15Os72/25i – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Juli 2025 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski und Dr. Sadoghi sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Riffel und Dr. Farkas in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Artner als Schriftführerin in der Strafsache gegen * P* wegen Verbrechen nach § 3g Abs 1 und 2 VerbotsG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Geschworenengericht vom 28. Jänner 2025, GZ 19 Hv 33/24d 22, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde * P* der Verbrechen der nationalsozialistischen Wiederbetätigung nach § 3g Abs 1 und 2 VerbotsG schuldig erkannt.
[2] Danach hat er in K* und andernorts von einem unbekannten Zeitpunkt nach dem 19. April 2011 bis 30. Oktober 2024 sich auf andere als die in den §§ 3a bis 3f VerbotsG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinn betätigt, indem er die Person Adolf Hitler glorifizierend, den Nationalsozialismus verherrlichend und die Wiederbelebung und Verbreitung der nationalsozialistischen Ideologie bzw des rechtsextremen Gedankenguts fördernd, eine auf der rechten Halsseite angebrachte Tätowierung der Zahl „88“ wiederholt in einer Vielzahl von Angriffen in der Öffentlichkeit, wie Lokalen, Städten, Seen etc unbedeckt und für Dritte sichtbar zur Schau stellte, „wodurch sie für viele Menschen sichtbar wurde“.
[3] Die Geschworenen bejahten die Hauptfrage in Richtung der Verbrechen der nationalsozialistischen Wiederbetätigung nach § 3g Abs 1 und 2 VerbotsG; weitere Fragen wurden nicht gestellt.
Rechtliche Beurteilung
[4] Dagegen richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 6 und 8 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die nicht berechtigt ist.
[5] Die Fragenrüge (Z 6) vermisst – unter Bezugnahme auf die Verantwortung des Angeklagten, nicht gewusst zu haben, dass die Tätowierung der Zahlenkombination „88“ verboten sei – eine (gemeint) Zusatzfrage (vgl Lässig , WK StPO § 313 Rz 4) nach dem Vorliegen eines Rechtsirrtums (§ 9 StGB).
[6] Sie verkennt dabei, dass § 3g VerbotsG nicht isoliert bestimmte Zahlenkombinationen verbietet, sondern jede nicht bereits von den §§ 3a bis 3f VerbotsG erfasste Betätigung im nationalsozialistischen Sinn unter Strafe stellt (vgl EBRV 2285 BlgNR 27. GP 3 f; RIS Justiz RS0079776).
[7] Indem die Geschworenen die Hauptfrage bejahten, bejahten sie die Tatfrage, dass die konkreten Präsentationen der Tätowierung ihrer Bedeutung nach solche Betätigungen darstellten und der Beschwerdeführer dabei jeweils mit entsprechendem – diesen Bedeutungsinhalt umfassenden – Betätigungsvorsatz handelte (vgl RIS Justiz RS0119234; Lässig in WK² VerbotsG § 3g Rz 17).
[8] Solcherart versucht die Rüge, einen von ihr behaupteten – von den Geschworenen aber bereits durch die Bejahung der Hauptfrage verneinten (vgl RIS Justiz RS0100567) – (Tatbild )Irrtum über die Bedeutung dieses Verhaltens in unzulässiger Weise zum Gegenstand einer Zusatzfrage zu machen (vgl RIS Justiz RS0124171, 15 Os 49/24f Rz 5). Einen Verbotsirrtum nach § 9 StGB spricht sie damit gar nicht an.
[9] Die Instruktionsrüge (Z 8) vermisst Ausführungen über einen Rechtsirrtum (§ 9 StGB) in der Rechtsbelehrung (§ 321 Abs 2 StPO). Sie legt allerdings nicht dar, weshalb es einer solchen Instruktion ohne Bezug zu einer tatsächlich gestellten Frage bedurft hätte (vgl RIS Justiz RS0101085).
[10] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO).
[11] Die Entscheidung über die Berufungen kommt dem Oberlandesgericht zu (§§ 344, 285i StPO).
[12] Dieses wird – erneut in Übereinstimmung mit der Generalprokuratur – zu berücksichtigen haben (RIS Justiz RS0119220), dass die Konstatierungen (US 3 f; RIS Justiz RS0134000) die angenommene Strafschärfung nach § 39 Abs 1a StGB nicht tragen (vgl 12 Os 119/22z Rz 8; 12 Os 140/23i Rz 12).
[13] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.