JudikaturOGH

3Ob105/25z – OGH Entscheidung

Entscheidung
Kindschaftsrecht
23. Juli 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Brenn als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und die Hofräte Dr. Stefula und Mag. Schober als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen Kinder 1) P*, geboren * 2011, und 2) T*, geboren * 2012, beide wohnhaft bei ihrem Vater M*, wegen Obsorge und Kontaktrechts, hier wegen Delegierung, über den Rekurs der Mutter M*, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 14. Jänner 2025, GZ 16 Nc 25/24h 1746, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

[1] Die Pflegschaftssache betreffend die beiden Minderjährigen ist seit dem Jahr 2017 beim Bezirksgericht N* (zu *) anhängig, in dessen Sprengel der aufgrund des Beschlusses des Erstgerichts vom 6. Oktober 2020 (ON 404) allein obsorgeberechtigte Vater mit beiden Kindern wohnt. Der Mutter und dem mütterlichen Großvater wurden Kontaktrechte eingeräumt.

[2] Am 29. September 2023 beantragte die Mutter, die Pflegschaftssache gemäß § 31 JN an das Bezirksgericht S* als „neutrales“ Gericht zu delegieren. S* sei von beiden Eltern als neutraler Ort zwischen den Wohnorten der Eltern vereinbart worden. Am 30. August 2024 beantragte die Mutter die Übertragung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht H*. Insgesamt stelle sich die Situation am Bezirksgericht N* äußerst problematisch dar und zeige möglicherweise eine parteiische Handhabung durch das Gericht, was die gerechte und zeitnahe Bearbeitung von Anträgen zur Obsorge und zum Kontaktrecht betreffe.

[3] Der Vater sprach sich gegen jede Delegierung aus. Eine solche sei schon aufgrund des enormen Umfangs des Aktes weder zweckmäßig noch notwendig. Er sei mit den Minderjährigen nach wie vor im Sprengel des Bezirksgerichts N* wohnhaft. Die Delegation an das Bezirksgericht H* würde für ihn und die Kinder schon aufgrund der Entfernung von ihrem Wohnort eine große Belastung bedeuten.

[4] Das Bezirksgericht N* legte den Akt dem Oberlandesgericht Wien zur Entscheidung über die Delegierungsanträge vor. Dem Akteninhalt seien keine Gründe zu entnehmen, warum eine Delegation zweckmäßig wäre. Der Vorwurf, das Bezirksgericht N* sei zur Führung des Pflegschaftsverfahrens nicht in der Lage, werde zurückgewiesen.

[5] Das Oberlandesgericht Wien wies mit dem angefochtenen Beschluss (ON 1746) die Anträge der Mutter vom 29. September 2023 sowie vom 30. August 2024 auf Delegierung der Pflegschaftssache ab.

[6]Nach ständiger Rechtsprechung dürfe durch eine Delegierung keine faktische Durchbrechung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung hervorgerufen werden. Auf behauptete Ablehnungsgründe oder auf angebliche Verfahrensverstöße könne ein solcher Antrag nicht gestützt werden. Bei der Beurteilung der Delegierung sei – wie im Fall der Zuständigkeitsübertragung nach § 111 JN – das Wohl des Kindes maßgeblich. Eine derartige Begründung habe die Mutter nicht angeführt. Insbesondere werde übergangen, dass der Lebensmittelpunkt der Kinder seit Jahren im Sprengel des Bezirksgerichts N* liege und der pflegschaftsgerichtliche Schutz in der Regel am Besten durch jenes Gericht gewährleistet sei, in dessen Sprengel der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes und der Mittelpunkt seiner Lebensführung liege.

[7] Dagegen richtet sich der Rekurs der Mutter mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Pflegschaftsverfahren „an ein sachlich geeignetes Gericht wie das Wohnsitzgericht der Mutter“ zu delegieren.

Rechtliche Beurteilung

[8] Der Rekurs ist nicht berechtigt.

[9]1. Entscheidungen des zuständigen Oberlandesgerichts in Delegierungsfragen werden in Wahrnehmung einer erstgerichtlichen Funktion getroffen und sind daher – ungeachtet des Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO – mittels Rekurses bekämpfbar (vgl RS0116349 , RS0046243 ). Für den Rekurs gegen einen solchen Beschluss in einer Pflegschaftssache besteht keine Vertretungspflicht ( 8 Ob 136/15f ; Fucik / Kloiber, AußStrG § 6 Rz 1; G. Kodek in Gitschthaler / Höllwerth, AußStrG 2 § 6 Rz 5).

[10] 2.1 Entgegen den Behauptungen der Mutter kommt dem Vater seit dem Beschluss des Erstgerichts vom 6. Oktober 2020 für die beiden bereits damals bei ihm wohnhaften Minderjährigen die alleinige Obsorge zu. Von einer – im Rechtsmittel behaupteten – „widerrechtlichen Zurückhaltung“ der Kinder durch den Vater kann keine Rede sein.

[11] 2.2 Der Hinweis auf angebliche frühere Delegierungsgründe (aus dem Jahr 2018) kann die hier beantragte Delegierung nicht rechtfertigen. Auch ein Verfahrensmangel lässt sich daraus nicht ableiten.

[12] 2.3 Auch die Behauptung, dass die Verhinderung der „Gefahr eines rechtswidrigen Verbringens oder Zurückhaltens der Kinder“ unterlassen worden und eine „sachgerechte Entscheidungsfindung im Sinne des Kindeswohls (...) nicht gewährleistet“ sei, kann keine Unrichtigkeit der Entscheidung über die Delegierungsanträge aufzeigen. Das Gleiche gilt für die behaupteten Verfahrensverstöße. Darauf, dass Ablehnungsgründe einen Delegierungsantrag nicht rechtfertigen können (vgl RS0046074 [T4]), hat bereits das Oberlandesgericht Wien hingewiesen.

[13] 3. Insgesamt kommt dem Rekurs keine Berechtigung zu, weshalb diesem der Erfolg zu versagen war.