12Os68/25d – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 1. Juli 2025 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger als Vorsitzende sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Oshidari, Dr. Setz-Hummel LL.M., Dr. Haslwanter LL.M. und Dr. Sadoghi in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Eißler in der Strafsache gegen * E* und einen anderen Angeklagten wegen Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten E* gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Jugendschöffengericht vom 10. März 2025, GZ 6 Hv 3/25b-111, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch des * E* zu I/3, demgemäß im Strafausspruch des Genannten (einschließlich der Vorhaftanrechnung) und im das „sichergestellte Suchtgift“ betreffenden Einziehungserkenntnis aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.
Mit seiner gegen den Strafausspruch gerichteten Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung wird der Angeklagte E* auf diese Entscheidung verwiesen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen wird zurückgewiesen.
Die Akten werden dem Landesgericht für Strafsachen Graz rückgemittelt, das entsprechende Aktenteile dem Oberlandesgericht Graz zur Entscheidung über die gegen das Verfallserkenntnis gerichtete Berufung des Angeklagten E* zuzuleiten haben wird.
Dem Angeklagten E* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit hier relevant – * E* jeweils eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (I/1) und nach § 28a Abs 1 vierter Fall SMG (I/2) sowie des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster Satz [zweiter Fall] SMG (I/3) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er in L*, G* und andernorts vorschriftswidrig Suchtgift
(I/1) seit November 2018 bis 28. August 2024 in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen, indem er rund 30 Kilogramm an Cannabiskraut (mit einem Reinheitsgehalt von 1,14 % Delta-9-THC und 12,98 % THCA) „und Haschisch“ an 22 im Urteil genannte bekannte und weitere unbekannte Abnehmer verkaufte, wobei sein Vorsatz auf eine Tatbildverwirklichung in Teilmengen gerichtet war und die kontinuierliche Begehung über einen längeren Deliktszeitraum und den daran geknüpften Additionseffekt sowie die Überschreitung des Fünfundzwanzigfachen der Grenzmenge des § 28b SMG mitumfasste;
(I/2) am 27. August 2024 in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge einem anderen angeboten, indem er dem verdeckten Ermittler weitere drei Kilogramm Cannabiskraut (mit einem Reinheitsgehalt von 1,14 % Delta-9-THC und 12,98 % THCA) zu einem Kilopreis von 4.500 Euro zum Kauf offerierte;
(I/3) am 28. August 2024 in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge mit dem Vorsatz besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde, indem er 358,07 Gramm Cannabiskraut (mit einem Reinheitsgehalt von 1,14 % Delta-9-THC und 12,98 % THCA) in der Wohnung des Mittäters für den gewinnbringenden Verkauf lagerte.
Rechtliche Beurteilung
[3] Gegen den Schuldspruch zu I/1 und I/2 richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten E*, der keine Berechtigung zukommt.
Zur amtswegigen Maßnahme:
[4] Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof davon, dass der Schuldspruch des E* zu I/3 mit nicht geltend gemachter, dem Angeklagten zum Nachteil gereichender Nichtigkeit (Z 9 lit a) behaftet ist, die von Amts wegen wahrzunehmen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO). Den Entscheidungsgründen sind nämlich keine Feststellungen zur subjektiven Tatseite in Ansehung der Menge des am 28. August 2024 mit Inverkehrsetzungsvorsatz besessenen Suchtgifts zu entnehmen.
[5] Dieser Rechtsfehler mangels Feststellungen erfordert die sofortige Aufhebung des Schuldspruchs des Angeklagten E* zu I/3, demgemäß auch des Strafausspruchs (einschließlich der Vorhaftanrechnung) bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285e StPO). Der Vollständigkeit halber wird angemerkt, dass jene Feststellungen, die einen nicht erfolgten Schuldspruch nach § 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall SMG stützen würden, für sich allein nicht bestehen bleiben können (RIS Justiz RS0115884; Ratz , WK-StPO § 289 Rz 18).
[6] Im zweiten Rechtsgang wird zu beachten sein, dass das Vergehen der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 zweiter Fall SMG als „Vorbereitungsdelikt“ im technischen Sinn gegenüber Suchtgifthandel nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG stillschweigend subsidiär ist (vgl Ratz in WK² StGB Vor §§ 28–31 Rz 44), wenn der Täter in weiterer Folge dieses Suchtgift (in zumindest tatbildlich großer Menge) überlässt (oder dies versucht). Deshalb bleibt – v on den Konstellationen eines (zufolge besonderer Qualifizierung) höheren Unwerts des Vorbereitungsdelikts abgesehen – für die Annahme selbständiger Strafbarkeit des Besitzes einer „Restmenge“ des ursprünglich mit Inverkehrsetzungsvorsatz erworbenen und besessenen Suchtgifts nach dessen – hier im Rahmen einer tatbestandlichen Handlungseinheit erfolgtem – (zumindest teilweisem) Überlassen (hier) in einer das Fünfundzwanzigf ache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge kein Raum (zum Ganzen 14 Os 81/24d [Rz 11], 14 Os 71/24h [Rz 21]; RIS-Justiz RS0113820 [Punkt 1]).
[7] Ebenso zu beseitigen (§ 289 StPO) war das Einziehungserkenntnis betreffend „das sichergestellte Suchtgift“, weil sich dieses undifferenziert auf den gesamten Schuldspruch stützt (US 5 und 14), sodass nicht beurteilt werden kann, ob es in dessen rechtskräftigem Teil Deckung findet (vgl Haslwanter in WK² StGB § 26 Rz 18 und Ratz , WK-StPO § 289 Rz 7 f). Im Übrigen determiniert das Einziehungserkenntnis den Gegenstand der Einziehung nicht (RIS-Justiz RS0121298 [T9]).
[8] Mit seiner gegen den Strafausspruch gerichteten Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung war der Angeklagte E* auf diese Entscheidung zu verweisen.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen:
[9] Der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider haben die Tatrichter die Verantwortung des Angeklagten (einschließlich seiner Berechnung) in der Begründung der Feststellungen über die von ihm überlassene Suchtgiftmenge erörtert (US 9), sie jedoch als Schutzbehauptung verworfen (US 10 f).
[10] Der von der weiteren Mängelrüge (Z 5 dritter Fall) behauptete Widerspruch zwischen den Feststellungen zur überlassenen Suchtgiftmenge und deren zusammenfassender Wiedergabe im Urteilsspruch betrifft keine entscheidende Tatsache, die allein den gesetzlichen Bezugspunkt des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes bildet (vgl RIS-Justiz RS0106268). Denn ob der Angeklagte E* 30.000 Gramm oder 33.893 Gramm Cannabiskraut überließ, beeinflusst die rechtliche Entscheidung über Schuld- oder Freispruch oder darüber, welche strafbaren Handlungen begründet werden, nicht (RIS-Justiz RS0117264).
[11] Gleiches gilt für den zu I/1 und I/2 des Schuldspruchs behaupteten weiteren Widerspruch in Ansehung des mit dem verdeckten Ermittler vereinbarten Kaufpreises.
[12] Auch der Einwand einer offenbar unzureichenden Begründung (Z 5 vierter Fall) der Konstatierungen zum Überlassen von 20 Kilogramm Cannabiskraut an unbekannte Abnehmer (US 9) spricht keine entscheidende Tatsache an, weil bereits die Feststellungen zur Suchtgiftmenge, die der Angeklagte E* bekannten Abnehmern verkaufte (US 9), den Schuldspruch nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG tragen.
[13] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in diesem Umfang bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
[14] Über die gegen den Verfallsausspruch gerichtete (bloß angemeldete) Berufung des Angeklagten E* wird das Oberlandesgericht Graz zu entscheiden haben (§ 285i StPO).
[15] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO. Die Ersatzpflicht erstreckt sich nicht auf die mit der amtswegigen Maßnahme verbundenen Kosten (RIS-Justiz RS0101558).