JudikaturOGH

9ObA8/25d – OGH Entscheidung

Entscheidung
Arbeitsrecht
25. Juni 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Hargassner und die Hofrätin Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Thomas Stegmüller (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Birgit Riegler (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei T*, vertreten durch Schmidberger-Kassmannhuber-Schwager Rechtsanwalts Partnerschaft in Steyr, gegen die beklagte Partei Dr. K* als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der L* GmbH *, wegen 7.532,78 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 28. Oktober 2024, GZ 11 Ra 13/24x 16, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Über das Vermögen der vormaligen Arbeitgeberin der Klägerin wurde am 25. 11. 2024 das Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung eröffnet und der nunmehrige Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Am 5. 12. 2024 wurde die Bezeichnung des Verfahrens gemäß § 167 Abs 3 Z 2 IO auf Konkursverfahren geändert. Die klagsgegenständliche Forderung der Klägerin wurde im Konkursverfahren angemeldet und vom Masseverwalter bestritten.

[2] Mit Beschluss vom 25. 4. 2025 hat das Erstgericht über Antrag der Klägerin das unterbrochene Verfahren fortgesetzt.

[3] Auch wenn nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der beklagten Partei gegen diese während des Insolvenzverfahrens kein Leistungsurteil erwirkt werden kann, hat dann keine Umstellung bzw Maßgabebestätigung zu erfolgen, wenn der Oberste Gerichtshof eine außerordentliche Revision zurückweist (6 Ob 35/14m mwH). Dies ist hier der Fall.

[4] 2. Das Erstgericht hat dem Begehren der Klägerin auf Kündigungsentschädigung wegen fristwidriger Kündigung der Arbeitgeberin stattgegeben. Zur Frage, ob in der Branche der Arbeitgeberin Saisonbetriebe überwiegen, traf es eine Negativfeststellung. Die 14 tägige Kündigungsfrist des auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Kollektivvertrags für Arbeiterinnen und Arbeiter im Hotel und Gastgewerbe (KV) käme nicht zur Anwendung, weil gemäß § 1159 Abs 2 ABGB ein Abweichen von der gesetzlichen Regelung durch kollektivvertragliche Sonderbestimmungen nur möglich sei, wenn in der Branche Saisonbetriebe überwiegen. Dies habe die Arbeitgeberin nicht beweisen können.

[5] Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab. Nach der Entscheidung 9 ObA 57/24h treffe den behauptungs- und beweispflichtigen Arbeitnehmer die Beweislast, wenn nicht festgestellt werden könne, ob eine Saisonbranche vorliege.

[6] Die außerordentliche Revision der Klägerin, die in ihrer Zulassungsbeschwerde ausschließlich eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens geltend macht, ist nicht zulässig. Die von ihr aufgeworfene Frage, ob bei einer Judikaturänderung nach dem Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz den Parteien die Gelegenheit zu geben ist, noch weitere Beweisanträge zu stellen, wirft keine Rechtsfrage des Verfahrensrechts (vgl RS0037095 [T7]) von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auf. Diese Frage kann mit Hilfe vorhandener Leitlinien höchstgerichtlicher Rechtsprechung gelöst werden (RS0042656 [T48]; RS0042742 [T11, T13]).

[7] 3. Richtig ist, dass das (Berufungs )Gericht nach § 182a ZPO das Sach und Rechtsvorbringen der Parteien mit diesen zu erörtern hat und seine Entscheidung auf rechtliche Gesichtspunkte, die eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, nur stützen darf, wenn es diese mit den Parteien erörtert und ihnen Gelegenheit zur Äußerung gegeben hat (RS0037300 [T46]). Es darf daher die Parteien in seiner Entscheidung nicht mit einer Rechtsauffassung überraschen, die sie nicht beachtet haben und auf die sie nicht aufmerksam gemacht wurden (RS0037300).

[8] Das ist nach herrschender Rechtsprechung aber nur dann der Fall, wenn die vom Gericht seiner Entscheidung zugrundegelegte Rechtsauffassung vor Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz von keiner der beiden Parteien ins Treffen geführt und damit der Gegenseite auch keine Gelegenheit zur Stellungnahme geboten wurde (RS0037300 [T16, T46]).

[9] Bei der Beurteilung des vorliegenden Falls steht nicht eine „Judikaturänderung“ im Vordergrund, mit der im Übrigen selbst nach Ansicht der Revisionswerberin jederzeit gerechnet werden müsste, sondern eine unterschiedliche Rechtsauffassung der Parteien des erstinstanzlichen Verfahrens zur Frage der Beweislastverteilung im Anwendungsbereich des § 1159 Abs 2 ABGB. Die Klägerin konnte daher nicht überrascht sein, wenn ihrer im erst- und zweitinstanzlichen Verfahren vorgetragenen und von der Arbeitgeberin ausdrücklich bestrittenen Rechtsansicht, die Arbeitgeberin sei für das Vorliegen einer Saisonbranche und damit für die Anwendbarkeit der kollektivvertraglichen Ausnahmebestimmung behauptungs und beweispflichtig, vom Berufungsgericht nicht gefolgt wurde.

[10] Mangels Geltendmachung einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Klägerin zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).