9ObA24/25g – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Hargassner und die Hofrätin Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Thomas Stegmüller (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Birgit Riegler (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A*, vertreten durch Dr. Ernst Eypeltauer ua, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei P*, Gesellschaft m.b.H., *, vertreten durch Mag. Bert Ortner Rechtsanwalts GmbH in Wien, wegen 10.097,26 EUR brutto sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 26. Februar 2025, GZ 12 Ra 5/25d 16, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 4. Dezember 2024, GZ 36 Cga 43/24b-10, teilweise Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.000,75 EUR (darin enthalten 166,79 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
[1] Die Klägerin war von 1. 9. 1989 bis 31. 8. 2024 als Angestellte bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Dienstverhältnis fand der (richtig:) Rahmenkollektivvertrag für Angestellte der Industrie in der für die Angestellten des Metallbereichs geltenden Fassung (KV) Anwendung. Das Dienstverhältnis endete durch Dienstgeberkündigung.
[2] Die Klägerin begehrt 10.097,26 EUR sA und bringt vor, ihr stünde gemäß § 19c Abs 1 KV nach einer ununterbrochenen Dauer des Dienstverhältnisses von 35 Jahren ein Jubiläumsgeld im Ausmaß von zwei Bruttomonatsgehältern zu. Ein Dienstjahr sei dann vollendet, wenn der Dienstnehmer sämtliche 365 bzw 366 Tage im Jahr für den Dienstgeber gearbeitet habe.
[3] Die Beklagte bestr eitet , der K V stelle auf das Jubiläum, also den Jahrestag des Eintritts, nicht auf einen Zeitraum bzw eine Dauer der Betriebszugehörigkeit ab. Daher habe die Klägerin das 35-jährige Dienstjubiläum am 31. August 2024 noch nicht erreicht.
[4] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. D er K V stelle auf ein Jubiläum ab. Darunter verstehe man den Jahrestag, der nach seiner Benennung dem das Jubiläum auslösenden Tag entspreche. Dafür sprächen auch die Verwendung des Wortes „zum“ in § 19c Abs 1 KV sowie Abs 3b, in dem auf das Dienstjubiläum als Zeitpunkt abgestellt werde. Dieser Jahrestag sei bei der Klägerin der 1. 9. 2024 gewesen, zu diesem Zeitpunkt sei aber das Dienstverhältnis nicht mehr aufrecht gewesen.
[5] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin gegen diese Entscheidung in der Hauptsache Folge, im Zinsenbegehren teilweise Folge. Zwar gebühre das Jubiläumsgeld nach § 19c Abs 1 KV einerseits nach einer bestimmten ununterbrochenen Dauer des Dienstverhältnisses, andererseits aber „zum 35-jährigen Dienstjubiläum“. Dies könne aber auch so verstanden werden, dass das Jubiläumsgeld zu diesem Anlass ausbezahlt bzw fällig werde. Der KV stelle in § 19c teilweise auf Zeitpunkte, teilweise auf Zeiträume ab. Selbst wenn eine Auslegung nach dem Wortsinn alleine noch keine Klarheit verschaffe, könne es nach der Absicht der Kollektivvertragsparteien, eine langjährige Betriebszugehörigkeit zu belohnen, neben der Erfüllung einer Dienstzeit von 35 Dienstjahren nicht zusätzlich auf das Aufrechtbestehen des Dienstverhältnisses am Tag nach der Vollendung dieses Zeitraums ankommen. Die Klägerin habe daher am 31. 8. 2024 ihren Anspruch auf Jubiläumsgeld erworben gehabt.
[6] Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht zugelassen, weil der Auslegung von Kollektivverträgen eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme und zu § 19c Abs 1 KV keine Rechtsprechung bestehe.
[7] Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag, die Entscheidungen des Berufungsgerichts dahingehend abzuändern, dass die Klage abgewiesen wird. In eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[8] Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[9] Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig, aber nicht berechtigt.
[10] 1. § 19c des KV „Dienstjubiläen“ lautet auszugsweise:
„ (1) Nach ununterbrochener Dauer des Dienstverhältnisses gebührt
zum 25 jährigen Dienstjubiläum …….. 1 Monatsgehalt
zum 35 jährigen Dienstjubiläum …….. 2 Monatsgehälter
zum 45 jährigen Dienstjubiläum …….. 3 Monatsgehälter
als Jubiläumsgeld.
Bei Beendigung des Dienstverhältnisses zwischen dem 40. und 45. Dienstjahr ohne Verschulden des Arbeitnehmers (verschuldete Entlassung oder Austritt ohne wichtigen Grund) gebührt ein der zurückgelegten Dienstzeit in diesem 5-Jahres-Zeitraum entsprechender aliquoter Anteil von 3 Monatsgehältern.
(2) Bestehen betriebliche Regelungen über Jubiläumszahlungen oder andere nur von der Dauer des Dienstverhältnisses abhängige, nicht laufend gewährte besondere Zahlungen, so gelten diese anstatt der obigen Regelung, soweit sie insgesamt zumindest gleich günstig sind.
[…]
(2aa) Übergangsregelung: Wird ein Jubiläumsgeld zwischen dem 1.11.2019 und dem 31.3.2020 fällig, so kann der/die DienstnehmerIn eine Umwandlung beanspruchen. Die tatsächliche Umwandlung von Geld in Zeit kann jedoch erst mit 1.4.2020 in Anspruch genommen werden. [...]
(3) a) Bei der Berechnung der ununterbrochenen Dauer des Dienstverhältnisses werden unmittelbar vor der Übernahme ins Angestelltendienstverhältnis zurückgelegte, im Sinn der bestehenden Regelung für die Arbeiter anrechenbare Arbeiterdienstzeiten im selben Unternehmen angerechnet. Zur Anwendung der folgenden Bestimmungen ist die vor den angeführten Stichtagen jeweils vollendete Dienstzeit maßgeblich.
b) Sofern im Folgenden nicht abweichend geregelt, gilt als Dienstjubiläum jener Zeitpunkt, der sich aus der Zusammenrechnung von Arbeiterdienstzeiten im Sinn des vorigen Satzes und der Angestelltendienstzeit ergibt.
c) Ergibt sich aufgrund der Anrechnung der Arbeitervordienstzeit aufgrund dieses Kollektivvertrages ein Dienstjubiläum zwischen 1.11.1995 und 1.11.1998 besteht Anspruch auf das Jubiläumsgeld aufgrund dieses Dienstjubiläums und ist dieses bis 31.3.1999 zu bezahlen, sofern nicht das entsprechende Jubiläumsgeld schon bezahlt wurde. […] “
[11] 2. Die dem normativen Teil eines Kollektivvertrags angehörenden Bestimmungen sind nach den Grundsätzen der §§ 6, 7 ABGB, also nach der eigentümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhang und der Absicht des Normgebers auszulegen ( RS0008782 , RS0008807 ua). Den Kollektivvertragsparteien darf dabei grundsätzlich unterstellt werden, dass sie eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen wollten, sodass bei mehreren an sich in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten, wenn alle anderen Auslegungsgrundsätze versagen, jener der Vorzug zu geben ist, die diesen Anforderungen am meisten entspricht ( RS0008828 , RS0008897 ).
[12] 3. Die vom KV verwendete Formulierung „Nach ununterbrochener Dauer des Dienstverhältnisses gebührt (ua) zum 35 jährigen Dienstjubiläum 2 Monatsentgelte als Jubiläumsgeld“ lässt rein sprachlich sowohl die Interpretation zu, dass es nur auf die ununterbrochene Betriebszugehörigkeit über den Zeitraum von (ua) 35 Jahren, als auch die, dass es auf den Jahrestag des Diensteintritts ankommt.
[13] Im allgemeinen Verständnis wird aber mit Dienstjubiläen die Vorstellung verbunden, dass für eine bestimmte Anzahl von Dienstjahren eine Prämie bezahlt wird. Jubiläumsgeldern liegt der Gedanke einer Anerkennung und Belohnung für langjährige Betriebszugehörigkeit zugrunde. Sie gelten mit anderen Worten die Betriebstreue nach mehrjähriger Betriebszugehörigkeit ab (8 ObS 2/24p Rz 13 mwN). Anders als etwa bei der von der Beklagten genannten Feier des Geburtstags, wird daher nicht ein bestimmter Tag „begangen“, sondern die Dauer der bei einem Unternehmen verbrachten Zeit belohnt.
[14] 4. Bereits in der Entscheidung 9 ObA 803/94 wurde darauf hingewiesen, dass für die Berechnung von Dienstjahren der tatsächlich rechtliche Beginn des Dienstverhältnisses entscheidend sei, weshalb § 902 Abs 1 ABGB, nach dem prinzipiell der Tag nicht mitgezählt werde, auf den das Ereignis falle, von dem der Fristlauf beginne, nicht heranzuziehen sei. Der erste Tag des Dienstverhältnisses sei ebenso Vertragserfüllung wie jeder der folgenden und daher entgegen § 902 ABGB bei Berechnung der Wartefrist mitzuzählen. Das subjektive Recht auf die Jubiläumsgabe falle somit bei Dienstvertragsbeginn 1. 1. mit Ablauf des 31. 12. des 25., 30. oder 35. Dienstjahres an und nicht erst an dem darauffolgenden Ersten.
[15] 5. Wenn der KV daher von einem „35 jährigen“ Jubiläum spricht, ist davon auszugehen, dass damit eine Prämie für eine 35 jährige (ununterbrochene) Dienstzugehörigkeit gemeint ist. Dienstjahre sind aber, wie dargelegt, unter Einbeziehung des ersten Tages der Diensterbringung zu berechnen.
[16] 6. Auch wenn es den Kollektivvertragsparteien prinzipiell frei steht, die Anspruchsvoraussetzungen für das Jubiläumsgeld zu definieren, bietet die konkrete Regelung des KV trotz der Verwendung der Formulierung „zum Dienstjubiläum“, was auch als Regelung bloß der Fälligkeit verstanden werden kann, keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass beabsichtigt war, von diesem üblichen Verständnis abzugehen und für das Entstehen des Anspruchs selbst die Absolvierung der genannten Jahre zuzüglich eines weiteren Tages zu verlangen.
[17] 7. Aus einer Berücksichtigung der Gesamtregelung des § 19c KV ergibt sich ebenfalls keine andere Beurteilung. Wie bereits das Berufungsgericht dargelegt hat, wird in unterschiedlichen Zusammenhängen auf Zeiträume bzw Zeitpunkte abgestellt und für Übergangsfristen und Fälligkeiten auf Perioden vom Ersten eines Monats bis zum Ersten ebenso wie vom Ersten eines Monats bis zum Letzten eines anderen Monats. Ein eindeutiger Schluss auf ein bestimmtes Verständnis von Abs 1 lässt sich daraus nicht ziehen. Insoweit kommt es auf die Ausführungen in der Revision, dass den nachfolgenden Absätzen teilweise ein anderes Verständnis zu unterstellen sei, als dem vom Berufungsgericht vertretenen, nicht an.
[18] 8. Zu Recht ist das Berufungsgericht daher davon ausgegangen, dass die Klägerin einen Anspruch auf das „35 jährige Dienstjubiläum“ hat. Der Revision war daher nicht Folge zu geben.
[19] 9. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.