzenzuge zuständig wären, ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung der Rechtssache vom übergeordneten Gericht zu bestimmen. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass Richter eines Gerichtshofs nicht über Schadenersatzansprüche aus der Tätigkeit eines Kollegen entscheiden sollen. Nach § 79 JN gehören Klagen gegen Personen, die bei dem nach den Bestimmungen über die sachliche und örtliche Zuständigkeit zur Verhandlung und Entscheidung berufenen Bezirksgerichte als Einzelrichter in Verwendung stehen, vor das Landesgericht, in dessen Sprengel sich das Bezirksgericht befindet. Klagen gegen den Vorsteher eines Gerichtshofes erster Instanz, welche vor diesen Gerichtshof oder vor ein im Sprengel desselben gelegenes Bezirksgericht gehören würden, sind bei einem der Gerichtshöfe erster Instanz anzubringen, deren Sprengel an den jenes ersten Gerichtshofes unmittelbar angrenzt. Nach § 79 Abs 2 JN gilt dies auch, wenn ein Einzelrichter eine Klage erhebt, für welche an sich das Bezirksgericht, bei dem er zur Zeit tätig ist, zuständig wäre, oder wenn der Vorsteher eines Gerichtshofes erster Instanz in einer Rechtssache als Kläger auftritt, welche durch die Bestimmungen dieses Gesetzes dem Gerichtshofe, dem er vorsteht, oder einem Bezirksgerichte im Gerichtshofsprengel zugewiesen ist. Für alle anderen Fälle sieht das Gesetz keine besonderen Regelungen vor. Vielmehr geht der Gesetzgeber davon aus, dass im Grundsatz in allen anderen Fällen – vorbehaltlich von besonderen (und dann jeweils individuell zu begründenden) Umständen des Einzelfalls – Gerichte in der Lage sind, auch dann unparteiisch zu entscheiden, wenn ein anderer Richter (auch desselben Gerichts) Partei oder sonstiger Beteiligter eines Verfahrens ist.
Der bloße Umstand, dass der betreffende Richter am selben Gericht tätig ist, reicht daher bei verständiger Würdigung nicht aus, die Unparteilichkeit des Gerichts bzw der dort im konkreten Fall zur Entscheidung berufenen Richter in Zweifel zu ziehen. Dafür müssten vielmehr andere Faktoren hinzutreten, die eine tatsächliche Befangenheit oder auch nur den Anschein einer solchen begründen könnten (vgl RIS-Justiz RS0097132 [T2], RS0096967 [T1]). Dies wäre etwa bei besonderer persönlicher Betroffenheit des Präsidenten eines Oberlandesgerichts infolge einer schweren Straftat gegen Leib und Leben zum Nachteil einer Richterin den Kollegiums (1 Präs 2690-3 149/15x), Erteilung einer Ermächtigung zur Strafverfolgung durch die Präsidentin eines Oberlandesgerichts (504 Präs 6/20x) oder bei andauerndem, engen kollegialen Kontakt mit einem Richter desselben Gerichtshofs zweiter Instanz, der naher Angehöriger eines erstinstanzlich zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilten Angeklagten ist (504 Präs 50/23x, 504 Präs 50/24y; RIS Justiz RS0096718; vgl aber auch RIS Justiz RS0124033), der Fall. Derartige Umstände sind hier jedoch nicht ersichtlich.